Katerfrühstück, Teil 5

03.04.2012, 09:45 apxwn Blog eu katar russland

5. Ausblick: Dark Future

Paradoxerweise ist nun die durchaus gut mit finanziellen, personellen, administrativen, Lobby und anderen Ressourcen ausgestattete Struktur von Gazprom vollkommen hilflos, wenn es um Aufklärung und die Auswirkungen politischer Prozesse auf die Marktentwicklung geht. Also im Bereich der strategischen Marktanalyse.

Kaum zu erklären ist das alljährlich zum Jahreswechsel wiederkehrende Schauspiel, wenn die „plötzlichen“ Manöver der ukrainischen Regierung die Bosse von Gazprom dumm aussehen lassen. Es scheint keinerlei Vorbeugungsmaßnahmen zu geben – immer nur Reaktionen auf Entwicklungen. Das kann nur bedeuten, dass es keinen gut funktionierenden betrieblichen Aufklärungsdienst und keine ordentlichen analytischen Prognosen zu geben scheint.

Ganz im Gegensatz dazu scheint’s mit der Gegenaufklärung bei Gazprom zu stimmen. Jedenfalls gibt es keine Schlagzeilen mit irgendwelchen „Leaks“, niemand aus der Führungsriege wechselt zur Konkurrenz, und im Unternehmen selbst gibt es Maßnahmen gegen von außen hineingesandte Spitzel, gegen Plauderer und so weiter. Das ist eigentlich nicht verwunderlich, der Sicherheitsdienst von Gazprom rekrutiert sich aus ehemaligen Mitarbeitern von staatlichen Sicherheitsstrukturen, Personenschutz und Geheimdienstlern, die es ganz gut verstehen, für die innere Sicherheit zu sorgen. Nach der Sachlage zu urteilen ist’s mit der Sicherheit „nach außen“ allerdings eher schlecht bestellt.

Gazprom (und damit Russland, oder anders herum) steht jetzt unweigerlich vor der Aufgabe, die Pläne der Übernahme insbesondere seiner europäischen Märkte zu durchkreuzen. Mit adäquaten Maßnahmen. Besser spät als nie, aber unbedingt „proaktiv“.

Erstens, ein gut funktionierender analytischer Dienst ist wichtig, ebenso wie ein Dienst, der Maßnahmen gegen Bedrohungen „von außen“ einleiten kann. Wenn man nicht das ganze Bild des Spiels, das auf allen Ebenen gegen Russland gespielt wird, im Blick hat, ist es wenig sinnvoll, die Betriebsfeuerwehr immer nur auf Feuer im Papierkorb reagieren zu lassen. Diese lokalen Brände müssen im Zusammenhang verstanden werden.

Zweitens, sowohl Gazprom, als auch Russland (wir hatten das weiter oben schon mal: „Wir sagen: Lenin – und meinen die Partei!“) müssen genau bestimmen, wer seine Verbündeten und wirklichen „Partner“ sind. Das werden vornehmlich solche Länder und Organisationen sein, die unter die Walze des sich anbahnenden Weltkriegs kommen würden. Es sind Bündnisse notwendig – stillschweigende oder solche, von denen die ganze Welt erfährt. Russlands natürlicher Bündnispartner wäre in Europa am ehesten noch Deutschland. In Asien wären es der Iran, China und Syrien. In Afrika noch Algerien. Die des Öfteren wiederholte Feststellung, „wir alle werden die Interessen unserer Partner genau so verteidigen, als seien sie unsere eigenen“ würde doch zumindest eine gewisse Ernüchterung für die hinter Saudi-Arabien und Katar stehenden Westmächte haben und ihren Eifer durchaus ein wenig zu dämpfen vermögen.

Drittens, die Entwicklung einer Strategie für Auseinandersetzungen zwischen Konzernen der neusten Generation muss ausgearbeitet werden. Es ist offensichtlich, dass sich die alten Regeln des Wettbewerbs überlebt haben. Man muss das zur Kenntnis nehmen und entsprechend agieren.

Auch der Katar hat beispielsweise eine „fünfte Kolonne“ in Form einer schiitischen Minderheit von 15%. Das sind im Wesentlichen Familien, die aus dem Iran übergesiedelt sind. Kataris zweiter Sorte. Die Aufklärungsdienste des Iran müssen alle Zeit ihre Leute in dieser Gruppe haben – wahrscheinlich ist das längst so. Die Technologien der „farbigen Revolutionen“ müssen auf den durchaus sehr fruchtbaren Boden ihrer ursprünglichen Technologen übertragen werden. Nun allerdings schon gegen sie.

Russland hat gegen den Katar einen kleinen Joker in der Hinterhand. Der, richtig eingesetzt, Vieles möglich machen würde. Das ist der Zwischenfall mit der Misshandlung des russischen Botschafters im Katar. Vom Standpunkt der Standards in internationalen Beziehungen aus betrachtet ist das ein Zwischenfall, der ein Faux pas derselben Kategorie darstellt, wie etwa der Angriff auf ein Schiff in internationalen Gewässern, ein Angriff auf das Gelände einer diplomatischen Vertretung, bewaffnete Aktionen in fremdem Hoheitsgebiet, militärische Provokationen und so weiter. Ja länger Russland mit einer entschiedenen Antwort zögert, desto weniger kann es damit und generell seine Positionen verteidigen. Desto weniger offensichtlich wird Russlands Recht sein, gebührend darauf zu antworten.

Am wichtigsten aber ist, dass sich am Verhältnis zum Katar die Interessen der russischen Elite mit denen des russischen Staates decken. Sprechen wir es aus – ein Krieg gegen den Katar fände heute genau den Konsens, der notwendig ist, um die russische Staatsmacht mit der russischen Gesellschaft zu einen. Der Katar greift nicht nur nach eigentlich russischen Interessen – er plündert die russische Elite aus. Für wen haben denn die russischen Oligarchen die „Revolution“ von 1991 veranstaltet? Für wen haben sie 1993 Moskau in Blut gebadet und 1996 einen permanent angetrunkenen alten, kranken Mann auf den Thron gehievt? Doch nicht für die Landsleute von Al Thani!?

Russlands Problem ist eine mächtige pro-amerikanische Lobby innerhalb der russischen Elite. Genau diese Lobby ist es, die Russlands rückgratlose und inadäquate Position hinsichtlich des vollkommen realen, gegen Russland geführten „Gaskriegs“ beeinflusst. Diese Lobby gilt es stillzulegen. Geschieht dies nicht, so geht Russland innerhalb von 5 Jahren recht rasant den Bach herunter.