Waliulla Jakupow und Ildus Faisow, Opfer von AnschlägenDie neue Folge des Wochenrückblicks der russischen VK-Gruppe “Umgestaltung der Welt” beleuchtet zusammenfassend die Entwicklungen in Syrien, Aserbaidschan und Tatarstan (Russland). Das sind relativ kurzweilige achteinhalb Minuten Videoreportage, die Kollege Halfdralf dankenswerterweise mit einem deutschen Voice-Over versehen hat. Unter dem Video findet sich der Text der Reportage mit einigen weiterführenden Links.

Syrien

ab 00:43

Der Konflikt in Syrien nimmt an Dramatik zu. Nach wie vor nimmt Ankara eine der Führungsrollen in der Aggression gegen Syrien ein. Die Türkei hat als Reaktion auf das Erstarken der Kurdenbewegung erstmals seit Jahren Manöver nahe der syrischen Grenze durchgeführt. Diese Manöver laufen in den Provinzen Şanlıurfa und Mardin nur 2 Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt. Ziel ist die Vorbereitung von Operationen gegen Ortschaften auf syrischer Seite. Die Türkei hat ebenso, bestätigten Angaben zufolge, bisher 20 MANPADS an die in Syrien operierenden bewaffneten Kämpfer übergeben.

Jüngsten Angaben zufolge befindet sich in der türkischen Stadt Adana, die rund 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegt, das Kommandozentrum der in Syrien operierenden Militia. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Militärstützpunkt Incirlik, welcher US-amerikanische Streitkräfte und Aufklärungsdienste beherbergt.

Charakteristisch ist, dass dieser Tage ein Streit um ein Foto mit Barack Obama entbrannt ist. Darauf sieht man diesen bei einem Telefongespräch mit dem türkischen Premier Erdogan; er hält einen Baseballschläger in der Hand. Man interpretiert das als dezenten Hinweis darauf, wer in Wahrheit der Herr der Lage im Nahen Osten ist. Die türkische Opposition hat bereits ihren Protest geäußert und Erdogan aufgefordert, auf diese implizite Beleidigung des türkischen Volks zu reagieren.

Der US-amerikanische Präsident lässt sich überhaupt gern mit Baseballschlägern ablichten. Hier ist Barack Obama mit einem solchen Gerät, hier wieder, und hier hat seine Frau einen, und hier Barack Obama als Kind mit Baseballschläger. Würde Väterchen Freud noch leben, hätte er vielleicht etwas dazu zu sagen.

Das sind nur Übungen…

ab 02:17:

Von der direkten Verstrickung der USA in den syrischen Konflikt haben wir von den ersten Ausgaben an gesprochen, inzwischen hat diese Information ihre offizielle Bestätigung.

Es geht um eine geheime Anweisung Barack Obamas, welche es dem CIA gestattet, den Rebellenkämpfern auf syrischem Territorium Hilfe zu erweisen. Derweil sieht man in den USA vor, die finanzielle Unterstützung der Terroristen auszuweiten. Zusätzliche 15 Millionen Dollar sollen für die Gewährung nichtmilitärischer Hilfe freigestellt werden.

Diese nichtmilitärische Unterstützung der USA ist dieser Tage in den Persischen Golf eingelaufen. In Gestalt des Flugzeugträgers “Eisenhower” samt Begleitschiffen.

Von der anderen Seite sind die nichtmilitärischen Angriffsboote “Aleksandr Otrakowskij”, “Georgij Pobedonosez” und “Kondopoga” bereit, den Hafen von Tartus anzulaufen. An Bord jedes der Schiffe befinden sich rund 120 bewaffnete Marinesoldaten.

Auch China entbietet der Region nichtmilitärische Grüße. Wie bekannt wurde, hat das Verteidigungsministerium der VR China die Genehmigung erhalten, bis zu 12 Schiffe durch den Suezkanal Richtung Tartus zu manövrieren. Es sind gemeinsame Manöver mit den Flottenverbänden Russlands und des Iran vorgesehen. Offiziell wird das dementiert, allerdings ist das erste chinesische Kriegsschiff bereits an der israelischen Küste vorbei- und in syrische Hoheitsgewässer eingezogen und erregte damit einiges an Aufsehen. Allerdings ist die Sorge des Westens unbegründet, denn es handelt sich um gewöhnliche Antipiraterie-Manöver.

Groß-Aserbaidschan

ab 03:50:

Im Falle eines Militärschlags gegen den Iran wird dessen nächster Nachbar, Aserbaidschan, unweigerlich in den Konflikt hineingezogen. Aus diesem Grunde widmen wir unsere Aufmerksamkeit wieder dieser Republik.

Aserbaidschan. Demonstration an der iranischen Botschaft

Die Beziehung zwischen Aserbaidschan und Iran verschlechtern sich weiter. Das ist nicht verwunderlich, denn Alijew orientiert sich mehr und mehr am Westen. Die letzten Ereignisse geben Grund zur Annahme, dass im Falle eines Kriegs mit dem Iran Aserbaidschan die Seite der USA einnehmen wird und diesen allseitige Unterstützung leistet.

In der vergangenen Woche wandte sich der US-amerikanische Kongressabgeordnete Dana Rohrabacher mit dem Aufruf an Hillary Clinton, den Unabhängigkeitskampf der im Iran lebenden Aserbaidschaner zu unterstützen.

Zur Erinnerung: im Norden des Iran leben rund 18 Millionen Aserbaidschaner. Das abenteuerliche Projekt der Schaffung eines Groß-Aserbaidschan sieht die Vereinigung der iranischen Provinzen Aserbaidschan mit dem heutigen Aserbaidschan vor. Nicht verwunderlich, dass der Iran davon nicht begeistert ist. Keinen großen Enthusiasmus ob dieser Sache verspüren auch die Aserbaidschaner selbst, denn ihre südlichen Nachbarn leben bereits lange Zeit nach anderen Regeln und Sitten.

Allerdings gilt die Meinung der Bevölkerung wenig, wenn Politiker das Sagen haben. Der US-amerikanische Kongressabgeordnete tut damit nichts weiter, als einen Konflikt zu provozieren, wodurch sich die Beziehungen zwischen dem Iran und Aserbaidschan weiter verschlechtern sollen.

Russische “Rebellen”

ab 05:31:

Zurück zur Lage in Russland. Wenn man die Nachrichten von den Greueln der Islamisten in Syrien, Libyen, dem Irak und Afghanistan hört, scheinen diese Ereignisse weit entfernt und für uns irrelevant. Allerdings ist das ein Irrtum. In Russland bildet sich tatsächlich ein wahhabitischer Untergrund.

Die dreisten Anschläge auf religiöse Führungspersönlichkeiten in Tatarstan haben die Behörden veranlasst, dem Problem endlich Aufmerksamkeit zu schenken. Der Staatsrat, also das Parlament Tatarstans verschärfte die Beschränkungen im “Gesetz über die Meinungs- und Religionsfreiheit” der Republik. Es ist jetzt ausländischen Staatsbürgern untersagt, in Tatarstan Organisationen mit religiöser Ausrichtung zu gründen, außerdem werden Kandidaten für ein geistliches Amt, die im Ausland ausgebildet wurden, zusätzlichen Prüfungen unterzogen.

Gleichzeitig wurde in Tscheljabinsk eine Untergrundzelle der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir ausgehoben. Solche Maßnahmen gehen sicher in die richtige Richtung, greifen aber allem Anschein nach verspätet.

Denn die tatarischen Wahhabiten scheuen die Öffentlichkeit und verhüllen ihre Gesichter nicht mehr. In Kasan gibt es Proteste gegen die Verhaftung von Verdächtigen im Mordfall des Mufti von Tatarstan. Fast unverhohlen werden Menschen von extremistischen Organisationen angeworben.

Die Islamisten, die erstmals massiv bei den regierungskritischen Protesten des vergangenen Herbstes und Winters aufgefallen sind, bereiten auch für den kommenden Herbst weitere Aktionen vor. Dabei geniesst deren “zivilisierter Flügel”, die Hizb ut-Tahrir, Unterstützung von Seiten der russischen Menschenrechtler, was sie in den Augen des Westens zu willkommenen Oppositionellen qualifiziert.

Zur Erinnerung: der Terrorist Doku Umarow hat bei den Protesten die russische Opposition unterstützt und geäußert, ihnen durch Anschläge gegen russische Sicherheitskräfte und Militäreinrichtungen zur Hilfe kommen zu wollen.

Um die Situation einschätzen zu können, wenden wir uns an einen Experten und bitten ihn um einen Kommentar.

Raïs Sulejmanow, Leiter des Zentrums für regionale und ethnoreligiöse Forschung des RISF in Kasan

Mit uns verbunden ist der Leiter des Zentrums für regionale und ethnoreligiöse Forschung des Russischen Instituts für strategische Forschung in Kasan, Raïs Rawkatowitsch Sulejmanow.

  • Raïs, guten Tag! - Guten Morgen, Jewgenij!

  • Sagen Sie bitte, was ist Ihrer Meinung nach die Ursache für die neuerliche demonstrative Aktivität von Extremisten in Tatarstan und wie wird sich die Situation weiter entwickeln?

  • Meiner Ansicht nach wird sich die Lage analog zum Szenario im Nordkaukasus entwickeln. Es hat den Anschein, als gebe es in Tatarstan das Projekt eines Transfers nordkaukasischer Zustände in diese Region. Der Grund dafür, was jetzt passiert, ist eine Zunahme des islamischen Fundamentalismus, der revanchistische Züge annimmt. Dazu wurde ein Anschlag gegen ein ideologisches Zentrum geführt – der Mord an Waliulla Jakupow, einem bekannten tatarischen islamischen Theologen und einem Befürworter des traditionellen Islam und entschiedenen Gegners des radikalen Islamismus; gleichzeitig traf ein Anschlag das institutionelle Zentrum des traditionellen Islam in Person des Mufti von Tatarstan, Ildus Faisow – bekanntermaßen ein Gegner des islamischen Fundamentalismus. So üben die islamischen Fundamentalisten Vergeltung und nutzen dafür alle erdenklichen Mittel: Protest auf der Straße, Demonstrationen, Kundgebungen, aber auch bewaffneten Untergrundkampf. Das Auftreten von Untergrund-Militia ist für all das ein deutlicher Beweis.