“Ökonomische Zweckhaftigkeit.” Und damit genug der Vorrede.

In der vergangenen Woche verlautete aus dem Iran, dass die Arbeiten an der Erdgasleitung nach Syrien fortgesetzt werden. Diese Nachricht ist es wert, dieses Thema etwas genauer zu beleuchten.

Die Arbeiten an dieser Erdgasleitung begannen im Sommer des vorigen Jahres, wurden aber aufgrund der Unruhen in Syrien eingestellt. Die Pipeline sollte eine Gesamtlänge von 1.500 Kilometern haben und iranisches Erdgas nach Damaskus befördern. Manche sind der Meinung, dass dieses Projekt sowie auch die “Arabische Erdgas-Pipeline” aus Ägypten nach Syrien die Ursachen für den gegen Syrien entfesselten Terror waren.

Wen störten denn diese Pipelines? In Wahrheit stören sie niemanden. Sie werden in jedem Fall gebaut, die Frage ist nur, wer an diesen Projekten beteiligt sein wird.

Einer der Leitgedanken ist es gewesen, dass das über Syrien gelieferte Erdgas weiter über das Mittelmeer in Richtung Europa geliefert werden soll. Das macht die syrische Regierung zu einer äußerst wichtigen Instanz in diesem Schema, da genau sie es sein wird, welche die Hand am Ventil hat. Baschar al-Assad ist aus einer Vielzahl von Gründen nicht der von den arabischen und westlichen Staaten bevorzugte Kandidtat für diese Position. Deshalb wird von ihnen auch versucht, ihn durch eine kontrollierbare Regierung zu ersetzen.

Eine andere Variante des Projekts sieht es vor, das Erdgas aus Syrien nicht über den Seeweg, sondern über das Festland – also die Türkei – nach Europa zu liefern. Ankara besteht natürlich auf dieser Variante, denn dabei würde die Türkei am Gashahn Platz nehmen können. In gewisser Weise erklärt das auch die irrationale Aggressivität der türkischen Regierung gegen den südlichen Nachbarn. Das Angebot lautete wohl: unterstützt ihr den Sturz Assads, bekommt ihr ein Stück vom Kuchen; wenn nicht, geht ihr leer aus.

Aber das sind allseits bekannte Tatsachen. Interessanter ist die Frage, aus welchem Grund der Iran sich jetzt dazu entschlossen hat, den Bau der Pipeline wieder aufzunehmen. Die Situation ist in Syrien ja derzeit noch um ein Vielfaches schwieriger als noch vor einem Jahr. Der Iran scheint das zu ignorieren und ungeachtet dessen, dass der iranische Erdgasexport erschwert ist, setzt man in dem Land die Bohrungen aktiv fort. Allein in den vergangenen 8 Monaten wurden 124 Ölbohrungen unternommen, ebenso gab es die ersten Probebohrungen in den Phasen 22 bis 24 des gigantischen Erdgasvorkommens South Pars. Wohin sollen denn diese Milliarden Barrel fließen?

Eine der Versionen lautet, dass es im Iran Grund zu der Annahme gibt, dass sich Assad an der Macht halten wird. Demzufolge soll Obama nach der Bildung seines neuen Kabinetts den Kurs der US-Nahostpolitik merklich ändern und in Syrien nun auf den in der Feuertaufe bewährten Assad setzen.

Diese Version hätte eine gewisse Berechtigung. Die USA benötigen Einfluss auf die Figur, welche die Finger am Gasventil hat, um auf diese Weise einerseits Europa als Abnehmer und andererseits die Förderländer mittelbar im Griff zu haben. Angeblich soll Obama nichts gegen Assad persönlich haben und wäre deshalb bereit, sich auch mit ihm anzufreunden. Dass eine Einigung nicht in der Zeit vor dem Konflikt möglich war, erklärt sich aus bestimmten Interessensgruppen in den USA. Nach der Wiederwahl Obamas achten nicht mehr allzu viele darauf, dass die widrigen Interessensgruppen jetzt beschnitten zu werden scheinen.

Mithilfe von Geheimdiensten wurde der CIA-Direktor Petraeus sowie einige Befürworter des Syrienkriegs entfernt. Kurz vor dem Abdanken sind auch weitere Schlüsselfiguren im US-amerikanischen Militär, beispielsweise der Befehlshaber des US-European Command, Admiral James Stavridis, General John Allen, der ehemalige AFRICOM-Chef General William Wurd, dessen Nachfolger, General Carter Ham, und eine Reihe weiterer einflussreicher Leute.

Auf welche Weise betrifft das Russland?

Lieber handeln, als Krieg führen

Russland ist an Europa als Hauptabnehmer für seine Ressourcen interessiert. Die größten russischen Projekte der vergangenen Zeit haben mit der Förderung und dem Transport von Erdöl und Erdgas zu tun. Gleichzeitig ist Europa bestrebt, das russische Monopol auf Erdgas loszuwerden. Mitunter sogar zum eigenen Schaden.

Putin:

Ich verstehe eigentlich gar nicht, wie ihr heizen wollt. Gas wollt ihr nicht, Atomenergie entwickelt ihr nicht – was denn, wollt ihr mit Holz feuern? … Holz vor der Hütte muss man auch erst einmal haben.

Aus diesem Grund sind für Russland eigentlich alle Pipelineprojekte über den Nahen Osten direkte Konkurrenz. Dessen ungeachtet versucht sich Russland allerdings nicht beim Sturz mißliebiger Regierungen und provoziert keine Bruderkriege in der Region. Der konsequente diplomatische Schutz Syriens ist auch eine Facette der Erdgaspolitik. Auch Russland strebt es an, “seine” Leute am Gasventil zu haben.

Überhaupt scheint die ökonomische Zweckhaftigkeit an allen Ecken und Enden des Nahost-Konflikts durch.

Am 3. Dezember fliegt Putin in die Türkei, um dort an der dritten Tagung des russisch-türkischen Kooperationsrates auf höchster Ebene teilzunehmen. Wie ihr euch erinnern werdet, ist seine Visite noch für Oktober geplant gewesen, wurde aber plötzlich verlegt, wie es schien, als Reaktion auf den Skandal mit dem Aufhalten des Linienflugs Moskau – Damaskus, auf dem Teile russischer Radartechnik nach Syrien transportiert worden sind. Der Streit darum ist auch noch nicht beigelegt: die Türkei hat die Fracht nicht herausgegeben und auch nicht ihren nichtmilitärischen Charakter zugegeben, wie das von russischer Seite gefordert worden war. Viele glauben, dass Putin genau das jetzt bei seinem Treffen mit Erdogan erreichen wird, doch da werden sie enttäuscht werden – diese Frage steht nicht einmal auf der Tagesordnung. Man hat offenbar beschlossen, den Vorfall zu vergessen, um die russisch-türkischen Beziehungen nicht weiter zu belasten. Und diese Beziehungen sind von gewisser Qualität.

Russland ist der größte Erdgaslieferant für die Türkei. Auf dem Meeresboden im türkischen Bereich des Mittelmeeres soll ein Teil der russischen Erdgaspipeline South Stream verlaufen. Zusammen mit Putin reist der russische Energieminister Aleksandr Nowak, der versuchen will, noch ein weiteres Erdgas-Pipelineprojekt zu reanimieren, und zwar die Samsun–Ceyhan-Pipeline.

Einen Tag vor Putins Visite wird das erste Montagewerk für russische Lastkraftwagen in der Türkei eröffnet werden – ihr werdet es nicht glauben, aber auch hier geht es um “GAZ”.

Außerdem hat die russische “Sberbank” Ende September eine der größten türkischen Privatbanken, die “Denizbank” aufgekauft.

“Rosatom” treibt den Bau des Kernkraftwerks Akkuyu voran, welches nach der Fertigstellung vorerst weiterhin russischen Firmen gehören und von diesen betrieben werden soll.

Mit anderen Worten, es gibt eine solche Fülle an wirtschaftlichen Interessen, dass man von keinerlei Ultimaten sprechen braucht.

Die Türkei befindet sich außerdem nicht nur gegenüber Russland in einer solchen Situation. Der Iran ist zweitgrößter Erdgasexporteur in das Land, und um die Sanktionen zu umgehen, zahlt die Türkei dafür mit Gold. Allein in diesem Jahr ist der türkische Goldexport um 14 Mal gestiegen. Wir haben diese Situation schon in einer unserer Folgen betrachtet. Inzwischen haben die USA angesichts einer solchen Entwicklung eine Gesetzesvorlage durch den Senat gebracht, in welcher ein Verbot von Goldlieferungen an den Iran vorgesehen ist. Auf diese Weise haben die USA natürlich Russland in die Hände gespielt, welches ehrlich gesagt nichts dagegen hätte, auf dem türkischen Erdgasmarkt als Monopolist zu fungieren.

Wenn euch der Kopf von all diesen Verstrickungen immer noch nicht raucht, dann seid ihr entweder sehr geduldig, oder ihr habt nicht zugehört. Wir haben euch ganz bewußt eine Vielzahl von Faktoren aufgezeigt, welche den Konflikt in der Region beeinflussen, und das sind ja noch lange nicht alle. Zu beachten wäre, dass es gerade diese Vielzahl an verschiedenen Beziehungen ist, welche derzeit noch den großen Krieg im Nahen Osten aufhält. Nur deshalb analysieren die verschiedenen Parteien bereits seit anderthalb Jahren die möglichen Gewinne und Verluste und scheuen vor einem endgültigen Klären aller Fragen zurück. Es ist immer vorteilhafter zu handeln als Krieg zu führen. Mit Ausnahme der Fälle, in denen ein Krieg noch größere Vorteile bringt.

Heroinströme

In der vergangenen Woche hat es in der russischen Stadt Nabereschnyje Tschelny einen Sondereinsatz der russischen Anti-Drogen-Behörde FSKN gegeben, welcher insgesamt 5 Jahre lang vorbereitet worden war. Dadurch wurde ein Drogenhändlerring mit mehr als 100 Beteiligten ausgehoben und 175 Kilogramm Heroin konfisziert. Das entspricht ungefähr 100 Millionen Dosen. Woher kam diese Pest? Natürlich aus Afghanistan, wo unter den Augen der internationalen Koalition die Drogenproduktion innerhalb der letzten 10 Jahre um das 40-fache angestiegen ist.

Der Löwenanteil des afghanischen Drogenstroms fließt nach Russland und über Russland nach Europa. Der Chef der FSKN Wiktor Iwanow spricht auch direkt davon, dass die West-Koalition unfähig ist, den Drogenschmuggel aus Afghanistan zu unterbinden. In einer ähnlichen Lage befindet sich der Iran, der genau wie Russland ein Durchgangsland für afghanisches Heroin ist. Freilich ist hier für den Handel mit jeder Art von Drogen die Todesstrafe vorgesehen, doch die Menge derer, die daran verdienen wollen, wird nicht kleiner. Was aber charakteristisch ist, das Haupt der iranischen Anti-Drogen-Behörde Ali Moayedi legt die erhöhte Drogenproduktion auch direkt der NATO-Fürhung zur Last. Mehr noch, er verwies auf das Interesse des Westens an dieser Art schmutzigem Geschäft.

Für das nächste Jahr erwarten Experten einen weiteren Anstieg der Drogenproduktion in Afghanistan. Folglich wird es noch mehr Leid geben, speziell in Russland. In Zukunft, wenn in spätestens 2 Jahren das Hauptkontingent der ISAF Afghanistan verlassen haben wird, wird sich die Last des Problems vollends auf die Schultern Russlands legen. Entweder hält es diesen Drogenstrom zurück, oder er wird Russland und später Europa in die Vergessenheit spülen.