Interview mit der syrischen Journalistin Anhar Kotschnewa

Anhar (Quelle: Facebook)„Nowosti Mira“ hat mit der in Damaskus lebenden Schriftstellerin und Journalistin Anhar Kotschnewa gesprochen und sie gebeten zu berichten, wie die allgemeine Lage im Land ist, was dort vor sich geht. Nachfolgend präsentieren wir die Aufzeichnung unseres Gesprächs mit Anhar. (Quelle: „Nowosti Mira“, 02.06.2012)

Nowosti Mira: Guten Tag, Anhar! Heute kommen im Wesentlichen recht einseitige und tendenziöse Nachrichten aus Syrien, es ist sehr schwer, bis zur Wahrheit vorzudringen. Bei vielen dominiert das Bild, das durch die Massenmedien geschaffen wurde: der böse Assad mit seiner Armee von der einen Seite und die von ihm unterdrückte, aber doch protestierende Bevölkerung von der anderen. Anhar, wie verhält es sich tatsächlich? Denn, wenn man die Wahlergebnisse nimmt, sieht es doch so aus, als würde die Bevölkerung weiterhin für die Partei Assads sein?

Anhar Kotschnewa: Bei den Wahlen wurde nicht für Parteien, sondern direkt für Kandidaten gestimmt. Gewählt wurde also nicht nach Parteilisten, sondern konkrete Kandidaten. Die Baath-Partei und der Block, der um sie herum gebildet wurde, repräsentiert nicht nur die größte und dienstälteste Partei (und es ist klar, dass diese in den Wahlen nicht gegen solche Parteien verlieren, die erst vor ein paar Monaten gegründet wurden), sondern auch die mitgliederstärkste.

Viele von ihr sind Politiker, die überaus erfahren sind. Oder es handelt sich um bekannte, ehrbare Persönlichkeiten (Lehrer, Leiter von Betrieben und dgl.). Die Baath-Partei ist auch nicht die „Partei Assads“, sondern einfach eine Partei, also eine Partei ihrer Mitglieder. Sie ist eine Partei einer großen Zahl von Syrern. Nun, so war es denn auch, Syrer haben Syrer gewählt. Baschar Assad ist der Präsident, gewählt wurden aber die Parlamentarier.

NM: Was sagen die einfachen Syrer in ihrem jeweiligen Milieu von den Dingen, die im Land passieren? Sagen wir, was spricht man beim Gemüsehändler, auf dem Markt, also außerhalb von politischem Kontext?

AK: Man bespricht die Nachrichten, man erzählt sich von den Verwandten und Bekannten, die von den Banditen ermordet oder entführt wurden. Man spricht momentan auch viel vom derzeitigen Mangel an Gas (ich selbst habe drei Wochen lang keine Gasflasche bekommen und konnte also auch kein warmes Essen zubereiten) – das ist das Resultat der Sanktionen, die vom Westen angeblich zu unserem Wohl verhängt worden sind.

NM: Im Fernsehen sieht man größtenteils zerstörte Stadtteile, auf den Seiten der Agentur SANA dagegen saubere Straßen und Plätze in Damaskus; wie ist die Lage denn tatsächlich? Ist das Land im Großen und Ganzen intakt, geht das Leben weiter, funktionieren Schulen, Läden und Märkte?

AK: Es gibt nur in drei Stadtgebieten von Homs regelrecht zerstörte Stadtviertel. Das rührt daher, dass sich die Banditen seinerzeit dort befestigt und verschanzt hatten, welche entweder selbst die Zerstörungen herbeiführen, oder die Armee in eine Lage bringen, dass diese auf deren Positionen feuern muss. An anderen Orten ist es tatsächlich größtenteils ruhig, die städtischen Dienste funktionieren.

Selbst in Homs – ich bin am Donnerstag dort gewesen und fahre am Samstag wieder hin – läuft überall, mit Ausnahme von drei Stadtvierteln, in denen die Banditen gewaltet haben oder teilweise noch walten – ein absolut normales und friedliches Leben.

An manchen Orten zwingen die bewaffneten Rebellen die Menschen dazu, in den Häusern zu bleiben und ihre Läden nicht zu öffnen. Dann filmen sie das und verbreiten, es handele sich um einen Streik. Tatsächlich können die Menschen, die von ihnen terrorisiert werden, dadurch nichts verdienen, um ihre Familien zu ernähren. Andere wiederum haben dadurch keine Möglichkeit, Lebensmittel und andere notwendige Dinge zu kaufen.

NM: Anhar, was denken Sie, die schreckliche Tragödie in Al-Hula, die darauf folgende simultane Ausweisung syrischer Diplomaten aus den westlichen Ländern – übrigens direkt nach dem NATO-Gipfel in Chicago – scheint es Ihnen nicht, dass das irgendwie zusammenhängt? Gibt es die Meinung, dass all diese Dinge vorab so geplant gewesen sind wir jetzt Zeugen der Umsetzung eines vorab geplanten schrecklichen Szenarios werden?

AK: Ich würde sogar noch etwas hinzufügen: aus meinen Quellen habe ich schon vor mehreren Wochen die Information erhalten, dass die USA doch die strategische Entscheidung getroffen hat, gegen Syrien einen richtigen Krieg zu führen.

Nach einigen Angaben soll das Ende diesen Sommers passieren. Um die geplante Intervention zu rechtfertigen, braucht es einen „Ferdinand“ oder – in unserem Fall – ein Racak (Ort im Kosovo, an dem ein Massaker inszeniert wurde, welches zur formalen Rechtfertigung der Bombardierung Jugoslawiens wurde). Außerdem gibt es unter den bewaffneten Rebellen immer wieder Ankündigungen einer „Stunde X“.

Eine Provokation stand also eigentlich zu erwarten. Nun warten wir auf eine andere „Stunde“, von der die Banditen auch schon längere Zeit reden: die „Stunde Null“. Sie wissen sicher, dass solche abstrakten Bezeichnungen nicht in der Tradition der Araber stehen. Man spürt die Hand von Puppenspielern dahinter regelrecht.

NM: Anhar, nachdem in den westlichen Medien die Informationen über die Tragödie von Al-Hula auftauchten, in denen inzwischen nichts mehr von dem zunächst suggerierten Artilleriebeschuss zu lesen ist, dafür wird jetzt gesagt, dass die Menschen in Al-Hula anscheinend von der regimetreuen alawitischen Organisation „Schabiha“ massakriert wurden – gibt es da nicht den Eindruck, dass der Konflikt das Element eines Glaubenskriegs bekommen soll, dass zur Politik nun noch die Religion kommt? Bisher hat es in Syrien keine religiösen Konflikte gegeben, was denken Sie, ist solches in Zukunft möglich?

AK: Die Menschen hier sind eigentlich überaus verständig und begreifen, wozu man sie aufstacheln will. Vor ungefähr 20 Jahren ist im Libanon ein überaus blutiger Bürgerkrieg zu Ende gegangen, der ja gerade den Anstrich eines Glaubenskriegs hatte. Die Syrer erinnern sich daran, viele von ihnen haben im Libanon gekämpft. Deswegen sträuben sie sich absolut dagegen, dass die Gesellschaft in diesen Abgrund gestürzt werden soll.

Oft kann man christliche Würdenträger auf Begräbnissen und Totenmessen von Moslems sehen, die Opfer der bewaffneten Rebellen geworden sind, und anders herum sieht man oft Scheichs auf Totengedenken oder Begräbnissen von Christen. So sieht das echte Syrien aus. Ein Land, in dem man sich einzig für die Konfession seiner Nächsten interessierte, damit man wusste, zu welchen Feiertagen man ihnen gratuliert.

Was nun Al-Hula angeht, kann ich folgendes sagen. Sie werden praktisch nirgends gelesen haben, dass sich am selben Morgen eine vollkommen analoge Tragödie in einem unweit gelegenen Dorf ereignete. Ganz genau auf dieselbe Weise wurden 49 Menschen im Dorf Schumarija mit dem Messer oder mit Kopfschüssen hingerichtet. Darüber gab es in den westlichen Medien keine Nachricht. Weshalb? Ganz einfach, es war sofort klar, dass alle Opfer hier Alawiten waren.

Diese kann man nicht einmal theoretisch als Rechtfertigung für eine künftige Bombardierung des Landes heranziehen. So selektiv ist eben der „Humanismus“, dem man sich in Syrien gegenübersieht.

Ich habe die Menschen von Schumarija gesehen. Zum Beispiel einen kleinen Jungen mit einer verletzten Hand (durch die Explosion einer Granate hat es ihm die Finger abgerissen). Er hatte sich in dem Dorf sechs Stunden lang vor den Banditen versteckt. Kroch bäuchlings von dort weg, damit man ihn nicht bemerkte. Und erst, als die Armee anrückte (sie kam in Begleitung der UN-Beobachter, wenn ich mich recht entsinne) konnte er seine Angst überwinden und sein Versteck verlassen.

Was für „Regierungsanhänger“ sollen das sein, die Menschen umbringen? Es sind (in Al-Hula) 62 Mitglieder einer Familie ermordet worden, welche als regierungstreu galt. Dazu kommen Mitglieder von zwei anderen Familien, von denen die eine die Familie des Bruders eines herausragenden Abgeordneten im neugewählten syrischen Parlament gewesen ist.

Mit anderen Worten, Regierungstreue bringen andere Regierungstreue um? Das ist natürlich vollkommener Unsinn. Aber irgendwer versucht ständig, die Welt glauben zu machen, dass dieser Unsinn gar nicht so unsinnig ist.

NM: Wie ist das Verhältnis der Bevölkerung zur Armee, gehen die jungen Männer gern zum Wehrdienst? Eine Zeitlang kamen in den Medien praktisch ständig Nachrichten darüber, dass es Unmengen von Deserteuren gäbe, die sich auf die Seite der bewaffneten Opposition schlagen, aber inzwischen ist es dahingehend eher wieder ruhig. Was denken Sie darüber?

AK: Ich denke nicht, dass man über Deserteure überhaupt ernsthaft sprechen kann. Die vordergründige Zielscheibe der bewaffneten sind Leute in Militäruniform. Nur dafür, dass ein Mensch eine solche anzieht, kann er durchaus von einem Scharfschützen erschossen werden.

Würden Sie denn zu jemandem überlaufen, der Sie umbringen könnte? Oder Sie gefangen setzt, um bei den Verwandten Lösegeld für Ihre Befreiung abfordert? Und solange diese Verwandten Geld für Ihre Befreiung zusammenkratzen, Ihnen täglich einen Finger abschneidet und wöchentlich ein Auge aussticht? Sicher nicht.

Sicher, hier gilt die allgemeine Wehrpflicht. Auch die Verwandten der Banditen dienen in der Armee. Unter solchen könnte es theoretisch welche geben, die geflohen sind und nun gegen ihre eigenen Kameraden Krieg führen. Aber wie viele werden das sein? Bestenfalls Einzelfälle.

Auf der Mehrzahl der Videoaufnahmen sieht man entweder Zivilisten in Militäruniform (sie werden oft von Bekannten identifiziert), oder gefangene echte Armeeangehörige, die man unter der Androhung von Folter und eines qualvollen Tods dazu zwingt, von einem Zettel oder dem Monitor eines Notebooks vollkommen legasthenisch verfasste „Schuldbekenntnisse“ zu verlesen, die von anderen geschrieben worden sind.

Da gab es einen Fall, als ein Professor entführt wurde. Und auch ihn zwang man dazu, ein solches „Bekenntnis“ zu verlesen, das ganz offenbar von jemandem verfasst wurde, der die Schule nicht abgeschlossen hat (unter den Banditen gibt es überwiegend solche, die nicht einmal eine mittlere Schuldbildung genossen haben).

Was glauben Sie, hat man dieser Selbst-Denunziation Glauben geschenkt? Ich kann mich auch an einen Piloten von der Luftwaffe erinnern, auch er verlas einen Text, dass er die brutale und blutrünstige Armee verlassen habe. Der Junge hatte dabei gefesselte Hände, und hinter ihm stand eine ganze Bande bis an die Zähne bewaffneter Halsabschneider.

Ich habe sehr viele Freunde und Bekannte in Syrien. In einer Familie ist einer umgekommen, ein anderer wurde entführt. Beides Militärangehörige. Vom zweiten gibt es seit November keine Nachricht, nur einer, den man von den Banditen freigekauft hatte, berichtete, dass er ihn anscheinend gesehen hat und dass er noch lebte.

Was jetzt mit ihm ist, ist nicht bekannt. Es wurde kein Lösegeld verlangt. Es werden aber ständig entführte Menschen umgebracht, um noch eine „Barbarei der Armee“ zu inszenieren. Übrigens, vor ein paar Tagen wurde noch ein junger Mann aus dieser Familie entführt. Er ist 30 Jahre alt und ein Immobilienmakler. Natürlich haben sie sich sofort das Auto angeeignet, mit dem er unterwegs war. Jetzt verlangen sie für ihn eine gigantische Summe Lösegeld. Unlängst wurde ein Verwandter meines besten Freundes umgebracht. Auch lediglich dafür, dass er eine Militäruniform trug.

NM: Anhar, in den letzten Tagen ist die Lage sehr gespannt, es gibt viel Gerede über eine ausländische Militärintervention; gibt es im Zusammenhang damit Panik inmitten der Bevölkerung?

AK: Nein. An Panik denkt hier niemand. Ganz im Gegenteil – es gibt die Entschlossenheit, selbst die eigenen Häuser zu verteidigen, wenn das sein muss. Ich denke, so wird es im Ernstfall auch kommen – 2006 haben die Bewohner des Südlibanon ziemlich mutig gegen die ihnen technisch weit überlegenen Israelis gekämpft. Ja, es gab etwa 1.000 Opfer durch die Bombardements, Unmengen von Verletzten, eine schlimm zugerichtete Infrastruktur im Land. Aber aufgeben? Niemals.

NM: Anhar, als ich die Fragen vorbereitet habe, habe ich mich in der Redaktion umgehört, was die Menschen gern aus erster Hand über Syrien wissen wollen. Interessant ist, was man in Syrien über die Gründe des Konflikts denkt, denn bis zu einem bestimmten Moment war Syrien ja nicht gerade ein „Newsmaker“ in den westlichen Medien, und jetzt ist es, als sei da ein Damm gebrochen, alle interessieren sich dafür, was in Syrien passiert. Was spricht man darüber in der Bevölkerung, womit hat all das begonnen?

AK: Es gibt viele Gründe, ein ganzes Bouquet. Die Vorbereitungen laufen aber schon mehr als 10 Jahre. Man braucht dazu bloß einmal das Buch „Szenarien künftiger Interventionen der USA“ zu lesen (2009 in Russland erschienen, gibt es im Internet). Obwohl sich in den 10 Jahren, die seit dem Verfassen dieses Texts vergangen sind, vieles an der Situation geändert hat, sind die grundlegenden Fragen und Methoden gleich geblieben.

Ein starker und unabhängiger Staat, der seine eigene Politik verfolgt, ist jemandem einfach ein Dorn im Auge. Was gebraucht wird sind Vasallen, die keine eigene Wirtschaft und kein Stimmrecht haben.

Die Vereinigten Staaten und die Länder des Westens zielen darauf ab, die nationale Unabhängigkeitsbewegung in der Region zu zerschlagen und den Iran, Russland und China zu schwächen, indem sie diese eines Verbündeten in der Region berauben.

Auch Israel stört die nationale Unabhängigkeitsbewegung in der Region und es will das Land schwächen, dessen Territorium es zum Teil okkupiert hat. Solange Syrien seine eigenen, ungelösten inneren oder äußeren Probleme hat, hat es keine starke Position oder schlicht keine Zeit für Forderungen über die Rückgabe der besetzten Golan-Höhen. Außerdem, solange die Nachrichten voll von den meist zu 99% gelogenen Nachrichten aus Syrien sind, bleibt kein Raum mehr für Meldungen über Bombardierungen des Gaza-Streifens, über die Annexion von Ländern am Westufer des Jordan und so weiter.

Katar ist daran interessiert, einen potentiellen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen – in Syrien wurde unlängst ein großes Erdgasvorkommen entdeckt. Es geht auch darum, eine Pipeline über syrisches Territorium zu bauen, die Erdgas aus dem Katar leiten soll, auch ist ein kleiner Krieg in der Region eine nette Möglichkeit, die Preise dafür anzuschrauben. Man sagt, dass sich das katarische Gas nicht allzu gut verkauft – in Europa werden die Märkte von Gazprom dominiert, dabei ist die ganze Erdgaswirtschaft des Katar und deren Infrastruktur auf Pump finanziert worden, die das ansonsten eben nicht allzu reiche Land jetzt durch die ständigen zermürbenden Rückzahlungen an den Rand der Möglichkeiten bringen.

Saudi-Arabien gefällt schon allein das syrische Gesellschaftssystem nicht, in dem es möglich ist, dass die Ehefrau des Präsidenten kurzärmelige T-Shirts und nur knielange Röcke trägt, aber es gibt von Seiten Saudi-Arabiens noch eine ganze Reihe weiterer Gründe, weshalb sie so viel Ressourcen aufwenden, um Syrien zu zerstören.

Jordanien ist primär daran interessiert, dass es selbst nicht unter die Räder gerät, außerdem gibt es da noch den Leckerbissen in Form der Provinz Hidschas (die seinerzeit zum Königreich der Haschemiten gehörte). Die Amerikaner haben ja de facto versprochen, Jordanien diesen Landstrich zukommen zu lassen, wenigstens nach der berühmten Karte des „Neuen Nahen Ostens“, die zeigt, auf welche Weise die USA die Grenzen der Region umzuformatieren gedenken.

Die Türkei wird meiner Ansicht nach schlicht und einfach erpresst: wenn ihr es ablehnt, Syrien kaputtzumachen, schauen wir mal, ob nicht das türkische Kurdistan plötzlich aktiv wird.

NM: Gibt es in der Bevölkerung dann überhaupt noch irgendeinen Respekt vor dem Westen? Wie ist das Verhältnis zu Amerika, wie steht man zum Eingriff in die Angelegenheiten Syriens?

AK: Im vorigen Sommen hat eine Gruppe von Enthusiasten eine syrische Fahne an der Botschaft der USA gehisst. Am Zaun schrieben sie: „Amerika, verp… dich!“. Ich denke, das beantwortet Ihre Frage.

NM: Anhar, gibt es aus Ihrer Sicht etwas, das das Land versöhnen kann, gibt es Hoffnung, dass die Situation friedlich geklärt wird?

AK: Sobald man damit aufhört, die bewaffneten Banditen zu finanzieren und sie mit Waffen zu versorgen, wird die Armee recht schnell mit ihnen fertig werden. Die „normalen“, friedlichen Syrer haben nichts, worüber sie sich streiten müßten.

NM: Anhar, weshalb verfolgt Syrien keine aktive Informationspolitik, um seine Positionen irgendwie zu stützen? Mitunter gewinnt man den Eindruck, dass ihr einfach von einer Dampfwalze zerdrückt werdet, von euch dagegen kommt kaum Information durch. Die Internetseite von SANA ist nicht allzu aktiv. Soweit ich weiß, sind die Syrer ein überaus gebildetes und kultiviertes Volk, aber warum sieht man sie nicht im Internet, in der Informationssphäre?

AK: Wir stellen uns selbst jeden Tag diese Frage, auf verschiedenen Ebenen. Dass, was passiert, passiert vorwiegend durch die Mühen und die Kosten von Enthusiasten. Es gibt bei uns nicht einmal die Möglichkeit, aus offiziellen Quellen ständig Informationen über Terroranschläge, Überfälle und so weiter zu erhalten. Wir erfahren es eher von Bekannten und Freunden: über Facebook, per Telefon.

Es gibt kein irgendwie geartetes Briefing des Innenministeriums, es gibt im Innenministerium keinen Presseattaché, der wenigstens einmal die Woche eine Übersicht darüber geben würde, was und wo passiert ist. Dabei gibt es vieles zu berichten: den offiziellen Informationen nach sind in den 40 Tagen, an denen nun die „Waffenruhe“ gilt, von den bewaffneten Banden insgesamt 4.000 Verbrechen verübt worden: Brandstiftungen, Sprengungen, Entführungen, Mord…

NM: Anhar, herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen, wir wünschen Ihnen und dem syrischen Volk Frieden!