Seit drei Tagen war bekannt, dass Marat Musin mit Team von ANNA-News in Aleppo filmen. Sie sind erst gestern (24.08.2012) nach Damaskus zurückgekehrt und haben über Nacht ihre Reportage veröffentlicht. Es geht dort im Wesentlichen darum, wie die Zitadelle verteidigt wurde und wie es den Flüchtlingen geht. Gedreht wurde in der Zitadelle und im Stadtteil Seif al-Dawla (Südwesten der Stadt, proximal zum oft genannten Stadtteil Salah-ad-din).

Hierunter ist die deutsch vertonte Reportage sowie deren Transkript zu sehen. Später werden noch ein paar Fotos eingefügt (oder diese kommen in einem eigenen Beitrag). Quelle: ANNA-News.

Eine Woche nach Beginn der Operation “Vulkan in Damaskus” haben größere Kräfte der bewaffneten Rebellen die Wirtschaftsmetropole Syriens, Aleppo, angegriffen. Größeren Verbänden der FSA, die von der Türkei aus nach Syrien eingedrungen sind, ist es gelungen, eine Reihe von Stadtvierteln besetzen. Sie drangen von Süden, Südosten und Osten in die Stadt ein und gelangten bis zum historischen Zentrum der Stadt, wo sie die antike Zitadelle, die zum UNESCO-Welterbe zählt, attackierten. Diese wurde von einer 18 Mann starken Spezialeinheit verteidigt, der es gelang, die Rebellenbanden schnell aus ihr zu vertreiben. Allerdings wurden sie 9 Tage lang belagert, bis Armeeeinheiten mit Panzerfahrzeugen anrückten.

Leider ist dieses historische Objekt teilweise in Mitleidenschaft gezogen worden. [0045] Die Tore, welche vor hunderten von Jahren zahlreichen Belagerungen standhielten, liegen jetzt auf den Stufen der Zitadelle. Die Zitadelle selbst wird entsprechend ihrer ursprünglichen Bestimmung genutzt: an den schmalen Schießscharten, wo früher Armbrustschützen wachten, stehen heute automatische Granatwerfer. In den Räumen, die früher von Kreuzrittern und islamischen Kriegern besetzt waren, ruhen sich heute die Kämpfer der Spezialeinheit aus.

Die bewaffneten Rebellen vertrieben die Zivilsten aus den von ihnen besetzten Vierteln, weil sie deren Kollaboration mit der Armee fürchteten. Die, welche nicht bei Verwandten untergekommen sind, müssen derweil in Zelten hausen. Sie sitzen im Schatten der Bäume und warten geduldig darauf, dass sie wieder in ihre Häuser zurückkehren können. Nahrung und Wasser bekommen sie von der Republikanischen Garde, Freiwillige des Sozialen Zentrums leisten medizinische Hilfe.

Den Einwohnern von Aleppo, die ihre Wohnungen verlassen mussten, helfen eine ganze Reihe von Wohlfahrtsorganisationen. Im Flüchtlingslager Al-Ishan leben zum Beispiel 8.000 Menschen. Täglich wird hier für insgesamt 24.000 Menschen – die Bewohner des Lagers und andere Notleidende – Essen zubereitet. Die Freiwilligen hatten Mühe, die Kinder, welche mit unserem Filmteam in die Küche gelangt sind, von den großen Töpfen zu vertreiben.

Das Lazarett, das rund um die Uhr arbeitet, ist mit allen notwendigen medizinischen Gütern und Personal ausgestattet. Die Patienten, welche einer schwierigeren Behandlung bedürfen, schickt man in die städtischen Krankenhäuser.

Heute sind bereits viele Stadtviertel wieder von den Rebellenbanden befreit. Die zurückgekehrten Bewohner begrüßen voller Freude ihre Soldaten. Sie kommen aus ihren Häusern heraus und versorgen die Soldaten mit Erfrischungen.

Diese Einheit der Republikanischen Garde hat den Stadtteil Seif Al-Dawla gesäubert; die Einwohner umringen sie und berichten, was sie während des Rebellenangriffs durchmachen mussten.

Bisher hat diese Untereinheit der Republikanischen Garde während der Kämpfe in Aleppo 25 Kameraden verloren. Auch heute gibt es Opfer – von einem Scharfschützen wurde ein Leutnant ermordet, sein Leichnam wurde mit einem Panzer gebracht.

Die befreiten Stadtteile kehren allmählich zu einem normalen Leben zurück. Mithilfe solcher Tanklaster werden die Straßen desinfiziert, nachdem man die Leichen der Rebellenkämpfer weggebracht hat.

Die Einwohner müssen die Müllberge, welche sich seit Beginn der Kämpfe in Seif al-Dawla angesammelt haben, selbst entsorgen. Die städtischen Reinigungsdienste haben ihre Arbeit noch nicht wieder aufgenommen.

Ungeachtet der jüngsten Erfolge der syrischen Armee bleibt ein Teil der Stadt weiterhin in der Hand der Rebellen. Auch die Straße Richtung Flughafen gilt noch als unsicher, deswegen werden die Menschen von einem MI-8-Militärhubschrauber dorthin gebracht.

Die Leitung des Anti-Terror-Einsatzes geht davon aus, dass sie innerhalb von 2 Wochen die Sicherheit in der Stadt wiederherstellen kann. Der Plan der FSA, Aleppo einzunehmen und nach libyschem Muster zu ihrer Basis umzufunktionieren, ist gescheitert.

Marat Musin, Olga Kulygina, Nellja Nowikowa. ANNA-News, Aleppo, Syrien.