Geplanter Durchfall

11.04.2012, 12:35 apxwn Blog syrien uno usa

Der viel zitierte Plan von Kofi Annan zur Beilegung der Gewalt in Syrien geht, wie geplant, den Bach runter. Jedenfalls hat Annan selbst recht vorsichtig angedeutet, dass er besorgt sei und Informationen habe, „dass sich die Regierungstruppen aus einigen Städten zurückzögen“, aber in anderen einrücken.

De facto hält sich die syrische Regierung recht genau daran, was sie an Verpflichtungen auf sich genommen hat: es gab das Versprechen, einen Truppenrückzug aus den von Terror- und Söldnerbanden bereinigten Gebieten zu bewerkstelligen – also von dort, wo die öffentliche Sicherheit an polizeiliche und zivile Kräfte übergeben werden kann – und genau das passiert auch. Sicher kehrt die Armee nicht in die Kasernen zurück, das wäre angesichts der andauernden Kämpfe, wie zum Beispiel vorgestern an der Grenze zur Türkei, auch unlogisch.

Das Hauptproblem Annans war und ist nicht so sehr der gute Wille der syrischen Regierung, als vielmehr die faktische Abwesenheit einer zweiten Partei in diesem Konflikt. Sicher, diese Seite gibt es, aber sie ist nicht verhandlungsfähig. Und das aber auch nicht wegen ihres guten oder schlechten Willens zu Verhandlungen.

In diesem Zusammenhang ist Hillary Clinton, so garstig und hässlich sie sich gebärdet, gleichzeitig ein gutes Indiz dafür, warum das so ist. Ob aus Dummheit oder aus Berechnung, sie deutete unlängst an, dass man gar nicht so genau wisse, was denn das überhaupt für Leute sind, welche man als „syrische Opposition“ bezeichnet. (Für Dummheit sprechen ihre mannigfaltigen Versprecher in anderem Zusammenhang – zum Beispiel das üble „We came, we saw, he died“ über die Ermordung des Muammar al-Gaddafi oder die bekannte Passage über das „Council on Foreign Relations“, das, ihrer offenherzigen Angabe zufolge, die Außenpolitik der USA diktiert.) Ihre Auskunft zur syrischen Opposition ist richtig – unter diesem Oberbegriff firmieren mehrere Bewegungen, die untereinander kaum in Zusammenhang stehen, auch nicht nach der erklärten Konsolidierung auf der Stambuler Konferenz der so genannten „Freunde Syriens“ vom 2. April. Die „Opposition“ besteht mindestens aus drei untereinander kaum organisatorisch zusammenhängenden Gebilden – dem „Syrischen Nationalrat“ SNC, der „Freien Syrischen Armee“ FSA und der ganz offenkundigen Netzwerkstruktur der Moslembrüderschaft. Diese Strukturen sind unfähig, mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen und damit koordiniert irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Es gibt keine definierten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, welche bei der Einhaltung von Entscheidungen greifen könnten. Anders gesagt, für Verhandlungen und einen Friedensprozess braucht es einen Verhandlungspartner für die Syrer, und einen solchen gibt es einfach nicht.

Die syrische Regierung hat vollkommen gerechtfertigt nach schriftlichen Garantien von wenigstens irgendwem gefragt, die beinhalten sollten, dass die ihr gegenüberstehenden Aufrührer den bewaffneten Kampf beenden. Es ist klar, dass es solche Garantien nicht gegeben hat – es gibt niemanden, der sie geben könnte. Die beiden parallelen militärischen Gruppierungen der „Opposition“ – der Oberste Militärrat und die FSA des Riad Al-Asaad, dazu die ihnen nicht unterstehenden Kampfgruppen der Islamisten und unabhängig agierende ausländische Söldner bilden einen Kompott, der kein einheitliches Kommando besitzt, so dass man mit jedem Warlord einzeln verhandeln müsste oder von vornherein auf die Sache pfeift. Das „clandestine meeting“ der „Freunde Syriens“ in Stambul hat ja eher noch weitere Verwirrung gestiftet, was die Kommandostrukturen angeht. Wenn der Katar und Saudi-Arabien vollkommen unverhohlen eine halbe Milliarde Dollar für den bewaffneten Kampf gegen die syrische Regierung bereitstellen, so wäre es logisch, mit diesen Staaten zu verhandeln und von ihnen die Einhaltung einer Waffenruhe zu fordern. Niemand wird mit gesponserten Banditenstrukturen verhandeln, wenn es bekannte, im Hintergrund stehende Bosse gibt – und die sind es ja, in deren Händen faktisch die Waffenruhe von Seiten der durch sie finanzierten paramilitärischen Banden läge.

Nichts dergleichen gibt es. Der „Plan Annans“ ist recht luftig und idealistisch formuliert und geht faktisch davon aus, dass die syrische Regierung ihre Truppen zurückpfeift und sich dabei plötzlich eine gegnerische Partei manifestiert und ihrerseits der Waffenruhe folgt. Seltsam, sie tritt immer noch nicht in Erscheinung. Im Namen der Opposition sprechen mal Riad Al-Asaad, mal Burhan Ghalioun, mal der Dönermann aus London. Und jeder redet etwas anderes. Die Golfmonarchien und diverse Außenminister funken ebenso dazwischen, und dabei redet auch hier der eine vom Wald, der andere vom Feuerholz. Es gab und gibt für die syrische Regierung einfach keinen Verhandlungspartner.

Verfassungsreferendum in SyrienSchon allein deshalb ist der Friedensplan Annans nicht zu realisieren. Aber das ist ja auch kein Zufall. Das Ziel des Westens ist nicht die Beilegung der Gewalt, sondern die Absetzung von Assad und die Schaffung von geschäftsfördernder Anarchie. Auch hier redet Hillary unverhohlen davon, dass nur Assads Sturz Ziel des ganzen Veitstanzes mit Annan ist. Wenn es der Opposition gelingen sollte, sich irgendwie zu strukturieren, dann könnten nämlich Verhandlungen und Gespräche zu einer Transformation des Regimes, seiner Veränderung führen, zum Beispiel zu einer Beteiligung oppositioneller Kräfte an der Regierungsverantwortung. Aber Ziel ist die Vernichtung des Regimes, nicht dessen Transformation. Diese Transformation wäre ja ohne Einmischung des Westens möglich, und sie geht bereits vonstatten. Nicht schnell, nicht plötzlich – aber es gab Regionalwahlen, es kommen die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, eine Änderung der Verfassung – und das sind ja Schritte einer Transformation oder eines demokratischen Prozesses. Und ausgerechnet diese Schritte werden vom Westen ignoriert und torpediert, indem man sie, wenn sie schon bekannt werden, als „Farce“ bezeichnet.

Als Ausweg bliebe also entweder eine Strukturierung und Konsolidierung der Opposition, worauf wenig Hoffnung besteht, oder die Fortsetzung des Kampfes gegen die bewaffneten Banden bei gleichzeitiger Verhandlung mit solchen Oppositionsgruppen, die nicht zu Gewalt greifen. Und die Fortsetzung des Kampfes bedeutet über kurz oder lang die Beteiligung von „Friedenstruppen“, oder, als Alternative, eine militärische Intervention. Tertium non datur. Solange die Syrer noch Spielraum haben, sollten sie selbst für diese Friedenstruppen sorgen.