Die Übernacht-Visite Barack Obamas nach Afghanistan am 1. Mai, offiziell dem Jahrestag der Liquidierung des „Terroristen Nr. 1“ gewidmet, die Unterzeichnung des Vertrags über eine strategische Partnerschaft zwischen der USA und Afghanistan in Bagram, die darauf folgenden Gegenangriffe der Taliban auf die Streitkräfte der NATO und afghanische Regierungstruppen – so sieht die Spitze des Eisbergs aus, die man überall nachlesen kann. Was allerdings verbirgt sich in den Untiefen darunter?

Ein Zitat (übersetzt von hier – Analoges gibt es hier bei Reuters):

Geheimdienst und Militär beurteilen die Lage in Afghanistan unterschiedlich

„Am Freitag [04.05.] hat der Leiter des ständigen Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus Mike Rogers (Republikaner aus Michigan) berichtet, dass der Geheimdienst und das Militär der Vereinigten Staaten in ihrer jeweiligen Beurteilung der Lage in Afghanistan deutlich differieren. Rogers … befand sich diese Woche auf einer Arbeitsvisite in Afghanistan und traf sich mit dem Kommando des dort stationierten amerikanischen Militärkontingents sowie der Leitung der Botschaft in Kabul. „Das bedeutendste, was ich aus diesem Besuch mitnehme, ist die Erkenntnis, dass es einen gewaltigen Unterschied gibt zwischen dem, was unsere Truppen und dem, was die Geheimdienste darüber berichten, wie ihrer Meinung nach die Lage in Afghanistan ist“, sagte der Abgeordnete. Er erläuterte, dass die Streitkräfte der USA darauf verweisen, dass die „Taliban“-Bewegung bei offenen Auseinandersetzungen keinen einzigen Sieg gegen die Koalitionstruppen errungen hat, worin man dort einen Grund zum Optimismus sieht. Ihrerseits äußern die Geheimdienste, dass die Taliban ihre Taktik verändern, um so Verluste zu vermeiden, dabei aktiv Mitglieder in der Bevölkerung werben, so Rogers weiter. Wie er unterstreicht, gehen die US-Geheimdienste davon aus, dass „die Taliban-Bewegung heute stärker ist, als sie noch vor einigen Jahren war“. Außerdem stellen die Taliban, den Informationen der Geheimdienste zufolge, sich heute immer noch „das klare Ziel: sie wollen das Land regieren, sie wollen zurück“ an die Macht in Afghanistan… Dabei „gibt es bei Militär und Geheimdiensten wesentliche Differenzen auch hinsichtlich des zukünftigen Kurs Washingtons in Afghanistan – nämlich nach dem Jahr 2014, für dessen Ende die NATO plant, die gesamte Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit an die jetzige Regierung in Kabul zu übertragen. „Niemand weiß, weder Militär noch Geheimdienste, keiner hat eine Ahnung davon, was dann als nächstes passiert.“ Er erläuterte weiter, dass das Militär und die Geheimdienste darin übereinstimmen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte allein nicht mit den ihnen nach dem Abzug der Koalitionstruppen zu übertragenen Aufgaben fertigwerden…

Am 2. Mai wurde in Kabul von den Präsidenten Barack Obama und Hamid Karsai ein Abkommen über strategische Partnerschaft zwischen den USA und Afghanistan unterzeichnet. In dem Dokument werden die Bedingungen einer amerikanischen Militärpräsenz nach Abzug der Koalitionstruppen im Dezember 2014 reglementiert. Die Vereinigten Staaten planen, eine etwa 20.000 Mann starke Truppe in Afghanistan stationiert zu belassen.

Welches ist also das Fazit der amerikanischen Militärpräsenz in Afghanistan:

  1. Die USA haben 11 Jahre gegen einzelne afghanische Extremisten, einschließlich der Taliban gekämpft. Aber einen wirklichen Kampf gegen die Wurzeln der Taliban-Bewegung und mit dem Drogenhandel hat es nie gegeben.
  2. Das langjährige Konfrontationsverhältnis zwischen den Taliban und den USA (zum Preis des Blutes der eigenen Soldaten und derer der Koalition) hat die Organisation der Taliban-Bewegung gestärkt, ihr beigebracht, wie man den modernsten Methoden der Kriegführung widersteht und die Taliban politisch gestärkt. Faktisch sind sie darauf vorbereitet worden, als legitime Macht in Afghanistan zurückzukehren.

Davon ausgehend kann man folgende Perspektiven über die Entwicklung der Situation um Afghanistan nach der Unterzeichnung des Abkommens über eine strategische Partnerschaft mit den USA annehmen:

  1. Die Taliban sind und bleiben die einzige reale Macht in Afghanistan, der die jetzige afghanische Regierung weder politisch, noch militärisch entgegenstehen kann. Die Rückkehr der Taliban an die Macht ist lediglich eine Frage der Zeit.
  2. Das Abkommen über eine strategische Partnerschaft mit Afghanistan zielt gar nicht so sehr auf eine militärische und wirtschaftliche Unterstützung der „hoffnungslosen“ Karsai-Regierung ab, als vielmehr auf die Möglichkeit, weiterhin die Kontrolle über die Aktionen der Taliban auszuüben und diese, wenn nötig, zu „korrigieren“.
  3. Dabei werden die Unternehmungen der Taliban von Seiten der USA mit allen Mitteln gegen die benachbarten Länder Iran und Pakistan gerichtet werden, ebenso auch gegen Russland – durch eine Islamisierung der Länder Zentralasiens. In erster Linie also gegen die aktiven Mitglieder der OVKS, Tadschikistan, Kirgisistan und Kasachstan.
  4. Usbekistan wird im Gegenzug für eine Anerkennung der Regierung Karimow als „demokratisch“ durch den Westen aller Wahrscheinlichkeit nach als wichtigste Basis für die amerikanische Militärpräsenz in Afghanistan dienen.

Die Sorge des Iran, Russlands, Chinas und Indiens über die Perspektiven der Entwicklung in Afghanistan sind also durchaus berechtigt, was den Führungen dieser Länder allen Grund gibt, Gegenmaßnahmen gegen diese von den Amerikanern gelegte „regionale Zündladung“ zu ergreifen.

Dazu auch:

Ach, und übrigens, wie konnte es anders sein, der Katar ist auch dabei:

Wenn man nun aber „Katar“ sagt, so meint man nichts anderes als den Nahost-Hub amerikanischer transnationaler Konzerne in der Region.