Im unter der Hand laufenden, dabei aber nicht allzu sorgfältig kaschiert stattfindenden Wettbewerb zwischen Katar und Saudi-Arabien um eine gewisse regionale Vormachtstellung sieht es so aus, als liege dabei nun jemand anderes vorn. Vielleicht nicht für lange Zeit, aber: Katar tritt allem Anschein nach vorerst ins Zwielicht zurück.

Der neue Emir Tamim hat den ehemaligen Premier und Außenminister Hamad ibn Dschasim al-Thani nicht nur aus seinen staatlichen Ämtern, sondern auch vom Posten des Chefs des katarischen Investmentunternehmens Qatar Investment Authority entlassen. An seine Stelle wurde der momentan 37-jährige Ahmad Mohammed al-Sayed gesetzt. Dieser war bis dato Funktionär in ähnlichen Institutionen – unter anderem bei der Börse des Katar – und ist ein Profi, was Investitionen und Finanzen angeht. In der Politik hat er aber, im Unterschied zu Hamad, weder Erfahrung noch, wie es aussieht, Ambitionen.

Der neue Emir beginnt also damit, Wirtschaft und Politik zu trennen. Beides zu vermengen scheint zu teuer und auch zu gefährlich geworden zu sein.

Die ursprüngliche Strategie des “alten” Emir Hamad bestand darin, dass Katar im Wesentlichen am Erdgasexport verdient – koordiniert wurde diese Strategie von Abdullah bin Hamad al-Attiyah, welcher auf die Flüssiggastechnologie setzte -, und die aus dieser Quelle gewonnenen Mittel wurden weltweit investiert. Diese Investitionen verliefen unter der Leitung der Qatar Investment Authority, also unter Hamad ibn Dschasim al-Thani. Schöne Dinge wie “The Shard” in London sind die Folge davon.

Dieses nette und für Katar auch vollkommen logische Überlebens- und Erfolgskonzept wurde durch den Schiefergas-Boom in den Vereinigten Staaten größtenteils zunichte gemacht. Katar sah sich folglich gezwungen, sein Erdgas auf schon aufgeteilte Märkte, primär den europäischen, zu bringen. Das nun wiederum ist Hauptbeweggrund für die Finanzierung von weiten Teilen des “Arabischen Frühlings” durch Katar.

Ahmad Mohamed al-Sayed

Es hat allerdings den Anschein, als werde jetzt ein Scheitern dieser Politik eingeräumt und als denke man in Katar nun daran, wirtschaftliche Probleme erst einmal auch mit wirtschaftlichen Mitteln anzugehen. Daher die neue Führung bei der QIA: Ahmad Mohammed al-Sayed ist nicht der Mann, der eigenständige Politik betreibt. Die von ihrer Bedeutung und ihrem Einfluss her zweitwichtigste Person im Emirat wird ausgetauscht und durch einen guten Manager ersetzt, der allerdings kein politisches Gewicht hat. Die Investment Authority wird nun wohl die Interessen der Erdgasbranche des Katar vorantreiben, anstatt ein Instrument dafür zu sein, den Über-Gewinn des Emirats irgendwo prominent zu platzieren. Diverse Image-Projekte wie etwa die Fußball-WM 2022 wird man dadurch wohl nicht unbedingt los, aber wahrscheinlich ist Katar als Mega-Sponsor von funkelnden und schönen Dingen erst einmal nicht mehr zu haben.

Der Krieg in Syrien wird in so einem Fall für Katar auch eher ein “Image-Projekt”, das man schätzungsweise versuchen wird, möglichst weitgehend auf die Saud abzuwälzen, selbst, wenn das für das Emirat einen Gesichtsverlust bedeutet. Das heißt nicht, dass Katar die “Rebellen” fortan nicht mehr unterstützt, jedoch nach der Aufgabe der Moslembrüder bleibt dem Emirat praktisch kein Instrument mehr, mit dem man in der Region politische Aktivitäten betreiben könnte. Ein neues heranzuzüchten dauert lange und ist teuer. Katar begibt sich also regionalpolitisch auf die Reservebank. Bei Bedarf sicherlich schnell zu reaktivieren, aber vorerst dürfen wohl andere das Spielchen betreiben. Dieses momentane Zurücktreten wiederum spricht dafür, dass Katar in der längerfristigen Perspektive in Nahost eine zu wichtige Rolle einnehmen soll, als dass man dessen Potential jetzt verheizt.

Der Umsturz in Ägypten sieht in diesem Kontext wie ein Symptom dessen aus, was anderswo passierte. Die Tendenz und Bewegung Richtung Militärputsch ging in etwa Anfang Mai los, als die Jugendbewegung Tamarod lauthals von sich zu künden begann – sie besteht aber im Wesentlichen aus ausgewählten und “geprüften” Kadern der Kifaya-Bewegung, die hinter dem “Tahrir” von 2011 steht. Auch im Mai sind diverse US-amerikanische Emissäre im Katar damit zugange gewesen, die Fristen und Formalitäten der Machtübergabe an Tamim zu besprechen.

Die ägyptischen Militärs waren höchstwahrscheinlich bestens im Bilde darüber, was der neue Emir an ersten Schritten unternehmen wird, und waren genau in dem Moment zum Umsturz bereit, als man Mursi vor vollendete Tatsachen stellte, nämlich, dass Katar seine Unterstützung fortan versagen wird. Für ihn selbst und für die ägyptischen “Brüder” war das in dem Moment wahrscheinlich auch nichts Neues mehr, denn ungefähr auch seit Mai gibt es unter ihnen wenn nicht offene Spaltungen, so doch Unruhe. Ein Teil der Führungsschicht schloss sich anderen, wenn auch “befreundeten” politischen Bewegungen an, so dass die Moslembrüder eigentlich im Moment des Umsturzes als politische Bewegung nicht mehr eins waren. Der von Katar mutmaßlich kaltgestellte Yusuf al-Qaradawi tauchte ab, zumal immer noch nicht so ganz klar ist, wen er nun eigentlich ideologisch zu stützen hätte. Seine letzte Aktion war denn auch der Aufruf an die Ägypter, sich im Märtyrer-Stil vor die Panzer der Armee zu werfen und Mursi vor dem Militär zu beschützen.

Das Militär nun hat mehr als nur wahrscheinlich seine Aktionen mit Saudi-Arabien abgestimmt. Dafür spricht die fast sofortige Anerkennung der Junta durch Saudi-Arabien sowie die gemeinsam mit den VAE in Aussicht gestellten 5 Milliarden US-Dollar Soforthilfe für die ägyptische Übergangsregierung. Das bezeugt: die Moslembrüder sind passé, und zwar für längere Zeit. Die Sache ist die, dass die Moslembrüder in den VAE als Organisation verboten sind, da sie dort vielleicht zurecht unter Putsch-Generalverdacht stehen. Schon allein deshalb zeugt die Hilfsbereitschaft der VAE von der Sicherheit der Scheichs, die “Ära” der Ichwan in Ägypten sei vorbei.

Was auch immer das für Syrien bedeuten mag (denn auch Saudi-Arabien hat die syrische “Opposition” jetzt am Bein und ist von ihrer Handlungsunfähigkeit alles andere als begeistert), Ägypten rückt jetzt auf die vordersten Positionen in der Regionalpolitik Nahost vor. Syrien ist wichtig, doch die Beharrlichkeit Assads bei der Verteidigung seines Landes zwingt die arabischen Monarchen dazu, andere Punkte zu finden, an denen sie ihren Einfluss ausüben und von dort aus ausweiten können. Ägypten, dass in zweieinhalb Jahren “Demokratie” durchaus reifgegoren ist, stellt in dieser Hinsicht ein durchaus passables Spielfeld dar.

Es wäre trotzdem falsch, Katar abzuschreiben, selbst unter Vorbehalt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Gruppierung um Tamim, Mozah und al-Attiyah über ein paar interessante Informationen über die inneren Zustände in Saudi-Arabien verfügt, die sie dazu veranlassen, erst einmal in die Schatten zu treten und dem Königreich die Gelegenheit zuzugestehen, das Feld für kommende Großprojekte zu bereinigen. Sobald es dann im Königreich – wie absehbar – zu weniger angenehmen Zuständen in dessen Führungsspitze kommt, werden sie auf die eine oder andere Art wieder ans Tageslicht treten.