Mutaib bin Abdullah

Die sechs Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrats haben kürzlich bei ihrem Dezember-Treffen den Beschluss gefasst, ein einheitliches Miltärkommando zu bilden. Saudi-Arabien hat es dabei nicht geschafft, die anderen Mitgliedsstaaten von seiner Idee der Schaffung eines EU-analogen Bündnisses aus Nationalstaaten zu überzeugen, die Grundidee eines GCC-weiten Militärkommandos ist aber nichts neues – Anfänge dazu wurden schon vor über 30 Jahren gemacht. Nunmehr wird aus der Idee allerdings wohl in Kürze eine voll funktionsfähige Institution, die eines der Hauptelemente eines neuen Sicherheitssystems am Persischen Golf darstellt.

Köngssohn und Prinz Mutaib bin Abdullah, seines Zeichens Oberbefehlshaber Minister der saudischen Nationalgarde, spricht davon, dass die Stärke der dem vereinten Militärkommando unterstehenden Truppen 100.000 Mann betragen soll, und geht man nach seinen Worten, so soll wohl die saudische Nationalgarde den Kern dieses Militärorgans bilden. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn unter den Golfstaaten verfügt Saudi-Arabien über den bedeutendsten und umfangreichsten Militärapparat, und dessen Elite ist die Nationalgarde.

Auf diese Weise zeichnen sich allerdings auch die Differenzen zwischen zwei der bedeutendsten Elitegruppen bei den Saud hinsichtlich der Sicherheitspolitik ab. Die eine, deren Kern wohl der Sudairi-Clan ist (wohin der nicht ganz unbekannte Prinz Bandar bin Sultan gehört, dazu Kronprinz Salman sowie auch der Innenminister und Sohn des unlängst verstorbenen Kronprinzen Naif – Mohammed bin Naif) ist bestrebt, die Sicherheit des Königreichs zu gewährleisten, indem alle relevanten Quellen und Herde von Instabilitäten nach außerhalb des Landes verlagert werden.

Diese sind auch die treibende Kraft hinter dem Krieg in Syrien, sie sponsorn und unterstützen den Dschihad in Nahost, Zentralasien, im Kaukasus und auch in den Tiefen Russlands. Der Clan Abdullahs versucht hingegen, ein kollektives Sicherheitssystem der Arabischen Halbinsel an deren Grenzen zu etablieren und von dieser Warte aus dem regionalen Erzfeind Iran die Stirn zu bieten.

Es war ja auch König Abdullah, der noch vor rund anderthalb Jahren, als sich die “neue Linie” der Obama-Politik hinsichtlich des Iran abzuzeichnen begann, mit der Idee eines arabischen EU-Analogons daherkam. Das fand damals Unverständnis, insbesondere von Seiten des Oman. Mutaib bin Abdullah, im Dutzend der Thronanwärter nach Weggang der “alten” Generation, führt im Namen des Königs die Geschäfte im Bereich Sicherheitspolitik der Golfstaaten, die alles in allem von allen sechs GCC-Mitgliedern wohlwollend vorangetrieben wird. Kommt es zur Verwirklichung eines solchen Militärkommandos, so steigen auch die Aussichten Mutaibs auf den Thron. Nicht vergessen, er gebietet über die Nationalgarde, den mutmaßlichen Kern im geplanten Sicherheitsmechanismus – vor ihm tat das der jetzige König Abdullah. Die Nationalgarde und nicht die Armee, welche sich unter den Fittichen der Sudairi befindet. Die Nationalgarde entspringt als Struktur im Ursprung dem Stamm der Schammar, aus dem außer Hadschi Halef Omar auch König Abdullah kommt.

Ganz der Vater: Mishaal bin Abdullah

Dass im Hause Saud die Startpositionen für einen kommenden Machtkampf klar gemacht werden, liest man auch aus der gestrigen Meldung über weitere Umverteilungen in Machtpositionen. Der Sohn des Königs, Mishaal bin Abdullah, wird zum Gouverneur der Provinz Mekka. Er war bis vorgestern Gouverneur der Provinz Nadschran, eine weniger bedeutende, wenn auch durchaus problematische Position aufgrund der Südgrenze zum Jemen.

Der schwelende Aufruhr der jemenitischen Zaiditen – als “Huthi-Aufstand” von Gefolgsleuten der Prediger Badredding und Abdel-Malik al-Huthi bekannt geworden – wurde noch zu Zeiten des Präsidenten Saleh niedergeschlagen, Probleme in diesem Zusammenhang gibt es aber weiterhin. Die saudische Provinz Nadschran ist – als ehemals dem Jemen zugehörig – von ebensolchen Bewegungen betroffen und unruhig, so dass die Saud ihr als einer Gegend, die überwiegend von Schiiten besiedelt ist, besondere Aufmerksamkeit widmen müssen.

Nichtsdestotrotz ist der Gouverneursposten in Mekka eine wesentlich bedeutendere Position. Der Gouverneur von Mekka zählt zum engeren Kreis der drei wichtigsten Gouverneure, der außer von ihm noch von den Gouverneuren von Riad und der ölreichen Ostprovinz gebildet wird.

Der nun ehemalige Gouverneur von Mekka, Khalid bin Faisal al Saud, ist zum Minister für Bildung ernannt worden. Man kann das nicht unbedingt als Degradierung bezeichnen, da es im Bereich Bildung in Saudi-Arabien durchaus schwierigkeiten zwischen eher säkularen und streng religiösen Linien gibt. Die Nachkommen des berüchtigten Mohammed Abd al-Wahhab – der Clan al-Scheich – widersetzen sich eisern jedweder Bemühung um Modernisierung des Bildungssystems. Das Bildungsministerium wird auf diese Weise zu einer gewissen Frontlinie zwischen zwei konkurrierenden Entwicklungstendenzen im Königreich. Obwohl tiefreligiös und konservativ, ist König Abdullah durchaus der Ansicht, dass es eines modernen Bildungssystems bedarf, denn die Tendenz, dass die saudische Jugend im Ausland nach Bildung sucht, ist evident. Das bedeutet wiederum ein Verwaschen traditioneller Werte und die Unfähigkeit des Königreichs, seine Ausbildungsmöglichkeiten an wirtschaftlich aktuelle Branchen und Richtungen anzupassen.

Unter diesen Umständen ist der Posten eines Bildungsministers durchaus keine “Peter-Position”. Die Einsetzung als Bildungsminister wäre demnach auch Resultat von Verhandlungen zwischen bedingt säkular und religiös ausgerichteten Eliten des Königreichs.

Dabei muss man natürlich sehen, dass die Söhne des Königs von ihm insgesamt auf durchaus bedeutenden Posten im Staatsapparat installiert werden. Mutaib als Chef der Nationalgarde. Turki als stellvertretender Gouverneur von Riad. Prinz Abdel Aziz als stellvertretender Außenminister. Riad und das Außenministerium sind dabei eine klassische Domäne der Sudairi, die Ernennungen des Königs können die Machtbalance darin nun deutlich verschieben.

Alles in allem bedeutet das, wie Reuters ganz richtig anmerkt, das Einnehmen von Startpositionen für die definitiv kommende Frage nach der Thronfolge im Königreich. Die Veränderungen im Staatsapparat sind ein Signal dafür, welche der Posten und Ministerien dabei zu den wichtigsten Hebeln werden sollen.

Erklingen nun allenthalben Fragen, was z.B. Russland noch mit Saudi-Arabien als definitivem Kriegstreiber der Region zu schaffen habe, so ist es hier, wie überall (übrigens auch mit Israel), folglich nicht ganz so einfach schwarz-weiß zu haben. Die auffälligen und zahlreichen Visiten des Prinzen Bandar nach Russland sind die Bemühungen und möglicherweise auch Angebote oder Drohungen der Sudairi. Bandar ist zumindest für die Russen, aber auch für die Obama-Fraktion dabei nicht die Person, mit der es etwas zu verhandeln gäbe. Seine Agenda ist die Destabilisierung des Raumes um das Königreich herum und das Bestreben, möglichst viele Ressourcen der am Chaos beteiligten Parteien darin zu binden. Während aber Russland dem König und seinem Clan nun auch nicht wirklich etwas anzubieten hat, sieht es mit Obama da vielleicht schon anders aus – denn den König interessieren Hebel und Möglichkeiten, den Iran und dessen Entscheidungen zu beeinflussen.

Um eine tragfähige Nahost-Politik zu machen, braucht es in naher Zukunft Einfluss auf die drei Hauptparteien in der Region – Iran, Israel und Saudi-Arabien. Eine solche Politik müsste die Widersprüche unter diesen Hauptfiguren berücksichtigen und dabei jeder etwas anzubieten haben, einschließlich von Brückenbildung zwischen diesen Lagern. Jedenfalls ist damit die Zeit einer bi- und auch monopolaren Welt so ziemlich vorbei, und es beginnt ein weit schwierigeres Spiel zwischen mehreren Kräftepolen.