In kurzfristiger Perspektive ist die Auseinandersetzung zwischen den Kosmopoliten und “Verfechtern des reinen Islam” von der Al-Nusra-Front und den eigenartig regional-nationalistischen Terrorbrigaden vom “Islamischen Staat Irak und Sham” sowohl der syrischen Regierung, als auch Bagdad und darüber hinaus Moskau und selbst Washington auf manche Weise von Vorteil. Vorteile gibt es in diesem Szenario auch für gewisse Schattenmächte – Frankreich und Großbritannien; dadurch wird das eher europäische Projekt namens “FSA” scheinbar geadelt. Diese Auseinandersetzung gereicht ebenso Erdogan kurzfristig zum Vorteil, der derzeit auf rein innenpolitischer Ebene ums politische Überleben kämpfen muss. Und, so wie die Dinge liegen, hat die Al-Nusra-Front selbst etwas davon, während die ISIS wohl erst einmal “leidtragend” sein wird.

Das alles kurzfristig. Wenn man etwas weiter denkt, dann ist es genau andersherum. Das durch den Krieg durchaus nicht wenig gebeutelte Syrien ist nicht in der Lage, mit allen Gegnern gleichzeitig Krieg zu führen – und ganz abgesehen vom Szenario “Löwe in Damaskus” ziehen auf praktischer Ebene immer noch taktische Überlegungen. In diesem Fall bedeutet das, dass die Regierung sich mit den einen zu einigen versuchen wird, die anderen bis zum Ende bekämpft. Bekämpft werden zweifelsohne jene, die eine Einheit und die Sicherheit des Landes direkt bedrohen. Und das ist die Al-Nusra-Front, während jene, welche man als “säkulare Opposition” bezeichnet, durchaus in den Genuss einer taktischen Allianz mit der Regierung kommen können.

Die ISIS stellt, sobald sie aus den Ortschaften und sonstig bevölkerten Gebieten Syriens verdrängt wird, keine unmittelbare Gefahr mehr dar, so dass die syrische Regierung sich vorerst darauf verlegen kann, sie von den wichtigsten bewohnten Gebieten fernzuhalten. Der Preis einer zeitweiligen Besetzung irgendeiner Peripherie könnte dabei durchaus in Kauf genommen werden. Bis zum bitteren Ende, egal wo, wird es aber Krieg mit der Al-Nusra-Front geben: hier gibt es keine Kompromisse und es sind auch keine Kompromisse denkbar.

Das idiotische an den Dschihadisten sind nicht einmal die Frauenklamotten, in denen sie manchmal zu fliehen versuchen, sondern z.B. solche Accessoires, die alles Wichtige für die 72 Huris im Jenseits schützen sollen. Und das ist mit Sicherheit nicht der Kopf.

Für Bagdad sieht die Sache ähnlich aus – mit den ISIS-Brigaden, die über die Grenze in die Provinz Anbar geschwemmt werden, kommt die Armee allein nicht zurecht; eine Aufstockung ihrer Präsenz in Anbar ergibt nur weitere Spannungen mit den ohnehin latent gegen die Regierung opponierenden Sunniten und Clans der Al-Sahwa. Das könnte dazu führen, dass die sich bislang noch gegenseitig hassenden Sunniten eines Tages beschließen, dass Bagdad das größere Übel für beide sei und die Marschrichtungen entsprechend geändert werden. Man erlebt derzeit auch ein entsprechendes Gebahren der Armee – sie deckt die angrenzenden Provinzen und überläßt es der Bevölkerung, selbst für Ruhe zu sorgen. Diese ist ja “gottlob” ausreichend bewaffnet und wehrhaft.

Allerdings sind solche Stammesmilizen insofern eigen, als dass sie kaum jemals dafür sorgen werden, einen Feind komplett zu zerschlagen. Banden und Fremdlinge von ihren Oasen und Siedlungen verjagen – das geht noch. Alles weitere geht sie nichts an, und dafür wäre die Regierung da.

Die ISIS ist dabei überwiegend eine irakische Gruppierung, so dass die Terrorbrigaden genaugenommen nach Hause zurückkehren. Es handelt sich eben nicht oder weniger um Ausländer ohne Namen und Ursprungsland, wie jene, die überwiegend die Dschihadistenbrigaden der Al-Nusra-Front überwiegend stellen. Mit diesen gibt es nicht viel zu reden und lediglich kurzen Prozess.

Es wird ehestens so laufen, dass die ISIS nach einigen letzliche fruchtlosen Versuchen, sich in den sunnitischen Gebieten des Irak breitzumachen, letztlich auf die dünn besiedelten Gebiete des Irak und auch Syriens wird zurückziehen müssen, wo sie eine de-facto-”Autonomie” bilden könnten. Weder der Irak noch Syrien werden unter vollem Einsatz daran gehen, dieses Wüstengebilde einzustampfen – wie schon gesagt, es gibt auch ohne die ISIS genügend Probleme.

Nach der Konferenz in Genf, die wenigstens irgendeine Allianz zwischen der Opposition und der syrischen Regierung wird hervorbringen müssen, wird gewisse Zeit dafür verstreichen, Dschihadisten und kriminelle Banden auszurotten und neue Absprachen mit den Nachbarn zu treffen. All diese Zeit wird die ISIS in der Wüste in relativer Ruhe hocken und sich darin verfestigen, dabei möglicherweise auch die Rester der anderweitig ausgerotteten Terrorbanden in sich aufnehmen. Das Business der ISIS wird dabei ganz der überall sonst für solche Gebilde üblichen Tradition folgen – Überfälle, Raub, Schmuggel, Entführungen. Daraus folgt für Irak als auch für Syrien die Notwendigkeit, immer mal wieder Strafexpeditionen zu starten. Für massive Operationen wird es eine Zeitlang keine Kräfte geben.

Im Fazit zeichnet sich ein kommender Krieg, oder ein zweites Kapitel des jetzigen Krieges ab: die ISIS bekommt über die kommenden ein-zwei Jahre Kampferfahrung, sammelt Humanressourcen und Waffen an und wird nach dieser Zeit gut und gern zu einem einzigen größeren militärischen Faktor, der dazu in der Lage wäre, ein zweites Stadium des Krieges für die Schaffung einer “sunnitische Enklave” zwischen Syrien und dem Irak zu entfesseln. Das durch den jetzigen Krieg geschwächte Syrien sieht gerade jetzt in dieser Hinsicht fragiler aus als vor noch zwei Jahren.

Im Klartext wird die ISIS bereits jetzt schon zur Reserve jener Kräfte in Saudi-Arabien, die auf die Schaffung einer chaotischen Pufferzone an den Außengrenzen des Königreichs bauen. Keine Frage, dass die ISIS Finanzierung und Unterhalt samt Waffen und Munition wird bekommen können, nebst organisatorischer und technischer Hilfe von Seiten der saudischen Armee und der Geheimdienste.

Kosmopoliten: Kasachen bei der Al-Nusra-Front

Derzeit läuft eine Separierung der Islamisten, die in Syrien Krieg führen. Die für die Schlachtung vorgesehenen “kosmopolitischen” Radikalinskis arbeiten im langfristigen Interesse Saudi-Arabiens daran, die irakischen Gruppierungen aus den Schlachtfeldern des verloren gehenden Krieges zu verdrängen. Auf diese Weise wird der Feldzug gegen und der absehbare Sieg über den internationalen “Dschihad” aber nicht mehr mit der ISIS assoziiert werden – im Gegenteil, sie werden in den Köpfen der Dschihadisten-Romantiker zu Wüstenhelden und zum Anziehungspunkt für gehirngewaschenes, an die Freuden des Krieges gewöhntes Jung- und Altvolk.

Mit anderen Worten wird die ISIS das jetzige Stadium des Krieges oberflächlich betrachtet verlieren – in Syrien unterliegt sie den Dschihadisten von der Al-Nusra, im Irak den Stammesmilizen und dem Militär. Alle diese Fronten (einschließlich natürlich der syrischen Armee) kann und wird sie einfach nicht bedienen können. Aber durch die Flucht in die Wüste wird sie ihre Struktur und etwas trockenes Gebiet erhalten können, um davon ausgehend in absehbarer Zeit den Kampf wieder aufzunehmen.