Tanz den Chodorkowski, Runde 3

13.12.2013, 01:31 apxwn Blog russland

Bei der Arbeit. Foto: RIA Novosti

Wladimir Putin scheint seine insgesamt 18 Jahre Amtszeit dazu zu nutzen, sich am Ufer eines Flusses niederzulassen und dabei die Leichen der vorübertreibenden Oligarchen zu zählen. Die folgende Meldung wird interessant, falls wir in naher Zukunft einmal wieder Buzzwords wie “Kreml-Kritiker” und dergleichen hören und lesen müssen. Interfax hat da etwas verlauten lassen, das den Anschein erweckt, als wolle man Chodorkowski einen dritten Prozess machen:

Berichte: Im Zuge des neuen Chodorkowski-Prozesses werden Fachleute geprüft, die das Gutachten zur “Akte Yukos” erstellt haben

Moskau, 11. Dezember. INTERFAX.RU – Im Zuge des sogenannten dritten Chodorkowski-Prozesses werden rund 15 Fachleute durchleuchtet, die ein unabhängiges Fachgutachten zum Urteil im “zweiten Chodorkowski-Prozess” erstellt haben – das erfuhr “Interfax” aus Quellen, die im Bilde über den Stand der Dinge sind.

“Es handelt sich dabei um Juristen, Rechtswissenschaftler, Anwälte und Wirtschaftsexperten, die an einem gemeinschaftlichen Gutachten zum “zweiten Chodorkowski-Prozess” beteiligt waren”, teilte der Gesprächspartner der Agentur mit.

In ihren Wohnungen seien Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchgeführt worden, darunter auch von Finanzdokumenten.

“Die Durchsuchungen brachten Dokumente ans Licht, die davon zeugen, dass die Arbeit dieser Fachleute aus veruntreuten Geldern finanziert worden ist, die durch ehemalige YUKOS-Führungskräfte im Ausland legalisiert wurden”, sagt die Quelle.

Zur Erinnerung: im Rahmen des neuen Strafprozesses, der aus dem YUKOS-Gesamtprozess herausgenommen wurde, geht es um Geldwäsche im Ausland im Umfang von mehr als 10 Milliarden US-Dollar, die vom ehemaligen YUKOS-Chef Michail Chodorkowski und anderen Personen veruntreut wurden.

Nach Meinung der Ermittler wurde ein Teil der veruntreuten Gelder zur Finanzierung von Veränderungsversuchen der Gesetzgebung der Russischen Föderation verwandt, die diese “liberaler” gestalten sollten.

Dabei sind die angesprochenen 10 Milliarden Dollar sicher nur die Spitze des Eisbergs in der Sache, die man sich zum Ende der Haftzeit Chodorkowskis zurechtlegt. Ginge es hier nur um Geldwäsche, so wäre die Sache entweder schon verjährt oder würde demnächst verjährt sein. Doch es sieht um einiges schwerwiegender aus.

Noch einmal ein Zitat von Interfax: “Nach Meinung der Ermittler wurde ein Teil der veruntreuten Gelder zur Finanzierung von Veränderungsversuchen der Gesetzgebung der Russischen Föderation verwandt, die diese “liberaler” gestalten sollten.”

Dass Chodorkowski gegen Ende seines Lebens in Freiheit de facto eine Machtübernahme im russischen Staat plante, wurde eigentlich nie sonderlich verheimlicht – weder damals, noch heute. Die dahinter stehenden Gedanken leuchten auch ein – die Duma ändert die Verfassung dahingehend, dass Russland zu einer parlamentarischen Republik wird und eine neue Regierung zusammentritt, die alle erdenklichen Kompetenzen hat, wonach Putin hätte in eine beliebige seiner Residenzen fahren und den Rest seines Lebens mit Angeln und Bären pflücken verbringen können. Eben, wie wir Bundesdeutschen das kennen. All das wurde mit offenen Karten gespielt – kurz vor seiner Verhaftung hat Chodorkowski das politische Programm seiner Homemade-Partei veröffentlicht, die er in die Duma zu bringen gedachte. Es wurden damals sogar geplante Prozentanteile bei kommenden Wahlen genannt – das Erreichen des geplanten Wahlergebnisses hätte Chodorkowski ohne mit der Wimper zu zucken auch bezahlen können.

YUKOS hat zur damaligen Zeit auch dutzendweise (bis zu 100) schon in der Duma sitzende Abgeordnete aufgekauft; das machten damals ohnehin alle, die sich das leisten konnten, so dass das eigentlich nichts außergewöhnliches ist. Eine Mehrheit in der Duma hätte Chodorkowski damit bekommen können – dessen zeigte er sich immer sicher.

Chodorkowski war dabei einzig und allein aus einem Grunde politisch aktiv – er rechnete damit, das erste russische Vollwert-Mitglied im westlichen Milliardärsclub zu werden und genau diesen Status zu halten, wonach seine russischen Kollegen nur die Rester abbekommen würden. Das war der Grund, warum er das YUKOS-Management nach westlichen Standards umstrukturierte; die Käufer eines Drittels der russischen Erdölindustrie mussten ja in ihnen verständlichen Formen erkennen können, was genau sie da kaufen, und aus ebendiesem Grunde verkündete Chodorkowski damals, Russland müsse seine Atomwaffen loswerden; er brauchte die politische Macht letzlich nur dazu, seine eigenen Ambitionen zu verwirklichen.

Putin kämpfte dabei nicht nur um seine eigene politische Macht, in gewisser Weise war er auch im Auftrage Europas gegen Chodorkowski aktiv, in erster Linie auch im Interesse Deutschlands – hier war man nicht allzu erbaut von der Aussicht, dass die letzte von den USA unabhängige Erdöl- und in der Perspektive auch Erdgasquelle der Welt nun auch unter deren Fittiche kommen sollte. Das war wohl auch der Hintergrund dafür, dass Europa die Verhaftung und Verurteilung Chodorkowskis noch relativ verhalten kommentiert hat, im Gegensatz zu den Amerikanern, denen damit das Instrument für eine endgültige Beilegung des “russischen Problems” aus der Hand fiel. Wahrscheinlich hat Putin dadurch Glück gehabt, dass die Amerikaner zur damaligen Zeit schön im Irak und Afghanistan versumpft waren und ihrem Unmut nicht mit etwas Gewichtigem Ausdruck verleihen konnten.

Wie dem auch sei, wenn es der Wunsch der Ermittler ist, so wird es kein Problem für sie sein, die Bestechung von politischen Figuren zum Ziel des Sturzes der verfassungsmäßigen Ordnung nachzuweisen. Das wäre dann insgesamt nun aber schon keine Wirtschaftskriminalität, sondern ein schweres Staatsdelikt, das nicht verjährt. Freilich würde Chodorkowski dann auch offiziell zu einem politischen Gefangenen, aber das hat eigentlich von Anfang an niemand allzu vehement abgestritten.

Es geht also nicht so sehr um Putins persönliche Abneigung gegen Chodorkowski. Der inhaftierte Ex-Oligarch soll für all seine Kollegen Mahnung sein, falls sie es riskieren wollen, außerhalb der gegebenen Rahmen politisch tätig zu werden. Insofern eine vollkommen logische Herangehensweise; die Gier der russischen Magnaten kennt kaum Grenzen, sie würden bei der ersten sich bietenden Gelegenheit auf die eine oder andere Weise Chodorkowskis Versuch wiederholen. (Und während Chodorkowski eine Mahnung für die Oligarchen ist, so ist Gaddafi eine für Putin – so funktioniert dann wohl die gegenseitige Kontrolle.)

Es ist eine andere Frage, dass solche Rahmen nur von einer starken Staatsmacht definiert und kontrolliert werden können. Mit anderen Worten, jede Schwäche und jede politische Krise hätte sofort eine Revolte der Oligarchen und Verrat ihrerseits zur Folge, eine Situation, wie sie derzeit in der Ukraine aktuell ist.