Ölquelle Afghanistan

17.08.2012, 15:36 apxwn Blog afghanistan china

Afghanistan stellt man sich als eine Landschaft aus schroffen Bergen, Schluchten, Gebirgsplateaus und Mohnfeldern vor. Tatsächlich, was soll es da schon anderes geben, als Ziegenhirten, die Taliban und die ISAF? Letztere könnte bestenfalls noch dazu dienen, das Drogengeschäft gerecht in die jeweils notwendige Richtung zu koordinieren. Allerdings wurde letztens das Thema von den unermesslichen Reichtümern an Erdöl und Erdgas, die man im nördlich benachbarten Tadschikistan entdeckt hat. Wieso sollte dieser Reichtum also an der afghanischen Grenze Halt machen? Dieser Tage haben wir die wunderbare Bestätigung für ein gängiges Klischee: hast Du Erdöl in den Tiefen unter Deinem Garten, kommt bald die Demokratie. Und angesichts der Orte, an denen man neuerdings und plötzlich Erdöl entdeckt, sollte man wirklich einmal im Garten nachgucken.

Tatsächlich besitzt Afghanistan bedeutende Kohlenwasserstoffvorräte, um deren Ausbeutung schon geraume Zeit ein kleiner Wettbewerb zwischen den Ölgiganten dieser Welt entbrannt ist. Staatlich reguliert natürlich - durch eine Ausschreibung der afghanischen Regierung. Doch ist die Rohstoffförderung in diesem Land mit einigen Besonderheiten und Risiken verbunden, die man hier einmal kurz beleuchten kann.

Ihr habt Erdöl? Wir kommen zu Besuch!

Nach Angaben des United States Geological Survey gibt es in Afghanistan solche Bodenschätze wie Kobalt, Eisen-, Kupfererz, Gold und selbst Lithium in Fülle. Allerdings sind natürlich die Kohlenwasserstoffvorräte Afghanistans erst einmal am interessantesten. Unter der Oberfläche des afghanisch-tadschikischen Beckens lagern nach Einschätzung der Amerikaner ungefähr 1,9 Milliarden Barrel Erdöl.

Klar ist erst einmal, dass solche Reichtümer nicht herrenlos bleiben können. Da die Afghanen selbst das Schwarze Gold nicht aus den Tiefen befördern können, eilen ausländische Unternehmen zur Hilfe. Im Dezember werden die Resultate einer Ausschreibung bekannt gegeben, die momentan für entsprechende Projekte noch läuft. Die Bieter machen natürlich keinerlei Angaben zu den Inhalten dessen, was sie anbieten, aber bekannt geworden sind einige Konzerne, die als Bieter um die Ausbeutungsrechte der afghanischen Reichtümer mit dabei sind. Darunter sind der größte private Erdölkonzern der Welt, Exxon Mobile (USA), außerdem Dragon Oil (Saudi-Arabien), Kuwait Energy, ONGC Videsh (Indien), Petra Energia (Brasilien), Pakistan Petroleum, PTT (Thailand) und TPAO (Türkei).

Wie man sieht, genügend Willige. Das sind übrigens nur die Unternehmen, welche man als Bieter zugelassen hat, es sind noch fast zwei Dutzend weitere in der ersten Etappe der Auswahlen ausgesondert worden.

Nanu, wo sind denn die Chinesen?

China ist als China National Petroleum Corporation (CNPC) Gewinner der Ausschreibung um die Erschließung der Ölvorkommen im Amudarja-Bassin. Das war allerdings noch im vergangenen Jahr. Nach der Meinung einiger Kommentatoren war es das frühe Engagement der Chinesen, das überhaupt die Aufmerksamkeit der anderen Ölgiganten auf Afghanistan gelenkt hatte. Wo die Chinesen einmal Fuß fassen, wird es für beliebige andere Interessenten schwer, noch irgendein Geschäft zu machen. Der bekannte US-Kongressabgeordnete Dana Rohrabacher sagte in diesem Zusammenhang sogar: "Die Chinesen raffen das wirtschaftliche Potential an sich, indem sie den Krieg, den die Vereinigten Staaten führen, zum eigenen Vorteil nutzen."

Allerdings hat die Eile der Chinesen in dem Fall für sie unangenehme Konsequenzen. Denn die zur Ausbeute ausgeschriebenen Erdölvorkommen befinden sich im Norden Afghanistans, im sogenannten Dostumistan - also in dem Gebiet, das von Abdul Raschid Dostum kontrolliert wird. Das ist eine interessante Persönlichkeit, so dass es sich lohnt, ein paar Worte über sie zu verlieren.

Dostum ist vor allem den sowjetischen Afghanistankriegern bestens bekannt. Von der Nationalität her ist er halb Usbeke, halb Tadschike, hat seine Ausbildung in der Sowjetunion bekommen und startete dann seine militärische und politische Karriere in Afghanistan. Im Afghanistankrieg 1979-1989 befehligte er die 53. Division der Regierungstruppen, kämpfte bis 1992 auf Seiten der Regierung Nadschibilluāhs. Nach deren Zusammenbruch wurde er de facto zum Regenten größerer Landstriche im Norden um Mazar-i Scharif, und diese Gebiete sind es, die unter der Hand "Dostumistan" genannt wurden. Er hat mehrfach seine politische Ausrichtung den Umständen angepasst, musste das Land mehrmals verlassen, um sein Leben zu retten, kam aber immer wieder zurück und schaffte es, die verlorenen Positionen wiederzuerringen. Momentan ist Dostum Chef des Generalstabs der afghanischen Streitkräfte und bleibt weiterhin inoffizieller Machthaber in seinem Dostumistan.

Und das war auch das, was die Chinesen zu berücksichtigen vergessen haben: die Interessen Dostums, auf dessen Gebiet sie die Ölförderung angehen wollen. Um in Afghanistan tätig werden zu können, mussten sie ein Joint-Venture mit einem Unternehmen Karzais gründen, welcher ihnen die Überwindung aller Schwierigkeiten und seine persönliche Fürsprache zusicherte. Allerdings genießt Karzai nur in Kabul und den an die Hauptstadt angrenzenden Gebieten Autorität. Und wie es eben in jenen Landen so ist, forderten die Truppen Dostums gewisse Bakschischs von den Chinesen, damit diese ihre Arbeiten fortsetzen durften. Wenn alles glatt läuft, können die Chinesen frühestens 2015 mit dem Sprudeln der ersten Erdölfontäne rechnen, und deshalb ist die CNPC plötzlich in einer so mißlichen Lage, dass sie bei der jetzigen Verschleuderung der eigentlichen Reichtümer gar nicht mehr dabei sein kann.

Angesichts dieser Entwicklung insgesamt bekommen, nebenbei gesagt, auch die bis dato nicht offiziell bestätigten Angaben über die  "super-gigantischen" Erdölvorräte Tadschikistans einiges mehr an Glaubwürdigkeit.