Der Iran fährt planmäßig damit fort, Europa Stück für Stück von seinen Öllieferungen „abzuschalten“. Vor einigen Tagen wachten die Griechen ohne frische iranische Lieferungen auf, kurz danach richtete sich der Zorn der Iraner gegen Spanien. Die nächsten, so verlautet aus Teheran, sind die Deutschen und die Italiener. Bereits seit einer Weile sind die Öllieferungen nach Frankreich und Großbritannien „angepasst“ worden.

Auf diese Weise kommt der Iran den Sanktionen zuvor, welche die Europäische Union ab diesem Sommer über das Land verhängen will. Zur Erinnerung, diese Sanktionen zielen darauf ab, dass der Iran auf sein Atomprogramm verzichtet; bestimmte Länder sehen darin eine Bedrohung ihrer eigenen Sicherheit. Allerdings sieht es nun so aus, als wolle der Iran demonstrieren, wie wenig diese Sanktionen auf den Entschluss wirken, das Atomprogramm weiter zu verfolgen. Diese Sachlage bestätigt eigentlich auch der Präsident des Iran, Mahmud Ahmadinedschad, in einem seiner Auftritte der vergangenen Tage, als er feststellte, dass das Land zwei oder drei Jahre ohne Not weiterleben könnte, selbst wenn es seinen Ölexport komplett einstellt. Mahmud Ahmadinedschad zeigte sich sicher, dass die vom Iran angesparten Goldreserven ausreichen, die Wirkung beliebiger Sanktionen zu kompensieren.

Man kann einmal näher betrachten, ob die Aussagen des iranischen Präsidenten tatsächlich realistisch sind oder ob Ahmadinedschad durch die Lieferstopps nach Europa einfach nur blufft und darauf hofft, dass die Europäer mit den Folgen ihrer eigenen Sanktionen als erste unruhig werden.

Dazu braucht man ein paar Gesichtspunkte. Erstens, welche Mengen an Öl exportierte der Iran vor seinen schrittweisen Lieferstopps in die Europäische Union. Zweitens, woraus besteht heute das iranische Finanzsystem insgesamt. Und drittens, hat der Iran das Potenzial dazu, die durch die Sanktionen schwerer werdenden Bedingungen längere Zeit in für sich erträglicher Lage zu meistern.

Also immer der Reihe nach. Nach Angaben von Statistikstellen im Iran selbst, ebenso auch auf Auskunft der OPEC und gleichfalls der EU entfielen vom gesamten iranischen Ölexport ungefähr 20% auf Länder der Europäischen Union. In Geldwerten sind das ca. 14.5 Milliarden Dollar pro Jahr gewesen. Dabei betrugen die Einkünfte aus Ölexporten in andere Länder der Welt rund 57 Milliarden Dollar. Das gesamte Bruttoinlandsprodukt des Iran beträgt, je nach Quelle, zwischen 920 und 950 Milliarden Dollar. Daraus ergibt sich, dass der Anteil des BIP aus Ölexporten nach Europa ungefähr 1.4% ausmachte. Zweifellos sollte man eine solche Größe nicht gering achten, aber man kann sie dabei schwerlich als strategisch bedeutsam für die iranische Wirtschaft qualifizieren.

Dabei hindert den Iran niemand daran, den Europäern sein Öl mittels eines eleganten Zugs auf anderen Wegen zu verkaufen. Dazu kann man, zum Beispiel, Turkmenistan als Zwischenhändler nutzen, ein Land, das eine recht neutrale Politik verfolgt und nicht der Atomhysterie der „westlichen Wertegemeinschaft“ verfallen scheint. Dieses iranische Öl könnte aus Turkmenistan entweder über Russland, oder auch direkt in den Westen geliefert werden. Es würde schwierig sein, bei diesen selbst Öl fördernden Mittlerländern den Fakt eines Weiterverkaufs zu belegen.

Möglicherweise ist ein solcher Zug der Grund dafür, weshalb Mahmud Ahmadinedschad nicht in Ruhe abgewartet hat, bis die europäischen Sanktionen in Kraft treten, sondern die Schrauben von seiner Seite aus als erstes zugedreht hat. Wahrscheinlich hat Teheran bereits eine lohnende Ersatzvariante, das den Europäern nun nicht verkaufte Öl in andere Länder zu liefern, und diese Länder können mit dem Öl dann nach Gutdünken verfahren: zum Beispiel, es den Europäern verkaufen.

Ein handfestes Beispiel für diese Möglichkeit: es gibt bereits Meldungen darüber, dass Armenien damit begonnen hat, iranisches Öl zu importieren.

Damit ergibt sich ein recht interessantes Bild: Iran verringert seine Öllieferungen nach Europa, und dabei wird Öl momentan aber nicht etwa teurer, sondern – im Gegenteil – billiger, was man in den letzten Tagen gut beobachten kann. Dabei hat man nichts davon gehört, dass irgendwer angekündigt hätte, die Kaufvolumina zu drosseln o.ä. Offenbar hat Ahmadinedschad einen annehmbaren Käufer für das Öl gefunden, das er nicht mehr in die EU liefert. Seine Aussage, der Iran könne komplett ohne den Export aller Energieträger leben, könnte in diesem Zusammenhang durchaus die Maskierung neuer Exportrichtungen darstellen, die der Iran jetzt bedient.

Wenn das so ist, dann würden die europäischen Sanktionen den Iran tatsächlich nicht „jucken“. Die Globalisierung macht’s möglich. Und das geht auch ohne SWIFT.

Eine andere Frage ist, ob z.B. Turkmenistan es sich leisten kann, plötzlich iranisches Öl im Wert von 14.5 Milliarden Dollar zu importieren, um es nach Gutdünken weiterzuverwenden. Direkt natürlich nicht. Aber die VR China könnte es, fast schon aus der Portokasse. Diese Summe wäre für die Chinesen mehr oder weniger symbolisch. Auch Russland wäre in der Lage, einen Teil der frei gewordenen iranischen Ölkapazitäten zu erwerben. Sicherlich werden sowohl China als auch Russland auf Öl zu niedrigeren Preisen bestehen, aber unter den Sanktionen geht Teheran darauf zweifellos ein. Vor gar nicht so langer Zeit wurden Öllieferungen nach China besprochen, als sich Regierungsbeamte beider Länder trafen – das war die Meldung darüber, dass Peking weiter mit dem Iran im Bereich Öl zusammenarbeiten will, mit einen bestimmten, günstigeren Preis für das schwarze Gold. Man mag das für eine Erpressung der Chinesen halten, aber der Iran büßt lieber ein wenig durch den Discount ein, als den kompletten Posten von 14.5 Milliarden Dollar zu riskieren.

So gesehen, ist die iranische Wirtschaft folglich nicht wirklich unter ernsthaftem Druck durch die Sanktionen der EU.

Originaltext von topwar.ru