In Jordanien, wo seit April die ehedem in Libyen eingesetzten Rebellen trainieren, beginnt ein Manöver von Armeen aller (westlichen) Herren Länder. Die syrische Regierung äußert sich erstmals scharf über Jordanien und warnt vor einer militärischen Antwort.

Im syrischen Rastan (nahe Homs) versucht die Armee, die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Es wird von 32 Toten berichtet, unter denen 23 Armeeangehörige sind. Das Verhältnis von 9:23 unter den Opfern ist ein deutliches Indiz dafür, dass es die syrische Armee mit einem gut vorbereiteten und bestens bewaffneten Gegner zu tun hat, der an dieser Stelle zumindest im taktischen Vorteil war.

Syrische Armee in RastanÜberhaupt sind die Verluste der syrischen Armee seit Beginn des so genannten „Waffenstillstands“ im Vergleich mit denen der bewaffneten Rebellen enorm angestiegen – die Armee wird durch unzählige Beschränkungen ausgebremst, wohingegen die Banden von der FSA gerade dadurch freier werden und inzwischen vielerorts die Initiative an sich reißen, selbst Ort und Zeit für bewaffnete Zusammenstöße mit der Armee wählen können und die „Waffenruhe“ für Umgruppierung, Nachschub und das Besetzen neuer Stellungen nutzen.

Der Westen, der sich mit dem Plan Annans zur Beilegung des Konflikts verdächtig schnell einverstanden erklärt hatte, hat mit ziemlicher Sicherheit genau dieses Ergebnis erwartet. Das Resultat des Annan-Plans ist also eine vorzeitig beendete Operation in Homs, das man gewissenhaft von Widerstandsnestern säuberte, doch dies ist am 12. April zum Halten gekommen, so dass die Stadt, nach Medienberichten z.B. auf vesti.ru, bereits wieder von bis zu Tausend bewaffneten Banditen infiltriert worden ist, die die Kontrolle über drei Stadtviertel haben. Von der Küste kommen ständig Berichte über Angriffe u.a. mit Schlauchbooten, mit deren Hilfe islamische Kampfeinheiten versuchen, auf das Territorium des Landes vorzudringen. Hier muss man natürlich verstehen, dass man mit einem Schlauchboot nicht übers Meer kommt – der dafür notwenige Treibstoff würde das Boot durch sein Gewicht schlicht versenken. Von daher sind die aktuellen syrischen Berichte darüber, es gäbe feindliche Kriegsschiffe in den syrischen Gewässern, sicher nicht von der Hand zu weisen. Es häufen sich gerade seit dem „Waffenstillstand“ Berichte darüber, dass die bewaffneten Rebellen wichtige logistische Knotenpunkte angreifen – Idlib, nahe Damaskus und nun bereits auch in Aleppo. Genau das sind ja Maßnahmen, die stabile Nachschublinien für die FSA gewährleisten sollen, gleichzeitig wird die Nachschublogistik für die Armee paralysiert. Selbstredend ist das tödlich für jedwede größere wirtschaftliche Betätigung der Syrer.

Anders gesagt, der Annan-Plan hat die vor seinem Inkrafttreten eher miserable Lage der bewaffneten Rebellen wesentlich verbessert, ohne, dass man dem deklarierten Ziel – nämlich dem Waffenstillstand, dadurch irgendwie näher gekommen wäre.

Gestern kam darüber hinaus die Meldung, dass Baschar al-Assad auf einem Treffen mit Kofi Annan geäußert hat, es sei durch Geheimdienstinformationen bekannt geworden, Saudi-Arabien und Jordanien hätten sich gegen Damaskus verschworen und arbeiten an der Infiltration des syrischen Territoriums im Süden bei Daraa und der Schaffung einer „Pufferzone“.

„Pufferzone“ bei Daraa?Bis dato hatten sich Syrien und Jordanien auf offizieller Ebene prinzipiell von gegenseitigen Vorwürfen und Anschuldigungen, besonders natürlich von gegenseitigen Drohgebärden enthalten. Und das ungeachtet der Tatsache, dass es an der syrisch-jordanischen Grenze tatsächlich nicht eben ruhig ist – auf jordanischem Gebiet gibt es nicht nur Flüchtlingslager, sondern Jordanien dient auch, wie vor einiger Zeit berichtet wurde, für etwa 10.000 ursprünglich aus Libyen stammende (oder dort beim Regime Change eingesetzte) bewaffnete Kämpfer als Erholungs- und Studienort. Und momentan führen Armeen aus aller Herren Länder ein Manöver namens „Eager Lion 2012“ in Jordanien durch – insgesamt 12.000 Armeeangehörige jenseits der UNO oder anderer viel zu pazifistischer Organisationen. In Jordanien häuft sich derzeit also eine Melange, die geradezu erschreckend ist.

Trotzdem hatte es bisher zwischen Syrien und Jordanien keine scharfen Töne gegeben, bis zur gestrigen Verlautbarung der syrischen Führung. Dass Assad nun die Initiative ergreift und deutlich wird, sagt eigentlich nur aus, dass dieser Status quo angesichts der militärischen Faktenlage keine wirkliche Perspektive mehr hat. Dass die Saudis mit von der Partie sind, erklärt sich auch relativ simpel – der „Arabische Frühling“ ist ein rollender Bulldozer, der bei Patt-Situationen wie in Syrien durchaus auch an die Pforten derer klopft, die ihn so aktiv begrüßt und gelenkt haben.

Das ist der Grund, warum man es sich nicht leisten kann, in Syrien mühsam und schrittweise für Frieden zu sorgen. Es bleibt keine Zeit. Ein Verzicht auf eine Aggression gegen das Land bedeutete in der Perspektive faktisch eine Zerschlagung der bewaffneten Rebellen, welche sich ausschließlich auf Gelder aus Saudi-Arabien und Katar bewaffnen und ernähren. Zwar wird die Türkei hie und da als möglicher Aggressor vorgeschubst, doch sind die Türken offenbar nicht willens, sich allzu tief in die Sache zu verstricken: die Kurden sind deren vordergründige Sorge. Dass also die Türkei hier den ersten Schritt unternimmt oder allein vorgeht, steht zu bezweifeln – das sind auch keine dummen Jungs. Der Akzent verlagert sich also momentan auf Jordanien und sicher auch den Libanon.

Kurzum, die syrischen Geheimdienste haben offenbar Informationen, die Assad ziemlich in Sorge versetzen. Was die Auslandsgeheimdienste angeht, steht es in Syrien nämlich ziemlich gut: es gibt ein gutes Netz von Agenten, und in den „östlichen Intrigen“ sind die Kollegen auch sehr bewandert. Dass sie sich bei der Spionage- und Terrorabwehr als unfähig erwiesen haben, steht auf einem anderen Blatt; als Auslandsgeheimdienst funktionieren die Strukturen recht gut. Die unerwartet scharfen Worte des Baschar al-Assad bedeuten also, dass die Aggressoren dabei sind, die Spannungen zu steigern und größere Eskalationen bevorstehen könnten. Assad warnt, dass es eine entsprechende Antwort darauf geben wird („Die syrischen Raketen werden viel schneller als sie reagieren.“ – Quelle). Dabei hat Jordanien eine recht betrübliche Erfahrung im Kontakt mit der syrischen Armee. Was genau nach dieser Verlautbarung des syrischen Präsidenten seitens der Syrer folgen wird, ist schwer zu sagen. Die Nahostpolitik ist für Uneingeweihte in der Regel unüberschaubar und in den Details kaum zu begreifen, geschweige denn vorherzusagen.