Es folgt der politische Rückblick auf die vergangene Woche, den die russische “Aktivisten”-Gruppe “Mirowoj Peredel” erstellt hat. Wie immer kurzweilige Minuten, dankenswerterweise mit deutscher Tonspur versehen von Halfdralf / Gegengift. Themen sind diesmal Syrien, Iran / Russland und China / USA und damit nicht nur der Nahe Osten. Als besondere Zugabe gibt es die Rubrik “Bild der Woche”, welche sich mit aktuellen Propagandabildern aus den Medien befasst.

Video hinter dem Cut! Viel Freude beim Ansehen.

Syrien

Die syrischen Regierungstruppen setzen die Säuberungsaktionen in Aleppo fort. Die bewaffneten Rebellen ziehen sich ungeachtet der finanziellen und militärischen Hilfe aus dem Ausland zurück. In Homs haben die Rebellen die Wohngebäude um eine örtliches Elektrizitätswerk beschossen – es gab 16 Tote unter den Zivilisten. In Damaskus wurden wieder Journalisten angegriffen. Diesmal explodierte eine Bombe im Gebäude des syrischen Staatsfernsehens.

Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse äußern auch die US-Geheimdienste, dass in Syrien unter dem Banner der Demokratie Banden von Al-Kaida operieren. Eine erstaunliche Beobachtungsgabe und schnelle Reaktion – nach eineinhalb Jahren wird das Offensichtliche konstatiert.

Aus irgendeinem Grund jedoch bringen die westlichen Geheimdienste die Angaben des britischen Fotojournalisten John Cantlie nicht zur Sprache. Dieser ist bei den syrischen Rebellen in Gefangenschaft gewesen und sagte nach seiner Befreiung offen und ehrlich, dass die Mehrzahl seiner Entführer in Syrien Ausländer waren. Viele von ihnen seien Briten gewesen, die mit einem Akzent der Einwohner Südlondons Englisch sprachen.

Es ist klar, dass niemand diese Dinge untersuchen wird. Stattdessen stellt Großbritannien den syrischen Rebellenkämpfern weitere fast 8 Millionen Dollar finanzielle Hilfe bereit. Eine klare Sache – die eigenen Leute gibt man nicht auf.

Nach bislang unbestätigten Angaben haben Großbritannien und Frankreich vor, eine vereinigte Flotte ihrer Kriegsmarine vor die Küste Syriens zu kommandieren. Flaggschiff der Flotte soll der französische Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ sein, das Schiff, welches unlängst gegen Libyen eingesetzt wurde. Vielleicht ist jedoch diese Information nur als moralische Unterstützung der Rebellen gedacht und hat keinen Bezug zu den Tatsachen.

Iran und Russland: Raketentausch

Derweil erreicht die Auseinandersetzung zwischen Moskau und Teheran über die Lieferung von S-300-Systemen einen Höhepunkt. Zur Erinnerung: Ende 2007 wurde ein Vertrag über die Lieferung von fünf Einheiten des Luftabwehrsystems S-300 PMU1 an den Iran unterzeichnet – Vertragsvolumen 800 Millionen US-Dollar. Ein allseits vorteilhaftes Geschäft – der Iran wird gegen Aggressionen wehrhafter, Russlands Rüstungsindustrie verdient dabei gut. Allerdings hat Präsident Medwedew 2010 im Zuge der Umsetzung der vierten UN-Resolution zu Sanktionen gegen den Iran den Vertrag aufkündigen lassen. Die Lieferung der S-300 an Iran wurde abgesagt.

Der Iran klagte vor dem Internationalen Schiedsgericht in Genf auf Schadensersatz. Der offiziellen Version nach beanspruchte Teheran 900 Millionen US-Dollar, also nur wenig mehr, als der Vertrag Umsatz gebracht hätte. Das Gericht hat Russland allerdings eine phantastische Rechnung über 4 Milliarden Dollar präsentiert: dabei seien moralische und sonstige Einbußen mit berücksichtigt worden, die der Iran zu tragen hatte.

Russland steht damit vor einer schweren Wahl: entweder die S-300 werden geliefert, die 4 Milliarden damit gespart, aber das Verhältnis zum Westen verschlechtert sich, oder es zahlt diese Summe und belastet damit das Verhältnis zum Iran nachhaltig. Russland positioniert sich fast als einziges Land de facto als Schutzmacht des Iran auf internationaler Ebene. Das hat natürlich triftige Gründe, die wir hier mehrfach beleuchtet haben – angefangen von wirtschaftlichen Interessen bis hin zur geopolitischen Bedeutung des Iran für Russlands Sicherheit.

Normalerweise sollte Russland daran interessiert sein, den Konflikt mit dem Iran im Einvernehmen und ohne großes Aufsehen beizulegen. Allerdings deuten die letzten Meldungen darauf hin, dass Moskau eine harte Linie verfolgt und versuchen will, den Iran im Austausch auf weitere Unterstützung zu einem Verzicht auf seine Forderungen zu bewegen.

Das, was hier vor sich geht, kann ein Fachmann am besten kommentieren. Mit uns verbunden ist der Politologe und Schriftsteller Lew Remowitsch Werschinin.

  • Guten Tag, Lew Remowitsch! Sagen Sie bitte, wie bewerten Sie die Position des russischen Außenministeriums in dieser Sache, welche Möglichkeiten zur Beilegung dieser unangenehmen Auseinandersetzung gibt es?

  • Guten Tag, Jewgeni! Offen gesagt tut mir das russische Außenministerium leid. Es muss jetzt den Ausweg aus einer Lage finden, die per se keinen richtigen, für Russland guten Ausgang haben kann. Das hat es letztlich Dmitri Medwedew zu verdanken, der unserem Land, dessen Präsident er damals war, solch ein „Ei gelegt“ hat.

Man ist dem Westen entgegengekommen, hat den Vertrag annulliert, den Vorschuss zurückerstattet, dabei handelte es sich nicht um Angriffs-, sondern um reine Verteidigungswaffen, also war das eigentlich unnötig. Trotzdem wurde das getan, und jetzt hat Russland genau drei Möglichkeiten:

Die erste wäre es, die Waffen doch noch zu liefern. Der Iran würde sich nur darüber freuen, er ließe alle Ansprüche fallen und letztlich ist es das, was er will. Doch die Sache ist ja nun die, dass der Vertrag nicht auf Eis gelegt, sondern annulliert wurde, der Vorschuss wurde rückerstattet. Wenn Russland also diese Variante wählt, muss ein neuer Vertrag her. Was bedeutet, dass sich Russland im künftigen, wohl unvermeidlichen Konflikt des Iran mit dem Westen eindeutig auf der Seite des Iran positioniert. Des Iran, dem in Bälde ein Bürgerkrieg nach syrischem Muster droht.

Die zweite Möglichkeit ist es zu sagen: „Okay, wir sind schuld, wir zahlen.“ Das hat auch keinen Sinn, denn hier weiß man nicht, für wessen Sünden man bezahlt. Die Schuld nicht einzugestehen hat keinen Sinn – dem Gerichtsurteil nach werden im Weigerungsfall russische Aktiva im Ausland eingefroren. Das Schlimmste aber ist, dass der Westen diese Mittel wohl kaum an Ahmadinedschad oder die Ayatollahs überweisen wird. Der Westen wird diese Mittel dem Regime zur Verfügung stellen, das er danach einsetzt. Hier verliert Russland auf ganzer Linie – es muss nicht nur zahlen, sondern weiß auch nicht, an wen überhaupt.

Die dritte Variante wäre es, Druck auf den Iran auszuüben und ihn dadurch zu schrecken, dass wir den Westen politisch unterstützen. Ja, die Großväterchen (Ayatollahs – Anm. d. Red.) werden sich schon nicht fürchten, denn sie hätten ja nichts zu verlieren. Was aber gewinnt Russland? Russland unterstützt erst faktisch den Westen, und dann wird es trotzdem, der Gerichtsentscheidung gemäß, einem nun schon feindlichen Regime zahlen müssen. Alle diese Varianten sind schlecht, die Lage hat real keine positive Lösung.

Chinas letzte Warnung

In dieser Woche kam es zu einem neuen diplomatischen Konflikt zwischen China und der USA. Anlass war die Ausrufung eines Dorfs auf den Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer zu einer chinesischen Präfektur. Die Spratly-Inseln sind genaugenommen ungefähr hundert Steinhaufen mitten im Meer, auf die allerdings gleich 6 Staaten Anspruch erheben: das sind China, Vietnam, Taiwan, Malaysia, die Philippinen und Brunei. Die Bedeutung der Inselgruppe besteht darin, dass die Kontrolle darüber gleichbedeutend ist mit der Kontrolle über ein enormes Seeterritorium im Südchinesischen Meer mit reichen Fischgründen und Kohlenwasserstoffvorkommen, durch das dazu noch wichtige Handelsrouten aus dem Stillen in den Indischen Ozean verlaufen.

Es ist undenkbar, dass die USA sich in einen solchen Streit nicht einmischen; diese hatten bereits früher den Asiatisch-Pazifischen Raum zu ihrer strategischen Interessenssphäre erklärt und etablierten dort mit der Zeit eine merkliche militärische Präsenz.

Diese Woche ist China, das sich bislang nur mittels diplomatischer Noten verständigte, allerdings einen Schritt weiter gegangen. Auf einer der kleinen Inseln wurde eine Garnison stationiert, „Sansha-City“ wurde zur Verwaltungszentrale einer neuen Präfektur der Provinz Hainan ausgebaut. Dieses Vorgehen bezeichnet man als Annexion, und China war sich natürlich im Klaren darüber, welche Reaktion das hervorrufen wird.

Diese ließ nicht lange auf sich warten: Das US State Department beschuldigte China, es würde Störmanöver vornehmen, woraufhin China ohne zu zögern den Staaten riet, die Klappe zu halten. Das ist keine journalistische Übertreibung, sondern der Wortlaut:

Die Verlautbarung der US-amerikanischen Seite führt die Öffentlichkeit in die Irre und muss vollständig abgewiesen werden. Wir können den USA nur zurufen: haltet die Klappe!

So heißt es in der Renmin Ribao, der Parteizeitung der Kommunistischen Partei Chinas.

Eine gute Frage also – woher auf einmal dieser Mut? Normalerweise geht man davon aus, dass China in einem Maße vom Export in die USA abhängt, dass es keine offene Konfrontation wagen würde.

Womöglich liegt die Antwort in einer Nachricht, die nie im Gesichtsfeld der meisten Medien aufgetaucht ist. Ende der Woche hat das offizielle Parteiorgan der KPC, Renmin Ribao, einen Empfehlungskatalog chinesischer Wirtschaftsgrößen publiziert, der an die chinesische Regierung gerichtet war. Diese weisen Chinesen rieten unter anderem an, die Goldreserven des Landes zu versechsfachen – auf 6.000 Tonnen.

Wenn die chinesische Regierung auf diese Ratschläge hört, so werden bald hunderte Milliarden US-Dollar aus den chinesischen Währungsreserven die Welt überschwemmen. Einerseits wird das die Nachfrage nach Gold ins Unermessliche steigern, andererseits wäre dies ein empfindlicher Schlag gegen die Stabilität des US-Dollar. China würde so demonstrieren, dass es dem Dollar nicht vertraut, doch genau auf diesem Fundament ist die Macht der Vereinigten Staaten gegründet. Schwer vorstellbar, eine Finanzkatastrophe welchen Ausmaßes in einem solchen Fall eintreten würde. Allerdings kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass dieser Ratschlag der Weisen aus China einmal mehr nur eine Warnung darstellt. Solche Warnungen nehmen allerdings in letzter Zeit zu.

Bild der Woche

Zum Ende der Folge präsentieren wir eine neue Rubrik – das Bild der Woche. Darin betrachten wir interessantes Foto- und Videomaterial, die uns von unserer Community zugesandt werden. Heute möchten wir ein Foto von den Kampfhandlungen in Syrien vorstellen. Genauer gesagt handelt es sich um ein manipuliertes Bild, das vorgeben soll, von dort zu stammen. Darauf sieht man einen stolzen syrischen Rebellen, der wild zum Angriff übergeht. Bei der Betrachtung stellen sich allerdings eine Reihe von Fragen:

Helden in Gummilatschen

  • Warum hat dieser MG-Schütze keinen Munitionssatz bei sich?
  • Wie schafft er es, über Berge von Bauschutt zu rennen, ohne zu schauen, wo er hintritt, stattdessen den Blick auf die Kamera gewandt?
  • Welche Behändigkeit gestattete es ihm, über den Hocker zu springen und dabei nicht mit dem Lauf an der Hausecke hängen zu bleiben?
  • Wie gut kämpft es sich in chinesischen Gummischlappen?

Apropos Schlappen. Noch von den Bildern aus Libyen wissen wir, dass diese Schlappen das bevorzugte Beinkleid der Rebellen sind. Sie schützen die Füße bestens vor Verrenkungen und Splittern, gestatten es, unter Sperrfeuer eine wahnsinnige Geschwindigkeit zu entwickeln und geben dem Träger eine +10 auf Stamina und Kraft. Es ist an der Zeit, dass die Rebellen der ganzen Welt solche Schlappen zum Inbegriff des Kampfes um Unabhängigkeit und Demokratie erheben.

Wir wissen nicht, wohin dieser tapfere Krieger mit seinen Schlappen rennt. Eventuell raubt er wieder einen Kuhstall aus. Doch mithilfe eines trickreichen Programms, dass Manipulationen durch Photoshop sichtbar macht, ist es uns gelungen, das Ursprungsbild wiederherzustellen.