Wenn der durchschnittliche russische Fernsehkonsument im Wochenendprogramm solche Dinge serviert bekommt, kann man sich manches mal nur über die vorwiegend reflektorische Berichterstattung in Europa wundern. Nicht, dass in dem Bericht die “reine Wahrheit” herüberkommt – die eher wie eine neue Legende von einem kleinen, weiblichen Bin-Laden-Äquivalent anmutende Story mal nur als Beispiel – aber immerhin werden zumindest Andeutungen über Hintergründe geliefert, die nicht einfach nur ein ohnehin schon prominentes Feindbild bemühen.

Gucken wir einmal in diesem Sinne weiter im Umkreis: US-Außenminister John Kerry meint, dass ein “Deal” über das iranische Atomprogramm auch schneller zustande kommen kann, als in den von Präsident Hassan Rohani dafür veranschlagten 3-6 Monaten. Mit anderen Worten: das Eisen wird geschmiedet, solange es heiß ist. Die Krise um die Chemiewaffen in Syrien hat die Beziehungen Obamas und seiner Administration mit seinen “Verbündeten” bis fast zum Zerreißen angespannt, und er muß vollkommen gerechtfertigt mit einer Wiederholung solcher Provokationen rechnen, durchaus auch in viel größerem Ausmaß. In einem solchen Fall ist die einzig richtige Taktik der Vorstoß und das Ergreifen der Initiative. Eine beschleunigte Klärung des “Iran-Problems” ist der Ausweg, der sich quasi von selbst anbietet, zumal, wie es aussieht, Obama kaum andere Möglichkeiten bleiben.

Ein viertel bis ein halbes Jahr, die bis zu konkreten Vereinbarungen zum iranischen Atomprogramm verstreichen können, ist der Zeitraum, den Obama hat – mal wieder eine rote Linie, wenn man so will; nur diesmal ist sie echt und keine Show für die Medien. Warum?

Das momentane Hauptproblem für die Obama-Administration: Kontrollverlust über die “Al-Kaida” (sit venia verbo) und deren Hörigkeit gegenüber dem scheinbar letzten Großsponsor der Attacke gegen Syrien, nämlich Saudi-Arabien. Sicherlich ist das Königreich kein selbständiger Player, sondern es hat seine Leute und Lobby in der US-Elite. Aber das bedeutet, dass Obama es erst einmal mit vollkommen hirnverbrannten, sich an keinerlei Regeln haltenden Gegnern zu tun hat. Der Iran wird für ihn zum letzten möglichen Argument, das er diesem durchgeknallten Triumvirat aus der Kriegspartei im eigenen Lande, den saudischen Prinzen und den bewaffneten islamistischen Gruppierungen im Nahen Osten entgegensetzen kann.

Die gegen den Iran bestehenden Sanktionen werden aufgehoben werden müssen; das steht gar nicht zur Debatte, sie müssen weitgehend fallen. Mehr noch, es ist nicht unwahrscheinlich, dass Obama dem Iran bei der Lösung seiner heute wichtigsten Probleme gewisse Hiflestellungen geben wird. Das sind in erster Linie Investitionen und Technologien.

Iran

Im Iran besteht eine katastrophale Schere zwischen neu geschaffenen Arbeitsplätzen und der Zahl von auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Leuten. Die Bevölkerung des Iran ist eine der durchschnittlich jüngsten weltweit, und das schreit nach schnellen Lösungen. Der vorige Präsident, Mahmud Ahmadinedschad, hat diese Probleme nur aufgeschoben, indem er massiv in Bildung investierte. In den Jahren seiner Präsidentschaft ist die Zahl der Hochschulabsolventen im Iran nicht nur gestiegen, sondern hat sich nahezu potenziert. Eine gewisse Zeitlang war die Jugend mit ihrer Ausbildung beschäftigt, doch inzwischen drückt sie bereits wieder auf den Arbeitsmarkt. Zum heutigen Zeitpunkt sind es etwa 20% der männlichen und 40% der weiblichen Hochschulabsolventen, die Schwierigkeiten haben, eine Arbeitsstelle zu finden.

Unter den günstigsten denkbaren Bedingungen kann der Iran bestenfalls eine halbe Million neuer Arbeitsplätze pro Jahr schaffen. Notwendig sind aber mehr – vielleicht das Fünffache. Dabei hat ein junger Hochschulabsolvent noch ganz andere Ansprüche als einer, der nach Abschluss einer allgemeinbildenden Schule ins Berufsleben geht. Auch hinsichtlich der politischen Motivation und des Engagements sind diese Leute etwas anders gestrickt. Mit anderen Worten, das Problem ist klar.

Dazu kommt eine ernstzunehmende Finanzkrise. Unter der Präsidentschaft Ahmadinedschads (2005-2013) stieg die reine Geldmasse im Iran von 53 auf 338 Billionen Rial an (Stand März 2013). Das Wirtschaftswachstum betrug dabei im Mittel 4,2% p.a.. Ein großer Teil des “ungedeckten” Geldes wurde für den Wohnungsbau eingesetzt. Ohne die Menschen aber auch noch mit Arbeitsgelegenheiten zu bedenken, wird diese ganze Investitions- und Subventionsmasse irgendwann auf die Wirtschaft zurückfallen. Die Inflation beträgt derzeit schon um die 40%, und die iranische Zentralbank hält sie unter Anstrengung wenigstens in dieser Größenordnung.

Bis 2009 führte der Iran Waren im Gesamtwert von 20 Milliarden USD pro Jahr ein, seit 2010 sind es fast 80 Milliarden. Das alles spricht von Systemschwäche, die unter Ahmadinedschad eben erstmal durch Importe gelöst wurde. Durch nichts anderes.

Rohani hat demnach eine ziemlich schwierige Lage vorgesetzt bekommen. Er muss das für ressourcenreiche Länder typische Problem der einseitigen Abhängigkeit von Rohstoffexporten lösen, er braucht Technologien und Investitionen. Dafür braucht es Geld, und ziemlich viel davon.

Aber der Aufbau einer gut funktionierenden Wirtschaft scheitert im Iran derzeit auch noch an einer Energiekrise – ohne ein großangelegtes Programm zur Sicherung der Energieversorgung wird es nicht möglich sein, Reserven für eine nennenswerte industrielle Entwicklung zu schaffen. Schon jetzt passiert es im Iran öfters, dass der Strom für 2 bis 4 Stunden täglich abgestellt werden muss – in erster Linie für industrielle Abnehmer, in geringerem Umfang gilt das aber auch schon für Privathaushalte. Um bei der gegenwärtigen Dynamik das Land wenigstens stabil weiterversorgen zu können, bräuchte es einen jährlichen Anstieg von wenigstens 4% bei der eingespeisten Energiemenge. Das schafft der Iran mit Mühe und Not. Aber von industriellem Wachstum kann unter diesen Umständen überhaupt keine Rede sein.

Schon aus diesem Grunde ist es vollkommen unsinnig, über einen kompletten Verzicht auf das iranische Atomprogramm zu phantasieren. Der Iran versucht damit nicht nur, die Energieproduktion zu steigern, sondern die Brennstoff- und Energiebilanz wesentlich zu ändern, indem der Versuch unternommen wird, vom Erdgas als Hauptenergiequelle wegzukommen. Erdgas ist für den Iran wichtigstes Exportprodukt, welches dazu dienen muss, notwendige Waren und Technologien zu erwerben. Damit zu heizen und Strom zu produzieren heißt für den Iran de facto Staatsanleihen zu verbrennen.

Es ist also offensichtlich, dass ein Übereinkommen mit der USA für den Iran lebensnotwendig ist. Dafür wird er bezahlen müssen. Indem er nicht nur seine eigenen, sondern auch die Probleme Obamas lösen hilft. Zumindest in den Bereichen, wo es Schnittmengen gibt.

Wo es diese Schnittmengen gibt ist dabei im Großen und Ganzen auch klar.

Obamacare

Obamas Makro-Aufgabe ist das Outsourcing der Kontrolle über den Nahen und Mittleren Osten. Bei gleichzeitiger verdeckter Präsenz. Wie eine solche Präsenz aussehen mag, wird heute in Afrika erprobt und eingeübt.

Hierzu bedarf es wieder einer kleinen Abschweifung.

Das 2007 geschaffene US-Zentralkommando für Afrika (AFRICOM) ist nichts als die logische Fortsetzung und Ergänzung der Unterteilung der Welt in Sektoren: CENTCOM für Vorder- und Zentralasien, EUCOM für Europa und die Gebiete der ehemaligen SU, SOUTHCOM für Südamerika und so weiter.

Bild: Lencer / Wikimedia Commons

Ungeachtet dessen, dass AFRICOM zum gegenwärtigen Zeitpunkt an lediglich zwei lokalen Einsätzen beteiligt ist plus dass seine Ressourcen im Krieg gegen Libyen eingesetzt wurden, sind die Aktivitäten dieser Struktur durchaus nicht nur Verwaltungstätigkeit.

Denkt man an die Ereignisse in Mali, so kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die einzigen, welche daraus irgendeinen Vorteil haben, die USA sind. Ohne, dass sie auch nur andeutungsweise an der ganzen Geschichte teilgenommen haben, die übrigens auf geradezu mysteriöse Weise von Absolventen US-amerikanischer Militärakademien angezettelt und von einem interessanten Gemisch aus Libyen geflohenen Tuareg, lokalen Drogendealer-Banden und der ziemlich phantomhaften islamistischen Ansar ad-Din aufgegriffen wurden, haben die Amerikaner die Konstellation, wie man sagt, “volle Kanne” zu ihren Zwecken auszunutzen verstanden. Was naturgemäß die Frage aufwirft, ob es nicht vielleicht Yankee-Ohren sind, die man da hinter den Dünen auftauchen sah.

Denn Resultat ist die kaum von der Hand zu weisende, massive Erweiterung von CIA-Drohnenbasen, vor allem der im nigerianischen Niamey, deren Aktionsradius schon jetzt um die 700 Kilometer beträgt und damit Zentral- und Westafrika wesentlich abdeckt. Weniger bekannt, aber nicht minder bedeutend sind solche Basen in Äthiopien (“militärische Nutzung” des Flughafens Arba Minch) und auf den Seychellen. Dazu operiert AFRICOM mit see- und landgestützten Einrichtungen in Kenia (Mombasa), im äthiopischen Bole und in Dakar im Senegal. Über ganz Afrika gibt es an die 30 Flughäfen, die jederzeit und ohne zusätzliche Zeremonien dafür bereitstehen, jedwedes US-amerikanische Militärflugzeug ohne Zollformalitäten und Kontrollen in Empfang zu nehmen.

In 12 afrikanischen Ländern gibt es Treibstofflager der US-Streitkräfte: in Kamerun, Kapverden, Tansania, Südafrika, den Seychellen, Gabun, Ghana, Kenia, Namibia, der Elfenbeinküste, Mauritius und Nigeria.

Davon unabhängig funktioniert die durchdachte AFRICOM-Logistik. Schlüssel-Hubs befinden sich in Dschibuti, Mombasa, Garissa (Kenia), Kampala und Entebbe (Uganda), Dakar (Senegal) und Tema (Ghana).

Das, was jüngst in Kenia ablief, sieht aus wie die Fortsetzung dessen, was zuvor in Mali passierte – die gleichen jungen “hirnverbrannten” Extremisten aus der al-Shabaab, die man in die Savanne gejagt und sie jeglicher Perspektiven beraubt hat, bekommen plötzlich auf wundersame Weise Verstärkung mit europäischen und US-amerikanischen Pässen, sie führen eine stabsmäßig geplante, logistisch perfekte Diversion in Kenia durch, die, wie man bereits sehen kann, schwerwiegende Fortsetzungen in verschiedensten Bereichen hat. Die Al-Shabaab hat, zumindest nach diversen extremistischen Internet-Quellen zu urteilen, es unlängst geschafft, anderen Spinnern der Region – der ugandischen Lord’s Resistance Army, einem pseudochristlich-animalistischen Konglomerat, dessen Brutalität selbst in afrikanischen Verhältnissen vollkommen jenseits des Vorstellbaren ist – ordentlich auf die Füße zu treten. In Nigeria erwacht die Boko Haram und veranstaltet ein Massaker unter schlafenden Studenten.

Die örtlichen Fürsten sind in ihrem Unvermögen, dieser jugendlichen Leidenschaft Paroli zu bieten, zu allem bereit, Hauptsache, die Spinner verschwinden wieder in die Savannen und Dschungel. Und dazu haben sie zwei mögliche Ansätze, die mit zwei vollkommen gegensätzlichen Strategien des Fußfassens auf dem afrikanischen Kontinent zu tun haben. Das sind die Strategien der USA und Chinas.

China kommt mit massiven Investitionen, großen zivilen Projekten und zigtausenden an chinesischen Arbeitern in die afrikanischen Länder: auf der einen Seite binden sie so die regionale Wirtschaft an die chinesische, auf der anderen Seite “nerven” sie die Afrikaner durch die massiven Migrantenströme. Die Amerikaner hingegen erscheinen nur an bestimmten Punkten, bauen über den gesamten Kontinent verteilt ein Netz aus Militärbasen und militärischer Infrastruktur mit der entsprechenden Logistik im Hintergrund. Wessen Strategie letztendlich die erfolgreichere ist, kann nur die Zeit zeigen.

Allem Anschein nach ist es genau das, wo der dickste Hund begraben liegt. Die Strategie, die heute in Afrika erprobt wird, kann in Zukunft zum Muster dafür werden, wie die USA der chinesischen Expansion in den wichtigsten Regionen der Welt entgegenzuwirken gedenken – in Nahost, Lateinamerika und Afrika. Dazu bedarf es einer maximalen Schwächung der regionalen souveränen Staaten durch gebündeltes Auftreten wirtschaftlicher Probleme, sozialer Spannungen und blindwütigen Terrors ohne vertretbare politische Ziele. Stattdessen muss dieser Terror irrational oder religiös sein. In Nahost und Afrika sind das vor allem die Islamisten, in Südamerika können das die zahlreichen radikalen “linken” Gruppierungen sein.

Der Iran passt in diesem Sinne ganz hervorragend ins Konzept. Ihm wird es zufallen, die Chaotisierung des Nahen Ostens fortzusetzen – dann aber schon in den Ländern, die mit den politischen Feinden Obamas und – allgemeiner gesagt – den Feinden der internationalen Finanzoligarchie assoziiert sind. Saudi-Arabien ist das Schlüsselland, dessen Zusammenbruch es gestatten würde, einen solchen Prozess unumkehrbar zu machen. Wenn Obama diesem Prozess die notwendige Aufmerksamkeit widmet, natürlich. Im Nahen Osten existiert schon genügend Pentagon-Infrastruktur, allerdings ist diese bisher auf direkte US-amerikanische Militärpräsenz ausgelegt. Anzugehen ist demnach die Aufgabe, sie schrittweise an die neuen Gegebenheiten und Ziele anzupassen. Genau dafür hat Obama den neuen, unscheinbaren CIA-Chef Brennan – kurz gesagt, einen Drohnenfreak. Er ist es, der hinter dem qualitativen und quantitativen Ausbau der Drohnenkapazitäten der Amerikaner steckt.

Für Drohnen gibt es nur ein Hindernis: ein funktionierendes Luftabwehrsystem. Deswegen gilt es, die zu kontrollierenden Landstriche in dieser Hinsicht in die Steinzeit zurückzuversetzen. Womit Terrorbrigaden recht gut zurechtkommen sollten. Der “kontaktlose” Krieg der Zukunft muss virtualisiert werden, so dass ein Drohnen”pilot” keinen Unterschied mehr zwischen einem Flight simulator und realen Kampfeinsätzen wahrnimmt. Die Kosten für die Ausbildung von Drohnen”piloten” sind um ein Vielfaches niedriger als die Kosten der Ausbildung von guten Piloten, was es den USA gestattet, ihren Militärapparat ohne Mehrkosten zu vermehren, denn die Revision der Militärdoktrin durch Obama ging vor allem auch davon aus, dass man durch die permanente Präsenz an mehreren Konfliktherden über seine Kapazitäten hinaus plante und lebte.

Diese Herangehensweise macht den Iran im kommenden Jahrzehnt zu einem wichtigen Verbündeten der USA, dem es gestattet sein wird, nach Gutdünken in der Region zu verfahren, mit Ausnahme natürlich von Konflikten mit Israel. Und unter der Voraussetzung, dass die USA ihre miliärische und logistische Infrastruktur unangefochten betreiben können.

Zum heutigen Zeitpunkt reichen die Kräfte des Iran dafür offensichtlich nicht aus. Das Land ist jetzt bereits in einem krisennahen Zustand, aus dem man es schleunigst und ohne große diplomatische Zeremonien herausführen muss. Der wichtigste Hebel zur Kontrolle des Iran – sein Atomprogramm – verbleibt in den fürsorglichen Händen der USA. Selbst ein mächtiger, dabei aber atomwaffenfreier Iran stellt für die Interessen der USA keine Gefahr dar. Und dabei besteht immer die Option, “Rückgängig machen” zu drücken und zu den Diskussionen über die atomare Bedrohung aus dem neuen Persischen Reich zurückzukehren.

Obama muss in den ihm verbleibenden drei Jahren eine unumkehrbare Situation in der Region schaffen, sie soweit umzubauen, dass selbst in dem Fall, dass seine politischen Gegner wieder an die Macht kommen, sie die Sache nicht einfach so wieder umdrehen können. Aus genau diesem Grunde plant Kerry jetzt sogar schon in Zeiträumen von Monaten – und wenn er selbst Rohani mit seinen 3-6 Monaten jetzt noch unterbietet, so sieht es ganz danach aus, dass die Zeit wirklich enorm drängt.

Ob die Iraner das durchschauen? Sicherlich. Sie haben aber ihre eigenen Ansichten und Motive zur Führungsrolle in der Region. Bis zu einem gewissen Stadium können sich die Ziele und Aufgaben mit denen der Amerikaner decken. Sobald sie davon abweichen, brauchen sie andere Kräfte, auf die sie sich stützen können und die ihnen dabei behilflich sein könnten, der brüderlichen Umarmung der USA glimpflich zu entkommen.

Aber das wäre dann schon eine ganz andere Geschichte.

Quellen, Daten usw.: www.iimes.ru