Der für einige Zeit aus den Meldungen verschwundene Manaf Tlass kommt plötzlich wieder mit einem Interview zum Vorschein, das relativ bemüht aussieht und überhaupt nicht den Eindruck erweckt, als sei das dort Gesagte der Grund, weshalb er weiland seine Heimat verlassen hat.

Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Tlass Junior Syrien in einem Linienflugzeug und mithilfe seines eigenen Passes verließ, ohne sich dabei auch nur einen Bart anzukleben, so sieht die Dankbarkeit gegenüber den erwähnten französischen “Diensten” doch etwas bemüht aus. Ähnliches kann man von den anderen Redefragmenten des inzwischen sicher gut ausgeruhten Generals sagen. Hier ein paar Auszüge aus dem, was BBC darüber bringt:

Gen. Tlass sagte, dass sowohl französische Strukturen, als auch die Freie Syrische Armee ihm “aus der Entfernung” bei der Flucht behilflich gewesen seien.

Er warnte davor, dass das unter Druck geratene Regime Chemiewaffen in bestimmten Gebieten einsetzen könnte.

“Im dritten Monat der Revolution brach ich mit dem Regime. Ich traf mich mit Demonstranten und Rebellen, hörte mir ihre Forderungen an und merkte, dass das Regime sich nicht ändern will. Ich merkte, dass das Regime die Rebellen belog… ich zog mich in mein Büro zurück, hörte auf niemanden und entschied mich schließlich, die Rebellen zu unterstützen.”

Er drängte seinen ehemaligen Freund, den Präsidenten Baschar al-Assad, dazu, die Macht nicht nur um Syriens, sondern auch um seiner Familie willen aufzugeben.

Die Phrase mit den Chemiewaffen ist ein wenig eine unsinnige, verspätet abgespulte Leier. Die Dankbarkeit gegenüber der FSA, welche ihm “aus der Entfernung” bei seiner “Flucht” half, liest sich überhaupt wie Hohn, aber die Andeutung mit der Familie des Präsidenten sollte man im Gegensatz dazu ernst nehmen. Höchstwahrscheinlich liegt der gesamte Sinn des Gesagten in der letzten hier zitierten Phrase.

Im Grunde geht es um vier bedeutende Vertreter des Assad-Clans – Baschars Bruder Maher, die Mutter Anissa und zwei weitere Verwandte mütterlicherseits – Vater und Sohn, Rami und Muhammed Makhluf. Der Wink mit der Familie ist durchaus klar verständlich – bei dem Terroranschlag am 18. Juli ist neben Asef Schawkat und Verteidigungsminister Daud Radschha auch der Cousin des Präsidenten, Hafez Makhluf – Chef für Innere Sicherheit innerhalb des wichtigsten Nachrichtendienstes in Syrien (Idarat al-Amn al-Amm) – getötet worden (es gab zwar auch Dementis, endgültige Klarheit hat man hier aber wohl nicht). Hafez nun ist eine wichtige Figur (gewesen), denn er stand unter anderem deshalb auf der Sanktionsliste des Westens, weil er die Libanon-Politik und die operative Ebene einer Reihe von Spezialkräften im Libanon koordinierte. Nur als Ergänzung – Hafez Makhluf war der, welcher 1994 den Autounfall überlebte, bei dem Basil al-Assad ums Leben kam. Faktisch trug er die Verantwortung für das Wohl des Präsidentenerben vor dessen Vater Hafez al-Assad.

Die Andeutung über die Familie im Interview ist also klar wie Kloßbrühe, der Rest ist wohl Maskerade und Verpackung für diese Andeutung. Offenbar ist es den eigentlichen Auftraggebern unangenehm, solche Sachen selbst zu äußern, deswegen holte man eben Manaf Tlass aus seiner warmen Badewanne, gab ihm den Text und rief Journalisten herbei.

Für den Westen ist Baschar al-Assad nun offensichtlich vollkommen verhandlungsunfähig, oder verhandlungsunwürdig geworden. Andere Varianten als banalen Mord zieht man wohl – zumindest momentan – nicht in Erwägung.

Schwer zu sagen, wie wahrscheinlich oder wie realistisch ein Mordanschlag auf den syrischen Präsidenten ist – so etwas ist immerhin nicht leicht zu organisieren, und für die syrische Elite gibt es keinen vernünftigen Grund, das selbst zu unternehmen. Doch sowohl die Golfmonarchien als auch Europa – in erster Linie Frankreich – geraten in Syrien in Zeitnot. Syrien bremst die Umsetzung ihrer weiteren Pläne aus, welche auch immer das sein mögen, sei jetzt dahingestellt. Der Terrorkrieg und der Würgegriff, in dem man die syrische Wirtschaft hält, sind ihrer Natur nach auf eine viel zu lange Sicht ausgelegt und haben kein wirklich vorhersagbares Finale. Schließlich steht zum Beispiel der Iran seit 1979 unter harten Sanktionen, hat sich den Umständen aber irgendwie angepaßt und exisitert weiter. Eine direkte Militärintervention würde nur im Falle eines regelrechten Krieges in der Region möglich – etwa im Kontext einer Attacke Israels auf den Iran. Doch dabei gäbe es schon vollkommen andere Konstellationen und Bemühungen.

Die unschuldige Andeutung über das Wohl der Familie Assad ist jedenfalls Kern der Botschaft; damit wäre nun endlich auch offiziell angekündigt, wie man der “friedlichen Opposition” zum Sieg verhelfen möchte.