Islamische Kredite

13.04.2013, 11:21 apxwn Blog ägypten

Ägypten manövriert sich immer sicherer in die Lage der späten UdSSR. Präsident Mursi nimmt behende Kredite und Schulden auf. Inzwischen gibt es auch vom Nachbarland Libyen einen sogenannten “islamischen”, also zinslosen, Kredit in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar. Vorher hatte Katar 2,5 Milliarden USD zur Verfügung gestellt und stellt nun weitere 3 Milliarden in Aussicht. Nebenbei verhandelt Ägypten mit dem IWF über weitere fast 5 Milliarden. Das ist geradezu ein spätsozialistisches Tempo.

Dabei ist Ägypten kein armes Land. Es fördert Erdöl und Erdgas, es ist im Besitz eines der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Welt – des Suezkanals, und sieht damit wie ein durchaus solider Kreditnehmer aus. Nun wird aber der Großteil der aktuellen Kredite aus der Not heraus und zum sofortigen Verzehr aufgenommen. Das damit verfolgte kurzfristige Ziel ist klar: Abbau der akuten sozialen Spannungen. Doch sieht eine solche Behandlung der Krankheit aus, als wolle man das jetzige akute Stadium im Eiltempo in ein chronisches Leiden verwandeln wollen.

Im Endeffekt wird Ägypten nach der Aufnahme solcher kaum zu bewältigender Kredite schätzungsweise gezwungen sein, sich von seinen Aktiva zu trennen und den Gläubigern seine Industrie, seine Rohstoffvorkommen und weitere wichtige Einnahmequellen zu überlassen. Eine Staatsmacht im nicht nur nominellen Sinne dieses Worts gibt es nach wie vor nicht. Die Eliten sind gespalten, die Revolution geistert immer noch durchs Bewußtsein der Massen. Es wird kaum möglich sein, unter solchen Umständen zu garantieren, dass die Kreditmittel nicht simpel und einfach in düsteren Kanälen verschwinden.

Bisher führt die Politik der ägyptischen Regierung das Land direkt und ohne Umweg in die Katastrophe. Ein Zusammenbruch des bevölkerungsreichsten Landes in Nordafrika und Nahost bringt mit Sicherheit Effekte mit sich, in Vergleich mit denen der ganze Arabische Frühling mit all seinen Revolutionen und Kriegen sich wie ein Sommertraum ausnehmen mag.

Noch ein Detail zur Stimmung im Lande: Demnächst läuft die 15-tägige Frist der neuerlichen Festnahme Hosni Mubaraks ab. Das ist eine formaljuristische Sache – das Verfahren gegen ihn ist in Berufung gegangen, das vormalige Urteil ist aufgehoben worden, folglich muss die Festnahme befristet sein. Diese Formalität kann aus einer juristischen aber zu einer politischen werden, die imstande ist, eine neue Welle von Unruhen zu provozieren.

Der Richter, welcher dem Prozess gegen Mubarak vorstehen sollte, hat heute schnell mal das Handtuch geworden, und nun stehen die Machthaber vor dem Dilemma, entweder wider das Gesetz zu handeln und Mubarak länger festzuhalten, oder aber Unruhen zu riskieren. Weder das eine, noch das andere ist eigentlich annehmbar.

Die dritte Gewalt Ägyptens, nämlich die Nomenklatura der vormaligen Mubarak-Regierung, werden immer selbstsicherer, wenn es darum geht, die aktuellen Machthaber zu diskreditieren und sie in scheinbar ausweglose Situationen zu manövrieren. Es ist ja immer geschickt, wenn die “Revolutionäre” sich gegenseitig die Köpfe einrennen, immer wieder Unruhen aufflammen, Instabilität herrscht, die man regulieren und dosieren kann und irgendwann, zum passenden Zeitpunkt, genügend “vorglüht”, so dass eine Rückkehr an die Hebel der Macht durchaus realistisch wird. Die Frage ist nur: wer will schon an die Macht? Jeder beliebige Machthaber wird in der derzeitigen katastrophalen Lage in Ägypten schleunigst hunderte von Problemen anzugehen haben, die sich teilweise schon vor der Revolution angesammelt hatten, das Land aber in den seither vergangenen zwei Jahren der Anarchie weiter in Richtung Koma gebracht haben.

Nichtsdestotrotz wird die alte Garde nicht so einfach verschwinden. Es sieht ein wenig so aus, als versuche sie die Strippen an die Moslembrüder zu legen, derer sie sich dann und wann bedienen will, damit es letzteren niemals einfallen möge, die Privilegien und das Eigentum der “Aristokratie” aus Mubarak-Tagen anzutasten. Wenn die “Brüder” solche Winke allerdings nicht verstehen sollten, so kann es sein, dass es weiteren Druck und am Ende vielleicht doch einen Versuch geben wird, sich die Macht zurückzuholen.