Am Rande

26.11.2013, 01:53 apxwn Blog eu ukraine

Das Gesicht der notleidenden Julia Timoschenko ziert die Meldungen aus der Ukraine, die es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht riskiert hat, den Weg der “Euro-Integration” zu beschreiten. Dabei geht es natürlich nicht um Timoschenko: die EU hat den Ukrainern eine ziemlich erniedrigende Forderung unterbreitet, die auf die Person Julia Timoschenko fixiert ist, hat aber der ukrainischen Wirtschaft nichts anstelle des russischen Marktes anzubieten vermocht. Das war’s dann letztlich auch, was alle anderen Überlegungen dominierte.

Die ukrainische Regierung hat durch den Stop der Euro-Integration mal wieder die schlechtestmögliche Wahl getroffen: indem sie nämlich gar nichts wählte und alles beim Alten beließ. Dabei muss sich die Ukraine irgendwann einmal entscheiden, es geht nicht ewig so zwischen den Stühlen. Entweder das russische oder das europäische Projekt. Unabhängigkeit war und bleibt ein Traum – davon zu sprechen, gibt es in der Ukraine keinerlei ernstzunehmenden Anlass.

Die Ukraine kann weder für Europa noch für Russland zu einem exklusiven Dienstleister werden – eher andersherum. Durch die Ausnutzung der strategisch und infrastrukturell bedeutenden Lage versuchen die Ukrainer, beide Seiten zu erpressen, aber bereits jetzt kann Russland durch den Bau von Umgehungstrassen sich gegenüber solchen Erpressungsversuchen ziemlich unnachgiebig zeigen. Der Bauabschluss von “South Stream” würde die Ukraine als Transitland für das einzige russische Exportprodukt sowieso komplett uninteressant machen.

Europa nun braucht die Ukraine lediglich als Markt für europäische Produkte im Austausch für Arbeitskraft und, mittelfristig … Schiefergas. Die Interessen der ukrainischen Eliten kümmern in beiden Fällen niemanden, zumal im Falle einer Euro-Integration diese Eliten samt ihrer restlichen Aktiva mindestens ein halber Kahlschlag erwartet. Es kann nun einmal nicht zwei Dorfälteste geben.

In Kiew spielt sich derweil das lustige Zahlenspiel von Demonstranten und Staatsmacht ab: wie viele waren denn nun auf den Straßen? Die Angaben von Regierung und Opposition differieren schon mal um ein paar Nullen, und interessanterweise beteiligen selbst radikal-islamistische Internetressourcen an dem Spiel: Kavkazcenter meldete gestern 100.000, Umma-News 50.000 Demonstranten. Die freuen sich ohnehin über jede Kombination. Wie dem auch sei – solange man Kräfte für solche Zahlenspielereien aufwendet, heißt das, dass es sonst keine Argumente gibt.

Die ukrainischen “Orangen” geraten so in dieselbe Lage, wie seinerzeit die russische “Weiße Schleife”. Nach den ersten Demonstrationen, als tatsächlich eine große Menschenmenge auf den Straßen war, gab es in den folgenden Demos einen deutlichen Abwärtstrend. Die Anführer der Proteste mussten unverhohlen lügen, um den Schwund ihrer Popularität und ihre Ideenlosigkeit zu kaschieren.

Die Ukraine hat als Staat nicht stattgefunden. Ein Failed State – das ist es so ziemlich, was die heutige Ukraine ist. Wie immer will niemand das eigene Versagen einräumen, und aus diesem Grunde sucht man auf der einen Seite ein Feindbild, auf der anderen einen lieben Onkel, der einem die eigenen Probleme wegschafft. Die Europhilen und Russophilen sind in dieser Herangehensweise weitgehend identisch, nur dass “Feind” und “lieber Onkel” einfach die Stellen tauschen. Die hausgemachte Krise selbst zu überwinden hat niemand Lust. Deswegen wird auch auf dem Maidan demonstriert – immer noch besser als arbeiten.

Aus den Meldungen vom Kiewer Maidan ist dabei noch etwas anderes interessant – nicht der Fakt an sich, dass dort welche demonstrieren, sondern die Gewaltbereitschaft einzelner Gruppen der “Demonstranten” gegenüber der Polizei. Denn außer der Gewaltbereitschaft sind sie dazu auch noch ziemlich gut vorbereitet und organisiert: kleine, mobile Brigaden ziehen durch die Stadt, wiegeln hier auf und provozieren dort, sind bei alledem gar nicht einmal schlecht bewaffnet – bisher nur mit Knüppeln, Stichwaffen und Tränengas, aber das nun wiederum wird freigebig eingesetzt. Bisher gibt es keine Opfer, aber das kann sich in kürzester Zeit ändern. Und wie immer Hinweise oder zumindest Vorwürfe eines auswärtigen Sponsorings der Proteste.

Dazu wird die Aufbringung eines Fahrzeugs der ukrainischen Sicherheitsdienste durch “Demonstranten” gemeldet; dieser Wagen enthielt Equipment zur Lokalisierung von Sprengsätzen (Version der Regierung) oder Abhörvorrichtungen (Version der Demonstranten). Es laufen immer wieder Zusammenstöße mit der Polizei, die derzeit noch nicht über das Normale bei Massenpsychosen hinausgehen, zumal es bei allen zurückliegenden Demonstrationen immer wieder solche Kleingefechte gab.

Nichtsdestotrotz haben sich die Technologien der “farbigen Revolutionen” in den vergangenen 9 Jahren (seit Maidan-2004) natürlich erheblich fortentwickelt. Inzwischen gibt es auch die Erfahrung aus Syrien, wo die Regierung nicht vor “friedlichen Demonstrationen” in die Knie gegangen ist, was zum Auftreten von Scharfschützen führte, die sowohl die Demonstrationen als auch die Polizeikräfte unter Feuer nahmen. Das hat den Konflikt nicht nur verschärft, sondern ihn auf eine gänzlich andere Ebene gehoben.

#Euromaidan – Twitter-Kampagne mit den üblichen nichtssagenden Floskeln

Schwer zu sagen, ob das derzeitige Kiew sich nach diesem Szenario entwickeln wird, doch das Auftreten von schlagkräftigen Trupps inmitten der Demonstranten und ihr Engagement gegen die Polizei ist festgestellt. Die Europäische Union hat ziemlich nervös auf die Ablehnung der ukrainischen “Euro-Integration”, oder besser: der Liquidierung der Reste ihrer Souveränität reagiert. Aus diesem Grunde besteht ein objektiver Anlass auch auswärtiger Stakeholder dazu, die ukrainische Regierung ein wenig in die Mangel zu nehmen. Beugt sich die Regierung dem Ochlos nicht, kann es durchaus zu Eskalationen kommen. Entsprechende Erfahrungen gibt es inzwischen genug.