Die Amerikaner klappen ihre Luftwaffenbasis am Flughafen Manas nahe Bischkek in Kirgisien zu und schaffen sie nach Rumänien. Das ist nichts, was einen erstaunen müsste: die Kirgisen haben noch 2009 verlauten lassen, dass sie die freundschaftliche US-amerikanische Präsenz gern beenden würden. Sie sind nicht nur durch die bekannten Zwischenfälle, sondern auch durch richtige Argumente motiviert, sich so zu verhalten.

Es ist das natürlich keine Flucht; der schrittweise Abzug wird bis Juli 2014 abgewickelt. Noch 2009 bekamen die Amerikaner einen Umbruch im politischen Willen der Kirgisen hin, der jetzige Abzug paßt aber gut zur Logik der neueren US-Militärdoktrin. Die USA ziehen sich aus Afghanistan zurück, weswegen der Hub in Kirgisien nicht mehr besonders sinnvoll ist. Aus Afghanisten “zurückziehen” ist hier natürlich ein sehr dehnbarer Begriff; die USA ziehen sich niemals und nirgendwoher wirklich zurück. Selbst nach dem Abzug werden in Afghanistan US-Militärs verbleiben; die Frage ist bislang lediglich nach der Stärke und der Rolle des Kontingents. Es gab auch schon Nachrichten darüber, dass die Amerikaner in Afghanistan eine Drohnenbasis etablieren bzw. offiziell “Drohnen an die Afghanen übergeben” wollen, womit sie immer schön auf Tuchfühlung bleiben. Nur eine solche Basis mit Aktionsradius von 700 Kilometern ist auch nicht eben zu verachten, und komme, was wolle, an solchen Vorposten werden die USA bis zuletzt festhalten.

Der Abzug der USA aus Afghanistan wird von vornherein mit der unvermeidlichen Rückkehr der Taliban in Verbindung gebracht. Es ist natürlich nicht so einfach. Die Taliban sind eine ernstzunehmende, militärisch wirksame Gruppierung mit exakt umrissenen politischen Zielen. Allerdings wird ihre Stärke üblicherweise übertrieben dargestellt. Sie haben um die 30.000 Mann unter Waffen, was schon eine recht gewagte Schätzung ist, aber einmal angenommen, es ist so. Karzai hat eine 300.000 Mann starke Armee. Das Verhältnis von 1:10 bedeutet durch die Motivation und Kampferfahrung der Taliban nichtsdestotrotz ein Gleichgewicht. Schon aus diesem Grunde wird Mullah Omar nicht einfach der nächste Präsident Afghanistans. Es geht hier eher um einen langjährigen, sich hinziehenden und komplizierten Kampf zwischen einzelnen Gruppierungen, der weniger auf dem Schlachtfeld Taliban vs. Karzai, sondern eher zwischen den afghanischen Stämmen ausgefochten werden dürfte. Keiner von ihnen ist von Karzai begeistert, aber auch Mullah Omar ist nicht eben ein Geschenk des Himmels. Der Handel wird also ernsthaft, gründlich und ohne Hast durchgeführt werden.

Selbst, wenn die Taliban es schaffen, Karzai zu verdrängen und damit das Szenario nach dem Sturz Nadschibullāhs wiederholen, können sie lediglich auf Zentral- und Südafghanistan hoffen, mitsamt den unvermeidlichen ethnischen und tribalen Säuberungen, die den Prozess der Festigung ihrer Macht wiederum in die Länge ziehen. Der Norden und Nordosten Afghanistans werden traditionell Widerstand gegen die neuen Herren im Lande leisten.

Für die Amerikaner wäre eine solche Lage höchst komfortabel. Ein oder zwei Punkte auf der Landkarte vor den ortsansässigen Wilden zu verteidigen stellt keinerlei Probleme dar, und die Lufthoheit gibt ihnen die Möglichkeit, die Machtkämpfe in all ihren Nuancen endlos lange nach Gusto zu beeinflussen. Drohnen operieren immer in Zusammenarbeit mit Agenten am Boden, und damit ist bei der CIA, wie es aussieht, alles in Ordnung. Der Rückzug aus Afghanistan hinterläßt ein paar Hundert oder mehr Agenten, die im Interesse der CIA für die Drohnen aktiv sein werden.

Es gibt also keinen Grund, Manas hinterherzutrauern, weshalb man die Basis auch vorzeitig – Mitte statt Ende 2014 – aufgibt. Die USA haben kein Interesse mehr an ihr, und deswegen gehen sie eben dort weg.