Zum Massaker von Al-Hula gibt es mehr Fragen als Antworten, dabei stehen die Schuldigen für die Westmächte von vornherein fest. Auf die Frage „Cui bono?“ könnte dabei der Moskaubesuch von William Hague eine mögliche Antwort liefern.

Selbst nach der Stellungnahme der UN (General Mood legt sich übrigens nicht fest, auf wessen Gewissen die Toten gehen) gibt es zu der Geschichte in Al-Hula mehr Fragen als Klarheit. Abgesehen vom besonders bei diesem Zwischenfall wichtigen „Cui bono?“ sind das noch ein paar weitere interessante Dinge.

  1. Die Journalistin Anhar Kotschnewa schreibt aus Damaskus, sie habe lange eine detaillierte Karte der Provinz Homs studiert und darauf keinen Ort namens „Al-Hula“ (oder „El-Houleh“, so bei der UNO) gefunden. Sie kennt sich dort aus, hat auch selbst bereits aus Homs berichtet. Google Maps ist in Syrien nicht zu erreichen, wo es dieses „Houla“ tatsächlich gibt. Das ist aber nur die lateinische Version des Ortsnamens, denn auf Arabisch liest sich der Ort, an dem dort das lateinische „Houla“ steht, etwa wie „Kafr Laha“. Ein Dorf namens „Houla“ (so auch auf Arabisch) gibt es im Südlibanon. Google ist unlängst dadurch aufgefallen, dass es die Bezeichnung „Persischer Golf“ aus Google Maps gestrichen hat. Bereits im Februar hatte sich Google bezüglich geographischer Bezeichnungen gerade in Syrien als Kollaborateur der bewaffneten Banden entpuppt: selbst Straßennamen in Damaskus wurden dort auf Betreiben des SNC geändert. Als brauchbare Quelle in diesem Konflikt ist „Google Maps“ also zumindest zu hinterfragen. Oder anders: wo liegt dieses Hula?

Zu den Kartenausschnitten: links ein Screenshot von der Seite „tiptopglobe.com“, die auf Basis desselben Google Maps arbeitet. Vielleicht sind dort ältere Daten gecached, auf jeden Fall ist dort der lateinische geschriebene Name „Kafr Laha“ deutlich zu lesen. Rechts ein aktueller Screenshot von Google Maps, und dort steht „Houla“. Eigenartig. Auf jeden Fall gibt es ausgerechnet hier Unregelmäßigkeiten.

  1. Selbst eine solch offenbar nicht syrienfreundliche Quelle wie BBC begleitet die Nachrichten aus Al-Hula mit dem für die tendentielle Berichterstattung aus Syrien üblichen Feigenblatt “International media cannot report freely in Syria and it is impossible to verify reports of violence.“ Das betrifft die Darstellung der Rebellen, Artilleriefeuer und gezielte Exekutionen durch die syrische Armee seien Ursache des Todes von mehr als 90 Menschen, darunter 32 Kindern, in Al-Hula. Trotz alledem haben natürlich verschiedene westliche Politiker die Schuld für das Massaker sofort der syrischen Regierung zugewiesen.

Aus Stalins Zeiten ist folgender Dialog aus dem Politbüro überliefert. Stalin meinte bezüglich eines „Staatsfeinds“: „Festnehmen, verurteilen und hinrichten!“ – Darauf Berija: „Vielleicht sollten wir eine Untersuchung der Sache durchführen?“ – „Sicher, Genosse Berija. Untersuchen Sie die Sache, und lassen Sie ihn dann unverzüglich hinrichten!“.

Die Authentizität dieses Dialogs ist ungewiss, aber genau so läuft die Sache mit dem Massaker von Al-Hula. Es ist nicht nachzuvollziehen, wer die Schuld dafür trägt, aber der Schuldige steht bereits von vornherein fest. 

Das Massaker in dem Dorf (oder Städtchen) ist an sich schon ein außerordentliches Ereignis, kann aber zur Ursache von noch viel schlimmeren Dingen werden. Die Zeichen stehen momentan so, dass hierfür Vergeltungsmaßnahmen oder auch eine Aggression gegen Syrien droht. In der allernächsten Zeit – sicherlich innerhalb der nächsten Woche – wird es eine Reaktion auf diesen Massenmord geben. Danach ist die Sache nicht mehr aktuell, insofern muss die Sache schnellstmöglich maximal ausgeschlachtet werden.

  1. William Hague, der britische Außenminister, fliegt nach Moskau, um die Situation in Syrien zu besprechen. Der Anlass der Reise ist (auch) Al-Hula. Die Spontaneität, mit der hier Ursache und Wirkung aufeinander folgen, ruft doch ein gewisses höfliches Interesse hervor. Erst gestern wurden die Statements der UN-Beobachter publik, die an sich noch eine Menge an Fragen aufwerfen, und siehe da – Hague fliegt schon nach Moskau.

    Guten Appetit, William Hague!Warum der britische Minister das mit Moskau bespricht und nicht die „verrückte Clinton“, ist eigentlich auch klar. Spätestens seit der Sache mit Litwinenko sind die britisch-russischen Beziehungen ziemlich angespannt. Ob die russische Tscheka den undurchsichtigen Kerl in London wirklich mit exotischen Tees vergiftet hat oder nicht, kann man nicht genau feststellen, auf jeden Fall sind die Beziehungen der beiden Länder schlecht. Da London aber innerhalb der russischen Elite und Anti-Elite ein besonderes, fast sakrales Land ist, so hat Großbritannien hier seine Chancen. Das Thema ist auch klar: ihr überlasst uns Syrien, und wir machen die Beziehungen wieder gut.

Zufälligerweise schreibt auch ausgerechnet jetzt Chodorkowski an Cameron und bittet diesen, rund 300 russischen Regierungsbeamten ein Einreiseverbot nach Großbritannien auszusprechen. Hier ist etwas im Busch.

Alles in allem, das klassische Szenario: ein Handel, Zuckerbrot und Peitsche. Dabei ist der Handel für Russland natürlich unvorteilhaft, denn Syrien aufzugeben wäre unwiderruflich. Die Beziehungen der Briten sind so eine Sache. Man kennt das aus früheren Zeiten: die Russen haben sich in den Ersten Weltkrieg hereinziehen lassen, ohne irgendein Interesse daran zu haben, und mussten es mit dem Zerfall des eigenen Landes bezahlen. Es gibt also bereits solche Erfahrungen.

Die Sache ist eben, dass das Interesse der russischen Elite nicht unbedingt die Interessen Russlands widerspiegelt. Das Einreiseverbot kann also durchaus ein ziemlich schmerzhaftes Manöver gegenüber manch mächtigem Russen darstellen: Kinder und Ehefrauen, Geliebte und Liebhaber der Geliebten usw. usf. sind dort. Immobilienbesitz in London ist für die russische Elite eine Frage von Prestige. Das wissen die Briten. Genau deshalb kommen sie auch – gut, dass die untergebenen Banditen in Syrien gerade einen Anlass liefern.

Also vonwegen die Armee in Al-Hula. In dieser ganzen Konstellation kann es durchaus sein, dass die Armee überhaupt nicht in der Nähe war, aber das begleitende Druckmittel für die heutige Reise eines solchen Bosses nach Moskau konnte man ja nicht so einfach dem Zufall überlassen.