Homs – eine Rekonstruktion

28.02.2012, 11:58 apxwn Blog syrien

Wenn man die ganzen Informationen, welche aus Homs zu uns dringen, summiert, kann man inzwischen mit einer gewissen Sicherheit sagen, dass der organisierte Widerstand der Aufrührer gebrochen ist. Allerdings, geht man wiederum davon aus, was inzwischen bekannt wird, so gab es dort gar keine Aufrührer im eigentlichen Sinne. Aber davon später.

Man kann versuchen, die Situation zu modellieren, was denn tatsächlich dort abgelaufen ist.

Syrien, das sich mit der Anwesenheit von Beobachtern der Arabischen Liga einverstanden erklärt hat, zog zuerst die Streitkräfte aus der Stadt zurück und beließ lediglich reguläre Polizeieinheiten dort, deren Zweck es primär war, die sunnitischen von den alawitischen Stadtvierteln zu separieren. Der inzwischen traurig bekannte Stadtteil Baba Amr wurde, wie auch andere Stadteile, faktisch nicht von der Regierung kontrolliert. In lediglich zehn Tagen bis zwei Wochen wurde diese Stadt, wie man das sagt, von hunderten, und, man wagt nichts großes wenn man gar sagt: tausenden Söldnern aus vieler Herren Länder infiltriert (im Wesentlichen vom Libanon aus), in die Stadt wurden aus derselben Quelle Waffen geliefert, Munition, Lebensmittel. In lediglich zwei Wochen wurde hier eine recht starke Basis organisiert. In der Stadt selbst wurden Barrikaden, befestigte Zonen, Feuerpunkte aufgebaut. Dabei ist in keiner der Nachricht eine Information über das Verminen von Flächen oder Gebäuden aufgetaucht – entweder ist sie uns entgangen, oder die internationalen Söldner haben nicht damit gerechnet, dass schwere Technik in die Stadt eindringen wird.

Es ist schwer zu sagen, was genau als Startsignal diente – die Rede des Emirs Al-Thani in den USA über die Notwendigkeit einer militärischen Intervention in Syrien, oder der für den 19. Januar geplante Rechenschaftsbericht des Generals ad-Dhabi über die Mission der Arabischen Liga in Kairo – jedenfalls ungefähr zu dieser Zeit kamen die ersten Meldungen über eine Verschärfung der Situation vor Ort. Die Truppen, welche von den Randbezirken in die Stadt versetzt wurden, wurden plötzlich angegriffen. Die Hauptrichtung der Angriffe war der Süd-Osten hin zur Grenze mit dem Libanon, zu dem die Entfernung recht gering ist – ungefähr 30 Kilometer entlang einer Straße, welche intern als M1 bezeichnet wird. (Wichtig anzumerken ist, dass es den ganzen Januar über Kampfhandlungen in der Stadt gab – hier geht es jedoch um deren merkliche Verschärfung.)

Wie es den Anschein hat, haben die internationalen Söldnertruppen (ich bezeichne jene so, die man in den Medien als Aufständische oder Opposition bezeichnet; weshalb – dazu später) es geschafft, einen Korridor bis zur libanesischen Grenze zu schlagen, durch welchen schlicht Schwälle an Menschen und Material hereinbrachen und sich in den südlichen Teilen der Stadt konzentrierten – gerade in den sunnitisch dominierten Vierteln. Dieser Korridor war mindestens im Verlaufe einer Woche komplett frei und funktionierte. Die Gegend ist derart gelegen, dass die Straße M1 von der Stadt bis zur Grenze mit dem Libanon fast komplett von einem großen See flankiert wird, und die Regierungstruppen folglich nicht in der Lage waren, diesen Korridor zu schließen, ohne gleichzeitig die südlichen Stadtteile und die Ringstraße um die Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen.

Das Gesagte lässt blicken, dass die Vorbereitung sehr genau und rechtzeitig erfolgte. In diesem Sinne ist die Gefangennahme von katarischen Militärs charakteristisch, von der die Seite DEBKAfile berichtete; allem Anschein nach handelte es sich dabei um Leute aus der Militärlogistik und Kommunikationstechniker.

Nichts desto trotz haben die Regierungstruppen recht schnell Zugriff auf die Stadt bekommen, und zwar von Westen aus, von wo aus sie wiederum die sunnitischen Viertel voneinander separierten. Die Hauptaufgabe, welche in der Zeit vom 25./27. Januar bis ca. 05./07. Februar vor der Armee stand, war die Verlagerung von Truppen in die Nordausläufer der Stadt sowie die Liquidierung des Transportkorridors aus dem Libanon. Genau zu dieser Zeit kamen Meldungen über die Verlagerung von Einheiten aus der Provinz Idlib. Um diese Aktion zu sabotieren, wurden Teile der Vorstadt von Damaskus angegriffen und es gab eine Reihe von Angriffen in den nördlichen Provinzen. Teilweise ist dieser Plan gelungen, da die syrische Führung es nicht riskiert hat, die Truppen aus der Hauptstadt abzuziehen, und jene in Homs lediglich durch Truppenteile aus dem Norden verstärkt hat.

Ungefähr am 10. Februar wurde der Korridor entlang der Trasse M1 abgeschnitten und die Regierungstruppen brachten sowohl die Stadtgrenzen als auch die südwestliche Vorstadt unter ihre Kontrolle. Faktisch war ab da der Kreis geschlossen. Allerdings war genug Zeit, während der Korridor funktionierte, hier einige Tausend Söldner und eine große Menge an Waffen und Munition in die Stadt zu bringen (einschließlich panzerbrechende). Es begann ein Positionskrieg gegen befestigte Stellungen eines sehr gut bewaffneten Feindes.

Den Meldungen nach zu urteilen, sind unter den bis heute gefangenen Söldnern Saudis, Katarer, Libyer, Libanesen und „Bürger anderer Staaten, deren Staatsangehörigkeit aus außenpolitischen und diplomatischen Gründen nicht bekannt gegeben wird“. Unter dieser sperrigen Formulierung verbergen sich mit großer Wahrscheinlichkeit Europäer und andere „weiße Brüder“ verschiedenen Kalibers. Charakteristisch ist, dass gerade die Libyer den größten Hass auf sich ziehen; unter ihnen werden faktisch keine Gefangenen gemacht. Was der Unterschied zwischen ihnen und den anderen sein soll, ist schwer zu sagen, allerdings ist der Eindruck genau ein solcher.

In den letzten zwei Wochen hat die Armee einen richtigen Häuserkampf geführt – und die Anwendung schwerer Kriegstechnik und der Artillerie war unter diesen Bedingungen absolut gerechtfertigt, da es keinerlei andere Möglichkeit mehr gab. Die südlichen und westlichen Stadtgebiete wurden allmählich in einzelne Widerstandsnester getrennt, die Munition der internationalen Söldner ging zur Neige, und zum heutigen Tag ist der organisierte Widerstand faktisch gebrochen, es finden nur noch Säuberungen statt.

Genau genommen ist Homs ein wunderbares Beispiel dafür, was exakt Katar, Saudi-Arabien, die USA und Europa wollen. Eine nicht kontrollierte Enklave in der Näher der Grenze ist innerhalb von nur zwei Wochen dazu in der Lage gewesen, genügend personelle und materielle Ressourcen aufzubauen, die in der Lage waren, sich mit der syrischen Armee auf Augenhöhe Schlachten zu liefern, und das im Verlauf eines ganzen Monats. Man kann sich vorstellen, was bewerkstelligt werden könnte, wenn eine ganze Millionenstadt als Basis in die Hände der Söldnertruppen fällt, die man befestigt und einen ständigen Zufluss von Kämpfern und Material organisiert. Innerhalb eines Monats würde sich eine solche Enklave in den Ausgangspunkt für Söldner des ganzen Nahen Ostens verwandeln, von wo aus sie ihre „Befreiungszüge“ organisieren. Faktisch ist das die „libysche Variante“ mit dem Unterschied, dass hier nicht unzufriedene Beduinen und Städter als Aufhänger genommen werden, sondern die Aktion komplett auf landesfremden Kräften basiert. Zu denen dann natürlich Syrer stoßen, die einfach Lust auf Krieg mit dem Regime haben oder die einfach ganz banal plündern wollen. Wie man an der Operation in Homs sehen kann, wurde auf Seiten der Aufständischen wirklich ernsthaft geplant und umgesetzt – einschließlich der Koordination von Gruppierungen nicht nur in Homs, sondern auch an anderen Stellen und Provinzen des Landes.

Der „arabische Frühling“ hat ein ordentliches Kontingent an Armen hervorgebracht, an hungrigen und völlig unkontrollierbaren jungen Leuten, die durchaus als Kanonenfutter in einem solchen Krieg herhalten könnten. Die Aufgabe der Aggressoren ist es lediglich, die Kontrolle über eine Enklave in der Nähe der Grenze zu erlangen und durch diese eine Intervention in die Wege zu bringen. In diesem Sinne hat die syrische Führung diese Runde komplett für sich entschieden – der Schlag gegen die Pläne der „Freunde Syriens“ ist in Homs ein recht empfindlicher gewesen. Offenbar hatten die in Tunis versammelten „Freunde“ auch alle Informationen über die tatsächliche Situation in Homs, so dass dieses Treffen, streng genommen, ein Reinfall gewesen ist.