Man weiß bereits, dass man mit dem Schlimmsten rechnen muss, wenn Anders Fogh Rasmussen damit droht, die NATO habe keine Angriffspläne gegen ein x-beliebiges Land. Die Information in diesen seinen Äußerungen liegt primär darin, dass eine auswärtige Gewaltoption überhaupt zur Sprache gebracht wird, nicht darin, dass er oder die NATO sie angeblich ablehnen oder “nicht planen”. So kommt’s, dass er neben McCain und Angelina Jolie im Empfinden von nicht gerade vergesslichen Menschen inzwischen gut und gern das Image eines apokalyptischen Reiters hat.

Gestern griff er nun wieder zur Posaune:

“Das ukrainische Militär genießt hohes Ansehen und muss neutral bleiben.” Das sieht so aus, als habe der NATO-Generalsekretär die Stimmung in der ukrainischen Armeeführung ganz gut begriffen, welche gefordert hat, dass Janukowitsch endlich Befehl gibt, für Ordnung im Land zu sorgen. Dabei handelt es sich nach Rasmussen um eine “Verletzung der Neutralität”, wovor er sie warnt. Er bringt damit aber primär die Armee ins Spiel. Ein denkbarer Ansatz für eine später rhetorisch zu legitimierende “Bewaffnung der Opposition”.

Dass die Armee überhaupt kein politisches Subjekt ist, scheint dem Generalsekretär einer Militärallianz vollkommen unbekannt zu sein. Er scheint auch Begriffe wie “Befehl”, “Pflicht” oder “Ehre” im Kontext eines jeden Militärs nicht zu kennen.

Die Armee führt Befehle aus, die sie vom Oberbefehlshaber empfängt. Rasmussens Logik nach hätte beispielsweise die russische Armee nicht in Tschetschenien operieren dürfen, die syrische Armee hätte in ihren Kasernen verbleiben und ihre “Neutralität” bei der “Beilegung der politischen Krise” demonstrieren müssen.

Bei allem Wahnwitz dieser Wortmeldung liegt die Forderung des NATO-Chefs durchaus im Rahmen dessen, wie heutzutage Kriege geführt werden – und zwar in erster Linie im mentalen und medialen Raum. Es ist viel billiger, die Armee eines Gegners zu demoralisieren, als sie auf irgendwelchen Schlachtfeldern besiegen zu müssen. Also bringt man die Idee einer Unmöglichkeit des Einsatzes der Armee im “Kampf gegen das eigene Volk” hervor – auf Grundlage dessen man von Armeeangehörigen verlangt, ihren Eid zu brechen, Pflicht und Ehrgefühl zu vergessen.

Im Endeffekt erklärt man den Vandalismus von (im ganzen Land) ein paar Hundert Banditen zu einer “politischen Krise”, während der Armee eindringlich empfohlen wird, dazu ihre “Neutralität” zu wahren.

Wie genau man im Weigerungsfalle Armeeleute unter Druck setzen kann, ist seit Jugoslawien auch bekannt – man legt ihnen einfach “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” zur Last. Mit genau der gleichen verdrehten Logik – jeden bewaffneten Banditen kann man einfach auf der Grundlage zum Zivilisten erklären, dass er kein Militärangehöriger ist. Außerdem gibt es noch die Al-Hula-Option. Methoden gibt es viele, das Ziel ist eines: der Staat muss seiner Mittel und Möglichkeiten beraubt werden, sich gegen eine Aggression zur Wehr zu setzen. Und in der Ukraine ist eine Aggression im Gange – in einer dem Frühstadium des “syrischen Szenarios” recht identischen Phase.

Nebenbei wird das (nicht nur durch die BILD) prominente Opfer des Blutigenregimes, Dmitrij Bulatow, mit seinem wieder angewachsenen Ohr und den geheilten Stigmata (“Sie haben mich gekreuzigt!”) zur “Behandlung” nach Deutschland kommen. In diesem Leidenspanoptikum gibt es ganz ähnliche neue Aufnahmen von Mihailo Gavriljuk, dem Helden, der vom Berkut in der Kälte nackt ausgezogen wurde, nachdem er sich mit Benzin übergossen hatte:

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