Heute und/oder morgen wird vermutlich ein kritischer Moment zur Lage in der Ukraine eintreten – und das hat mit dem NATO-Gipfel in Wales zu tun; dort soll es Konsultationen nicht nur auf dem üblichen aggressiven Niveau geben, sondern ganz speziell auch die Ukraine thematisiert werden.

Tick, Trick und Track. Foto: nato.int

Poroschenko reist nicht umsonst zum Meeting der notorischen Aggressoren. In Kiew hofft man auf tatkräftige Unterstützung durch den Militärblock und, folgt man den üblichen Sprachrohren der Kiewer Junta, träumt von dutzenden Divisionen von US-Marinecorps in den Steppen um Mariupol. Ganz so wird es vermutlich nicht werden, aber bestimmte Fragen tauchen bei den Russen dann doch auf. Der Sicherheitsrat der RF ließ erst vorgestern verlauten, dass eine jedwede Aggression gegen die Krim als ein Angriff auf Russland gewertet wird. Ganz so ruhig Blut ist im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel also auch nicht, denn ohne, dass man vorher eine gründliche Einschätzung potentieller Gefahren unternommen hat, äußert eine solche Stelle sich nicht so.

Innerhalb der NATO besteht auch noch keine Einigkeit, was der offene Brief ehemaliger US-Geheimdienstler recht deutlich illustriert. In Erinnerung an den auf der Grundlage von Lügen vom Zaun gebrochenen US-Überfall auf den Irak wird darin vor hastigen Entscheidungen auf der Grundlage dubioser nachrichtendienstlicher Erkenntnisse gewarnt. Offenbar gehen diejenigen, die dieses Schreiben verfasst und an die Öffentlichkeit gegeben haben, davon aus, dass ihr Einfluss auf die im Weißen Haus geplanten und in Auftrag gegebenen Manöver nicht dazu ausreicht, eventuelle Korrekturen zu veranlassen; also soll die Öffentlichkeit mobilisiert werden. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass das Gewicht der Kriegspartei in den USA und der NATO die vorsichtigen Stimmen beiweitem überwiegt.

Die wichtigste Frage, welche auf dem NATO-Gipfel geklärt werden soll, ist die nach dem Aufbau neuer Militärstützpunkte, bzw. einer dauerhaften Militärpräsenz in Osteuropa. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden die Pläne zur Stationierung von NATO-Militär in Osteuropa, die ohnehin schon lange bestehen, auf alle mögliche Weise beschleunigt werden – die Frage ist nur, ob es solche Stützpunkte auch auf dem Gebiet der Ukraine geben wird. Diese Frage muss schnell geklärt werden, solange nämlich US-Marionetten an den Machthebeln in Kiew sitzen und die Ukraine de facto von der Kiewer US-Botschaft aus regiert wird. Es eilt also – wäre das Poroschenko-Regime einigermaßen sattelfest, dann würde die NATO vielleicht erst noch eine Show aus “Konsultationen” mit Russland veranstalten. Doch die Putschisten können aus einer Vielzahl von Gründen schon innerhalb der kommenden Monate ihrerseits wieder weggeputscht werden – zu den wirtschaftlichen Gründen kommt nun die militärische Niederlage der gegen Neurussland eingesetzten Strafbataillone. Die Frage nach der Militärpräsenz in der Ukraine wird also heute oder morgen entschieden werden müssen. Mit dem derzeitigen “Übergewicht” der Kriegspartei wird es dann nur von technischen Fragen abhängen, wann “der Krieg” beginnt.

Die ehemalige Ukraine, die nichts weiter als ein Schauplatz und sonst für niemanden von allzu großem Interesse ist (schon gar nicht sind es die Menschen dieses Landes), wird dem keine Hürden in den Weg stellen: die Rada, welche noch bis vor kurzem als demokratisches Feigenblatt vor der im Grunde faschistischen Diktatur herhielt, ist eigentlich schon aufgelöst worden, da es aber noch Vieles, und das eilig, zu tun gibt – EU-Assoziation ratifizieren, den blockfreien Status der Ukraine abschaffen – denkt niemand daran, bei solchen strategischen und für das Land schicksalhaften Fragen einmal die Neuwahlen abzuwarten und somit indirekt auf die Menschen im Land zu hören. Vielmehr soll das im faschistisch Geiste “bereinigte” Parlament diese Dinge zeitnah in die Wege leiten. Aufgelöst oder nicht, noch ist nicht Krieg, und solche Prozeduren gilt es einzuhalten.

Wenn, dann werden die NATO-Stützpunkte auf dem Gebiet der ehemaligen Ukraine sicher nicht in den Wäldern Galiziens oder in den karpatischen Bergen aufgebaut werden. Sondern in genügender taktischer Nähe zu den Grenzen mit Russland, was die Grenze zur Krim einschließt. Daraus folgen wiederum symmetrische, oder auch asymmetrische Reaktionen der Russen. Alles in allem ist das nichts anderes als eine Eskalation der Konfrontation, und diese Eskalation kann heute und morgen in Wales einen starken, geradezu präfinalen Anschub erhalten. Womit wir wieder bei der oben angeführten Warnung des Sicherheitsrats der RF wären.

Auf nichts anderes als eine solche Eskalation hofft derweil aber die Kiewer Junta. Ohne eine Verschärfung der Lage ist ihr Fall schon abzusehen – bei der derzeitigen Wirtschaftsdynamik, dem bevorstehenden Winter und den militärischen Erfolgen der “selbsternannten Volksrepubliken” handelt es sich beim besten Willen um ein halbes Jahr.  Wenn bis dahin nicht Krieg und Militärdiktatur eintreten. Die Rettung der Junta besteht also in der NATO-Präsenz im Lande.

Das alles sind natürlich keine Prophezeiungen, und noch gibt es unter den NATO-Mitgliedern durchaus auch Widerstand. Nicht aus Deutschland, spätestens seit Gaucks aggressiver Kriegsrhetorik vom 1. September in Polen. Für den “Euromaidan” ist Merkel auch nicht mehr “Frau Ribbentrop”, wie noch unlängst, als sie sachtere Töne gegenüber Russland anschlug. Und wahrscheinlich nicht aus Frankreich, das beim Mistral-Deal vor den Amerikanern eingeknickt zu sein scheint (wahrscheinlich, weil – nach den Worten des Junta-Chefpropagandisten Tymtschuk Russland dann vom Schwarzen Meer aus “Hubschrauberangriffe auf die Ukraine, Georgien und Aserbaidschan” fliegen kann und direkt Baku bedroht). Aber der offene Brief der “Ex-Geheimdienstler” ist ein Zeichen dafür, dass es noch eine Opposition gibt, und vielleicht auch, dass man auf die “Macht der Straße” hofft.