Der “Guardian” berichtete gestern, dass das saudische Königreich frische Millionen in die Hand nimmt, um damit in Syrien operierende Terrorbrigaden zu finanzieren, die auch unter dem neuen Label Dschaisch al-Islam firmieren, das man bisher nur aus Gaza kannte. Das Label ist neu, die Kader sind bekannt: diese “Armee des Islam” ist eine Ende September aus insgesamt 43 aktiv operierenden islamistischen Banditenbrigaden gebildete Terrororganisation und untersteht Zahran Alloush, ehedem bekannt als Chef der Liwa al-Islam und Kumpel von Ayman az-Zawahiri. Neu ist daran lediglich der angebliche Bruch mit der Al-Nusra-Front.

Dass Saudi-Arabien bis zum Ende und auf’s Ganze geht, war bereits Ende August während der Anwendung chemischer Kampfstoffe in Ost-Ghouta klar geworden; die überzeugendsten Berichte verweisen auf die Liwa al-Islam als Verantwortlichen für diese schreckliche Provokation. Das sich zersetzende Sicherheitskonzept der Arabischen Halbinsel, welches sich in erster Linie auf eine kompromisslose Unterstützung durch die Vereinigten Staaten von Amerika als Antipod zum Iran stützt, lässt dem Königreich keine Wahl: für den Fall, dass es den USA und dem Iran gelingt, ihre Spannungen abzubauen und sich untereinander zu einigen, bleiben den Saud keine anderen Instrumente mehr, die sie gegen eine Dominanz der Perser in der Region in die Waagschale werfen könnten.

Insofern ist es nur logisch, dass Saudi-Arabien daran interessiert ist, die Konfrontation außerhalb seiner eigenen Grenzen zu verlegen und eine Proxy-Kraft zu gebrauchen, wodurch sich eine direkte Auseinandersetzung zwischen dem Königreich und seinen Feinden einstweilen vermeiden ließe. Freilich wird es dann angreifbar, wenn man es beschuldigt, es würde den Terrorismus sponsorn: eine Unterstützung von Kampfgruppen in Syrien in dem geplanten Umfang läßt sich nicht mehr unter der Hand und insgeheim realisieren.

Solche Vorwürfe könnten es den Amerikanern wiederum gestatten, in einem beliebigen Konflikt zwischen Saudi-Arabien und seinen Widersachern eine neutrale Position einzunehmen, sofern dieser Konflikt irgendwie ins Konzept “war on terror” passt. Auf jeden Fall haben die al-Saud wirklich keine große Wahl: eine Niederlage in Syrien führt unweigerlich zu Umbrüchen innerhalb der Dynastie, sie würde zu einem wichtigen Argument im Machtgerangel der Clans in einer Situation, in der der künftige Modus der Thronfolge nicht geregelt ist. Gewisse Fliehkräfte in einem Reich, das von Anfang an Patchwork war und einzig aufgrund der Einigkeit der herrschenden Dynastie zusammenhält, werden unvermeidlich sein.

Nach einer, wenn auch einstweiligen, möglichen Niederlage der saudischen Proxies in Syrien wird es keine unüberwindbaren Hindernisse für einen Zerfall Saudi-Arabiens selbst mehr geben. Das Königreich steckt in einer Falle, die es sich selbst gestellt hat. Zu Beginn des “Arabischen Frühlings” war seine Politik in der Region logisch und nachvollziehbar, wenngleich sie immer schon zynisch und mörderisch gewesen ist, aber der Überlebenskampf gebietet extreme Mittel; aber nur diese Politik ist es, die zur heutigen Lage geführt hat. Die Saud schaffen es nicht mehr, das wachsende Chaos in der Region zu überblicken, geschweige denn, wenn es einmal an die eigenen Wände schwappt, zu zähmen – dazu haben sie nicht die Mittel, sie sind keine Großmacht. Die Elite des Königreichs ist für eine solche Zerreißprobe letztlich nicht bereit gewesen, und jetzt gilt es nur noch, mit dem immer reißender werdenden Strom zu schwimmen und irgendwie zu versuchen, die absehbaren Stromschnellen und Wasserfälle hinauszuzögern.