Bandar bin Sultan. Foto: president.kremlin.ru

Dass nach einer Meldung des Pressedienstes des russischen Präsidenten der saudische Prinz Bandar bin Sultan am 31. Juli 2013 zu Besuch bei Putin in Moskau gewesen sei, ist nicht deswegen interessant, weil damit einmal mehr Thierry Meyssan durch die Realität widerlegt wird. Es gibt ein paar andere Dinge, die dadurch angedeutet werden. Dabei ist die Meldung auf der Seite des russischen Präsidenten mehr als nur knapp – es gibt nicht einmal ein aktuelles gemeinsames Foto mit Putin und Bandar. Geheimdienstler unter sich. Die Meldung lautet vollständig:

Wladimir Putin empfing den mit einer Visite in Moskau weilenden saudi-arabischen Prinzen, Sekretär des Sicherheitsrates und Geheimdienstchef Saudi-Arabiens Bandar bin Sultan. Es wurden zahlreiche Fragen der beiderseitigen Beziehungen, die Lage im Nahen Osten und Nordafrika besprochen.

Derweil trifft sich Prinz Bandar, eine der einflussreichsten Personen nicht nur in Saudi-Arabien, sondern in der sogenannten “Weltpolitik”, nicht zum ersten Mal mit Putin: es ist mindestens sein sechster Besuch innerhalb der letzten sieben Jahr in Moskau, und er war es auch, der den Besuch Putins in Riad 2007 organisierte. Allerdings liegt die Meldung über den letzten Kontakt noch vor dem “Arabischen Frühling”, und seither hat sich die Lage in der Region grundlegend geändert: die Ereignisse in Libyen, Syrien und Ägypten, nach denen die Länder der Möglichkeit beraubt worden sind, in der Region Einfluß auszuüben, machten die ohnehin mächtigen Saud wahrscheinlich endgültig zur einflußreichsten Macht in der arabischen Welt. Und auch wenn diese nach wie vor maximal an Washington orientiert sind, nimmt man dann und wann, aber deutlich genug Bemühungen um eine eigene Linie wahr, selbst auch in Fragen, in denen sie weiterhin mit den Amerikanern gemeinsame Front machen. Die wichtigste dieser Fronten ist derzeit Syrien. Man braucht also nicht zu bezweifeln, dass das “syrische Problem” es war, das den Prinzen diesmal hauptsächlich nach Moskau geführt hat. Zumal, mehr noch, Bandar früher nur in seiner Eigenschaft als Chef des saudischen Sicherheitsrats unterwegs gewesen ist, so ist er heute zusätzlich noch mit dem Amt des Geheimdienstchefs dekoriert, das er seit einem Jahr bekleidet. Vor einem Jahr war es auch, dass man den Prinzen totsagte; mehrere Wochen lang haben die Medien Spekulationen über seinen Tod durch einen Anschlag hin- und hergekaut (Suchanfrage auch hierher bis heute oft genug: “bandar bin sultan tot”).

Nachdem Katar die Szene (vorerst) verlassen hat, bleibt Saudi-Arabien faktisch die einzige Macht, welche die in Syrien operierenden Terrorbrigaden direkt unterstützt, das neben einer Patronage für die als “gemäßigt” geltende “Opposition”, welche durch die “Nationale Koalition” repräsentiert wird oder werden soll. Dabei besteht nicht mehr allzuviel Zweifel daran, dass der Krieg über kurz oder lang ausgestanden sein wird, wobei dessen Resultat nicht eben zugunsten der Gegner Assads ausfallen wird. Dieser Krieg muss beendet werden, aber niemand von den Strippenziehern ist an Gesichtsverlust interessiert.

Katar beendet mit dem Weggang des Emir Hamad Al-Thani, wie gesagt vorerst, seinen Kampf um Einfluss in der Region. Die Einstellung der Finanzierung der Moslembrüder führte zu einem Verlust seiner Positionen in Ägypten, zu einem wesentlich geschmälerten Einfluss auf das Lager der “syrischen Opposition”, wo an der Spitze der “Nationalen Koalition” seither eine Kreatur der Saud installiert wurde. Ebenso stellte Katar die Finanzierung der libyschen Islamisten ein, bricht seine Projekte in Tunesien ab und überlässt die dortigen aktivierten Menschenmassen ihrem Schicksal.

Nebenbei, eine interessante Tatsache: der noch nicht in sein Amt eingeführte neue iranische Präsident trifft sich privat mit dem ehemaligen britischen Außenminister Jack Straw. Der ist mit Rohani persönlich bekannt, und nebenbei auch der Beauftragte für alle den Iran betreffenden Dinge der britischen Regierung. Dabei ist Großbritannien übrigens die einzige westliche Macht, die zur Amtseinführung Rohanis geladen wurde. Die Briten haben abgelehnt. Nichtsdestotrotz deutet sich hier eine Art Untermittler an, der den Amerikanern dabei dienen kann, ihr (hypothetisches?) Vorhaben, den Iran als Regionalmacht aufzubauen, zu begleiten. Die arabischen Monarchien haben die ihnen als Instrument gestellte Aufgabe, die weltlich regierten Staaten in Nahost hinwegzufegen, nicht endgültig und zufriedenstellend erfüllen können. Selbst in den Ländern, in denen ein Regime change gelang, haben sich die Islamisten nicht an der Macht halten können. Dabei hat das Chaos ein inzwischen viel zu wenig zu kontrollierendes Ausmaß. Zeit, die Instrumente auszutauschen und sich der alten zu entldedigen. Und der herausragendste Kandidat auf eine solche Entsorgung ist und bleibt Saudi-Arabien. Es wird dem Königreich gestattet, sich in einer absehbar aussichtslosen Richtung – in Syrien – zu betätigen; der Machtwechsel in Katar und dessen Einstellung der Finanzierung der Islamisten geben Emir Tamim dagegen den Status eines an all dem regionalen Blutbad Unbeteiligten, Katar trägt also keine Verantwortung mehr für das Scheitern des “Arabischen Frühlings”. Im Unterschied zum Hause Saud. Und die haben sicherlich wenig Lust darauf, die Rechnung zu bezahlen, ohne die versprochenen Pfründe zu genießen.

Wahrscheinlich, dass die aktivierten regionalen “Rebellen” die Saud zum Feind erklären, sollten auch diese ihre Unterstützung einfach einstellen. Von Liebe bis zum Hass fehlt nicht viel. Was könnte Bandar also in Moskau wollen? Gut möglich, dass er Varianten anbietet, auf welche Weise die Saud sich aus dieser Angelegenheit zurückziehen, und welche Rolle Russland dabei spielen könnte.

Das Foto ist alt, aber die beiden kennen sich.

Jedenfalls gibt es niemanden, der besser für solche Verhandlungen passen würde, als Bandar bin Sultan. Rein psychologisch ist es für Putin einfacher, mit Geheimdienstlern zu reden als mit fortwährend Worthülsen produzierenden Politikern; das ist ein offenes Geheimnis. Bandar kann freilich so und so: direkt und auch verblümt daherkommen. Wichtig ist aber, dass er Einfluß im Königreich hat. Von den zehtausend Al-Saud sind das gar nicht so viele, vielleicht ein paar Dutzend. Das wird wohl auch der Grund dafür sein, dass er mindestens dreimal Ziel von Anschlägen war oder gewesen sein soll, wobei der letzte Anschlag gegen ihn besonders überzeugend daherkam. Gerüchte über seinen Tod hielten sich eigentlich bis soeben.

Bandar bin Sultan vertritt traditionell die Interessen Saudi-Arabiens in den Vereinigten Staaten, wo er genügend Beziehungen hat, um “alle” zu kennen. Gut möglich, dass er bald Herrn Obama besucht und, bevor der Termin für Genf II bekanntgegeben wird, durchaus noch einmal Gast des russischen Präsidenten sein wird.