Bashar al-Assad und Nuri al-Maliki Zum Preis von Tausenden getöteter Militärs und Polizeikräfte, ganz zu schweigen von Zivilisten, hat die syrische Regierung den organisierten Widerstand gegen die bewaffneten „revolutionären“ Söldnerbanden von der FSA und anderes Gelichter inzwischen halbwegs im Griff; die „libysche Lektion“ scheint gelernt. Alle Versuche, Enklaven oder Zonen (humanitäre und „Puffer-“) innerhalb von Syrien zu schaffen, sind vorerst gescheitert und werden effektiv unterbunden. Der Sache der „Opposition“ helfen die seit der „Waffenruhe“ verstärkt erfolgenden Terroranschläge und Sabotageaktionen auch nicht, sie schaffen eher mittel- und langfristig eine Destabilisierung der syrischen Gesellschaft durch ständige Angst und Schrecken.

Gleich wie viel Waffen und Ausrüstung von außerhalb an die „Aufständischen“ geliefert wird, jenseits des Bandenterrors nimmt die Situation in Syrien jetzt, militärisch gesehen, eher statische Züge an. In dieser Ausweglosigkeit rief die Führung des SNC unlängst offen zu einer internationalen militärischen Aggression gegen das Land auf (terminologisch als „Militäroperation“ verklausuliert). De facto ist das ein Aufruf an die Vereinigten Staaten als die Betreiber des Regime Change in Syrien, doch nun endlich etwas zu unternehmen und diesen „Diktator zu stürzen“.

Doch obwohl das „revolutionäre“ Feuerholz lange schon rund um Syrien ausgelegt worden ist, gelingt es bisher noch nicht, es nach libyschem Vorbild zu entfachen. Die USA selbst können sich aus (innen)politischen Gründen wahrscheinlich nicht direkt an einer solchen Aggression beteiligen, die NATO-Satelliten lassen sich bislang noch Zeit damit, den schmutzigen Teil des Regime Change zu beginnen.

Jordanien kann sich, trotz der Bearbeitung durch die Golfmonarchien und obwohl sich tausende libyscher „Rebellen“ zur Reha in diesem Land befinden, nicht dazu entschließen, offen gegen seinen Nachbarn vorzugehen. Lediglich die Türkei behält eine gewisse Aktivität bei der Unterstützung der bewaffneten Banden von der FSA bei. Doch diese Unterstützung ist eher moralisch und verbal; denn für Ankara könnte eine direkte Aggression, auch eine nach dem Gleiwitz-Prinzip, genau wie die türkische Beteiligung am Überfall auf den Irak im Jahr 2003 nicht nur keine Unterstützung des türkischen Parlaments bekommen, sondern die Macht Erdogans und seiner Partei auch direkt gefährden. Die syrischen Kurden jedenfalls behalten bislang eine eher passive Rolle bei, was aber eine mögliche Beteiligung der Türkei bei einer Aggression gegen Syrien angeht, so haben sie sich dazu festgelegt – ganz Kurdistan würde damit zu einer Kriegszone. Hintergrund ist das Misstrauen der Kurden gegenüber den Moslembrüdern und den Salafiten. Frankreich und dessen noch 2007 von Gaddafi finanzierter Präsident Sarkozy, in allerlei Hinsicht die Treulosigkeit und Niedertracht in Person, könnte bald vom Sozialisten Hollande abgelöst werden, die Dynamik der französischen Einmischung in Angelegenheiten souveräner Staaten könnte sich dadurch verlangsamen. Generell zu berücksichtigen ist nun auch die Präsenz der UNO-Beobachter in Syrien. Diese könnten, trotz der einseitigen Position von Ban Ki Moon zum Syrien-Konflikt, eventuell auch von terroristischen Anschlägen und nicht nur von den imaginären „Brutalitäten des Regimes gegen die Zivilbevölkerung“ berichten.

Außer Zweifel steht eines: die Vereinigten Staaten halten am Kurs des Regime Change in Syrien fest und forcieren ihn weiter. Man möchte meinen, dass Washington diesbezüglich außer eines direkten Angriffs schon alle Register gezogen hat, aber die Umbildung des Nahen Ostens und des Arabischen Raums im Sinne einer Pax Americana geht schon lange genug vonstatten, so dass man hier weitere Ansatzpunkte erkennen kann. Dazu soll hier die heutige Situation im Irak betrachtet werden. Wenn man durch Tür und Fenster nicht ins Haus kommt, muss man manchmal eben die Wände wegsprengen.

Dazu braucht es nur einen Bürgerkrieg im Irak, dessen Strudel leicht nach Syrien hinüberschwappen kann. Diese Variante wäre nicht so elegant wie ein Sieg der bewaffneten Banden (die weiterhin als Rebellen und Opposition gelten können), aber auch nicht ganz so auffällig wie eine direkte militärische Aggression westlicher Staaten oder deren arabischer Vorposten.

Der Irak zerfällt ohnehin in einzelne Regionen, und dieser Segregationsprozess gewinnt in jüngster Zeit an Dynamik. Wenn man die Nachrichten der letzten Zeit aus Bagdad nimmt, hat man den Eindruck, man lese Nachrichten von der Front.

Sunniten: Erdogan und BarzaniDer Präsident der irakischen Autonomen Region Kurdistan, Masud Barzani, hat nach seiner Visite in die USA unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der türkischen Führung verhandelt. Dort traf er sich auch mit dem Führer der irakischen Sunniten, dem ehemaligen irakischen Vizepremier Tariq al-Hashemi, der seit Dezember 2011 per Haftbefehl aus Bagdad gesucht wird. Die Kurden und die sunnitische Minderheit lassen periodisch verlauten, sie leiden Diskriminierungen und Verfolgung durch die schiitische Staatsmacht des Irak und legen dies Premier Nuri al-Maliki persönlich zur Last. In dieser Einstellung bekamen sie am 19. April Unterstützung von Premier Erdogan, der sich in einem Telefonat mit al-Maliki entsprechend äußerte. Die Reaktion: der irakische Premier bezeichnet die Türkei als „feindseligen Staat“ und als Feind auch anderer Länder der Region. Am 23.04.2012 macht sich al-Maliki auf zu einem Treffen mit der iranischen Führung, zitiert vorher den türkischen Botschafter ins Außenministerium und lässt ihm eine Protestnote überreichen. Der iranische Vizepräsident Mohammad Reza Rahimi spricht gar von einer iranisch-irakischen Allianz als einer „großen Macht“ in der Welt.

Schiiten: Al-Maliki und AhmadinedschadDie Sunniten des Irak, darunter die sunnitischen Kurden, werden hier also stillschweigend ausgeklammert. Vor diesem Hintergrund baut die kurdische Führung einen Gegenpol zu Bagdad in der Ölförderung auf: Kurdistan will bis 2014 eine eigene Export-Pipeline fertiggestellt haben. Der Hintergrund ist, dass die irakische Verfassung von 2005 alle bis dato ausgebeuteten Ölquellen zum Eigentum des irakischen Volkes erklärt, es ist aber nicht die Rede von den später neu erschlossenen. Diese Grauzone macht sich die kurdische Autonomie zunutze und erklärt die neueren Ölquellen zum Besitz „der Region“ (gemeint ist hier die kurdische Autonomie).

Noch besorgniserregender sollte allerdings die vor Kurzem geäußerte Absicht des Regionalrats der überwiegend sunnitischen Provinz Al-Anbar sein, eine regionale Autonomie zu proklamieren.

Faktisch bedeutet das, dass es Absichten gibt, für die arabisch-sunnitische Opposition des Irak Territorium abzustecken. Im Zusammenhang mit der zu erwartenden Unabhängigkeitserklärung Kurdistans und damit dem Verlust der nordirakischen Ölquellen bildet das eine Bedrohung für die heutige politische und wirtschaftliche Dominanz der Schiiten im Irak.

Provinz Al-Anbar im IrakWährend al-Maliki es schätzungsweise vermeiden wird, dem militärisch nicht eben schwachen Kurdistan in die Quere zu kommen, so ist das – auch militärische – Einschreiten gegen eine Verselbständigung des sunnitischen Al-Anbar wahrscheinlich. Das bedeutete aber nichts anderes als den Beginn eines offenen Bürgerkriegs im Irak in einer Grenzprovinz zu Syrien. Zustände, die eine offene, unkontrollierte Grenze zu Syrien mit sich bringen. Wenn Bagdad von Iran unterstützt wird, so kommen vermutlich die Golfmonarchien und eventuell die Türken den Sunniten zu Hilfe. Das natürlich nicht aus Teilnahme am Schicksal der Glaubensbrüder, sondern gerade, weil die irakischen Sunniten und ihre „freiwilligen Mitstreiter“ das Kampfgeschehen nach Syrien überschwappen lassen können. Diese Mitstreiter – gemeint sind die Söldnerbanden der sogenannten Freien Syrischen Armee – sind bereits vor Ort; sie sickern durch den Libanon, Jordanien und die Türken nach Syrien ein und verbreiten Terror im Land, solange sie militärisch nicht stark genug sind, der syrischen Armee Paroli zu bieten. Die Fristen für eine solche mögliche Entwicklung im Irak liegen allerdings in der Größenordnung von Monaten, kaum von kürzerer Zeit. Man müsste noch einiges in die Wege leiten, damit die theoretischen „sunnitischen Rebellen“ nicht innerhalb kürzester Zeit von der irakischen Staatsmacht vom Ort des Geschehens hinweggefegt werden. Allerdings sollte die syrische Führung die Möglichkeit eines solchen Szenarios unbedingt mit berücksichtigen. Das Einsickern von Terroristen aus dem Irak und deren Eingliederung in die FSA ist zum heutigen Tag ja bereits belegt.