(Fortsetzung von hier)

Kurzes Vorwort zu Teil 2: es ist mir aus bestimmten Gründen schwer möglich, “noch weiter hinten” hinter den beschriebenen Ereignissen und Entwicklungen eine geheime Geschichte zu vermuten, die ins Esoterische (im Wortsinn) reicht. Wohl wissend, dass es da auch (genügend!) Quellen und Portale gibt, bleiben wir hier bei der puren Exoterik. Nichts vom hier dargelegten ist geheim oder verborgen, und auf die Gefahr hin, an einer Inszenierung teilzunehmen, bleibt es auch einstweilen dabei.

Der “Arabische Frühling” ist für Obama, alles in allem, erst einmal ein Prozess, der es ihm gestattet, die unmittelbare Präsenz im Nahen Osten zugunsten einer nur noch punktuellen, ansonsten virtuellen Präsenz zurückzustufen – ohne Kontrollverlust. Die Kontrolle ist dabei lediglich anderer Art – man kontrolliert das Chaos. Es sind nichts geringeres als soziale Technologien der sechsten Technologischen Ordnung mit der Möglichkeit, notfalls jederzeit unmittelbar aktiv zu werden.

Theoretisch bieten die Prozesse im Nahen Osten Obama allerdings noch eine weitere Chance. Eine Chance, Problemstellungen anzugehen, die sich aus der Zugehörigkeit seinerselbst sowie seiner Administration zu einer der auch innerhalb der USA heftig mit anderen Elite-Gruppen konkurrierenden Gruppe ergeben. Die bedingt so zu bezeichnende internationale Finanzoligarchie und -bürokratie, die Obama vertritt, hat im Nahen und Mittleren Osten keine festen Positionen. Diese Region ist bis dato immer die Domäne der Imperialen, der “Republikaner” gewesen. Die Chancen, die sich Obama boten, nutze er auch sogleich und begann mit einer Bereinigung der wichtigsten Machthebel in den USA – CIA, Außenamt und Verteidigungsministerium: sie wurden der Konkurrenz entrissen.

Plan A: Arabischer Frühling

Al-Dschasira, Motor des “Arabischen Frühlings”

Heute ist es immer noch schwer zu sagen, inwieweit die Initialereignisse dieses “Arabischen Frühlings” komplett durchgeplant und herbeigeführt oder inwieweit sie auf objektiven Tatsachen beruhten. Auf jeden Fall hatte die damalige Hinwendung der Amerikaner zu den Moslembrüdern und das Auftreten eines neuen Destabilisierungsfaktors in der Region – Katar – alle ziemlich kalt erwischt. Eine solche Pirouette musste man erst einmal von ihrer Tragweite einschätzen, und bestimmt war das einer der Gründe dafür, dass die ägyptischen Militärs sich einstweilen zurückzogen, und dass Russland und China bei der UNSC-Reolution gegen Libyen plötzlich “neutral” waren.

Es brauchte etwas Zeit zu begreifen, was überhaupt vor sich geht. Wohin sich die Lage entwickelt und welche Varianten dieser Entwicklung es gibt. Und die erste Runde ging durch das Überraschungsmoment an Obama.

Die Moslembrüder wurden schnell zur wichtigsten Kraft der Region, ihr Erfolg in Tunesien, Ägypten und gewichtige Positionen in Libyen wurden unter anderem zum Grund dafür, warum die Hamas sich an die Seite der Sieger schlug. Plötzlich war überall die Rede von einer Renaissance des politischen Islam.

Gegenwind

Allerdings hielt die Bestürzung nicht allzu lange an. Schon zu Beginn des Jahres 2012 begann spürbarer Widerstand gegen die Aktivitäten der Moslembrüder.

In Libyen ist die pro-katarische Regierung des Abdelrahim el-Kib bereits zwei Monate nach ihrer Wahl mit Pauken und Trompeten durchgefallen und wurde durch die Leute des Mahmud Dschibril und Ali Seidan ersetzt. Es wäre unsinnig anzunehmen, dass Dschibril sich dabei nicht etwa auf ausländische Unterstützung verließ – gegen Katar und dessen finanzielle Möglichkeiten hat es schon einer vergleichbaren Kraft gebraucht. Wenn man sich in Erinnerung ruft, wohin Dschibril sich nach Gaddafis Tod und seinem einstweiligen freiwilligen Rücktritt begab, so wird klarer, was er da für eine Quelle aufgetan hat und wessen Interessen er vertrat.

Abdelrahim el-Kib / Ali Seidan

In Ägypten nun ging die alte Nomenklatur zu einem Stellungskrieg über und reagierte auf alle Erfolge der “Moslembrüder” durchaus symmetrisch durch die Entscheidungen von Gerichten, durch Sabotage, und steuerte die Lage schließlich souverän in den Zustand eines Kollaps der staatlichen Führungskraft – sehr deutlich in dem Moment, als Mursi zum Präsidenten gewählt und das Parlament faktisch gleichzeitig durch das ägyptische Verfassungsgericht aufgelöst wurde. Was Mursi gleich einmal der Möglichkeit beraubte, eine legitime Regierung zu bilden.

Vertreter der bürgerlichen Gesellschaft in Syrien

In Syrien begann die “Opposition”, in einzelne Fraktionen zersplittert, untereinander Krieg zu führen – je weiter, desto schlimmer und erbitterter. Es mag sein, dass diese Zersplitterung vor allem durch Saudi-Arabien inspiriert worden ist, welches primär auf Al-Kaida-nahe Gruppierungen aus dem Irak setzte, die sich ziemlich schnell der Kontrolle durch die Westmächte entzogen haben. Die Saud verstanden sehr wohl, wer als nächstes nach Syrien dran wäre und haben sich damit mindestens für den Fall abgesichert, dass Baschar al-Assad entmachtet wird.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es die Aufgabe des Königreichs ist, den Krieg in Syrien in die Länge zu ziehen – mindestens bis Obama an Tempo verliert. Was ja auch eingetreten ist. Assad nun hat die Zersplitterung voll und ganz für sich zu nutzen gewusst – er behielt Oberwasser und ließ den Feind systematisch durch den Fleischwolf drehen. China und Russland haben allem Anschein nach begriffen, dass man sie im Falle von Libyen ganz banal betrogen hat, standen nun im Falle von Syrien wie eine Wand und zerschlugen jegliche Initiativen, die der Westen in der Richtung unternahm. Ohne einen Unterschied zu machen, was daran die Interessen der USA und was jene Obamas sind.

Restauration

Und Ägypten? Die Militärs haben sich in Verteidigungspositionen ausgeruht und zum Gegenschlag ausgeholt, ohne ihre Vorbereitungen zum Putsch allzu sehr zu verdecken. Das Finale war dabei aber weniger die Räumung der Al-Fateh-Moschee, sondern der Besuch durch den republikanischen Senator McCain. Ungefähr eine Woche vor dem Angriff der Militärs auf die Moslembrüder.

Die Generäle brauchten einen Anlass für die endgültige Lösung des Problems. Nach der Verhaftung Mursis mussten sich die Moslembrüder zu einem Fehler hinreißen lassen. Und McCain lieferte ihnen den Anlass dazu. McCain, der den Putsch – im Gegensatz zu Kerry – einen Putsch nannte und den Moslembrüdern so Mut machte. McCain, ein erbitterter Feind Obamas. Und im Grunde ein Verbündeter des Generals as-Sisi.

Der Senator. Foto: PressTV

McCain kam auf Einladung der Militärjunta nach Ägypten, um der “friedlichen Beilegung” dienlich zu sein; er verkündete sofort mit unverfrorener Direktheit Bedingungen für diese friedliche Beilegung, die keine der Seiten akzeptieren konnte – weder die Militärs, noch die “Brüder”. Die einen wie die anderen verkündeten der ganzen Welt sofort, dass sie unter keinen Umständen miteinander zu verhandeln gedenken.

Es kann schon sein, dass man McCain in vietnamesischer Gefangenschaft das eine oder andere Mal hart mit einem Spaten auf den Kopf geschlagen hat. Aber ein Idiot ist er nicht – die inakzeptablen Bedingungen diktierte er nicht aus Dummheit, sondern aus Berechnung und in der Erwartung einer Absage. Diese Absage kam denn auch, den Generälen waren die Hände fortan nicht mehr gebunden. so dass sie eine Woche und 800 Leichen später endgültig die Macht übernahmen. Frei nach Leo Trotzki – es stellte sich der Sieg der Nomenklatur über die revolutionären Massen ein.

(Fortsetzung)