Kataris in Tadschikistan, 26.-27.04.2012Katar führt seit einigen Monaten in der für dieses Land typischen Hau-Ruck-Manier Gespräche mit der Führung von Tadschikistan, deren Ziel die Anwerbung eines größeren Kontingents von Arbeitskräften aus diesem Land ist. Jüngst wird davon berichtet, dass „die beiden Seiten ein vom Migrationsdienst der Republik Tadschikistan ausgearbeitetes zwischenstaatliches Migrationsprojekt besprochen und unterstützt haben, das eine organisierte Anwerbung und Anstellung von Arbeitskräften vorsieht…“.

Eigentlich eine Routineangelegenheit, für die sogar die Gründe angeführt werden: „Die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften ist in diesem Land von solchen Faktoren bedingt, wie der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal und Beschränkungen bei der Anstellung von Frauen, was dem Land einen bedeutenden Teil seines eigenen Potentials an Arbeitskraft entzieht“.

Die Sache ist nun die, dass es mit dem qualifizierten Fachpersonal in Tadschikistan nicht eben golden aussieht. Es ist bekannt, dass Tadschiken massenweise in Russland arbeiten, in solch ruhmreichen Branchen wie der kommunalen Wohnungswirtschaft, nämlich als Hausmeister und Fachleute in der Straßenreinigung, wo sie russischen Arbeitskräften bevorzugt werden, und das nicht nur, weil sie einfach mit weniger Geld zufrieden sind, sondern weil sie wenig Geld bekommen und dabei anstandslos den Empfang größerer Summen quittieren. Ihre Qualifikation ist nicht geringer als die von Russen des gleichen Kontingents, aber sie lassen sich eben ausbeuten und bescheren den russischen Betrieben der Wohnungswirtschaft einen gewissen Nebenverdienst aus den bereitgestellten staatlichen Mitteln.

Allerdings ist die Aussicht auf ein solches Geschäftsmodell für Katar offensichtlich nicht ausschlaggebend, und trotzdem sind die Scheichs sehr an tadschikischen Arbeitskräften interessiert, auch ohne sich Illusionen bezüglich deren Qualifikation hinzugeben. Sicher gibt es punktuell hoch qualifizierte Fachleute auch in Tadschikistan. Zum Beispiel ist der Nurek-Staudamm die weltweit wahrscheinlich am schwierigsten zu betreibende und zu überwachende Anlage der Elektroenergiegewinnung. Und trotz der Abwanderung russischer Spezialisten hat der Nurek-Damm den diesbezüglichen Wechsel der Belegschaft mehr oder weniger schmerzfrei überstanden, es gab lediglich zwei schwerwiegendere Zwischenfälle 1999 und 2006.

Trotzdem sind „Fachleute“ in Tadschikistan eher dünn gesät. Deshalb verbirgt sich hinter der trivial klingenden Begründung für die Anwerbung nach Katar doch eher etwas anderes.

Man darf nicht vergessen, dass lediglich 40% der Bevölkerung Katars überhaupt Araber sind, nur 20% sind Araber mit katarischer Staatsangehörigkeit. Die anderen dort lebenden Bevölkerungsgruppen sind Abkömmlinge aus dem Iran, Pakistan, Indien und anderen Ländern. Weit über die Hälfte der Bevölkerung Katars sind Migranten und deren Nachfahren. Unter solchen Bedingungen spielt die Loyalität zur Regierung unter den Migranten eine absolut vordergründige Rolle.

Und mit dieser Loyalität sieht es eben nicht allzu gut aus. Den Nicht-Indigenen bleiben viele Sphären des gesellschaftlichen Lebens verwehrt – zum Beispiel die Politik, ein wesentlicher Teil der Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Betätigung, der Dienst bei den Streitkräften. Letztlich ist es Fakt, dass auch Katar, genau wie die östlichen Regionen von Saudi-Arabien und Bahrain, von gewissen Unruhen im Zusammenhang mit dem „Arabischen Frühling“ erfasst wurde. Freilich wurde das nicht vom katarischen Staatsfernsehen Aljazeera berichtet, denn dieser Sender kann vieles, nur eins nicht – die Verhältnisse im Innern des Katar ohne harte Zensur überhaupt zu erwähnen. Ein vollkommenes Tabu herrscht für Nachrichten über den Emir und dessen Familie. Die zu diesem Thema ab und an auftauchenden Meldungen sind wahrscheinlich noch besser frisiert und aufbereitet, als weiland die Meldungen über die Erfolge des Sozialismus und die permanente Planübererfüllung in den Ländern des Ostblocks.

Die Lage lässt also nicht viel Gutes erwarten, und deshalb ist es nur logisch, die Frage nach einem Ersatz für die potentiell (und wahrscheinlich) illoyalen Migranten zu stellen. Keine einfache Frage, denn, wollte man sie im Handumdrehen lösen, würde die Wirtschaft und überhaupt Lebensfunktion dieses kleinen, stolzen und unheimlich faulen Landstrichs die Hufe hochreißen. Katar liegt weltweit auf den vorderen Plätzen bei der Zunahme der Fettleibigkeit seiner indigenen Bevölkerung, und es ist klar, dass diese Schichten es kaum einen Tag ohne die Fürsorge dienstbarer, aber eben zugewanderter Lakaien aushalten würden. Das Klima in dem Wüstenstaat ist ja ein solches, dass eine einzige ausgefallene Klimaanlage einen Bürokomplex wahrscheinlich effizienter ausschalten kann als der Beschuss durch schwere Artillerie.

Es ist also wahrscheinlich, dass es solche Gedankengänge waren, welche die Führung des Katar bei der Wahl eines Arbeitskräftelieferanten mit motiviert haben. Die anspruchslosen, stillen, arbeitsamen Tadschiken, die sich ebenfalls zum sunnitischen Islam bekennen, könnten mit der Zeit die unruhigen und tendenziell illoyalen momentanen Gastarbeiter, zum Beispiel die aus dem Iran (Schiiten!), gut ersetzen.

Der Bau einer gigantischen, für 150.000 Gläubige ausgelegten Moschee in Duschanbe, welche natürlich vom Katar (mit)finanziert wird und die planmäßig 2014 fertiggestellt werden soll, könnte demnach ein katarischer Fuß in der zentralasiatischen Tür sein und zu einem Rekrutierzentrum tadschikischer Arbeitskräfte für den Katar werden. Und wahrscheinlich nicht nur für Arbeitskräfte. Die stillen und arbeitsamen Tadschiken haben, still und arbeitsam, einige Bürgerkriegserfahrung; der tadschikische Bürgerkrieg gilt als einer der schwersten und blutigsten derer, die auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion stattgefunden haben. Das heißt, man muss den Leuten nicht erst erklären, wo bei der Kalaschnikow der Abzug ist und in welche Richtung sie gegebenenfalls schießt. Es scheint, als sei die Vereinbarung über die massenweise Einfuhr von Arbeitskräften Richtung Katar schon so gut wie druckreif. Zum Sommer kann man schon mit einem Vertrag rechnen, so dass bald damit begonnen werden kann, loyale Minderheiten im Katar zu generieren. Aus den vorbildlichsten „Fachleuten“ kann man dann in Tadschikistan selbst eine Fünfte Kolonne bilden, denn ganz offensichtlich hat der Katar dieses Land zur Einfallstür in den postsowjetischen Raum in Zentralasien auserkoren.