Für nichts

22.08.2013, 03:12 apxwn Blog syrien

Die neuerliche Ankunft von UN-Inspektoren in Syrien wurde traditionsgemäß durch eine schreckliche Provokation markiert. Was genau passiert ist, kann man auch tags darauf nicht wirklich mit Sicherheit sagen, doch die Rebellen und mit ihnen die “zivilisierte Welt” zeichnen eilends das Bild eines markgefrierenden “Verbrechens des Regimes”, das Zivilisten mit etwas beschießt, was an chemische Waffen erinnert.

Marat Musin gestern in Dschobar

Der gesamte Korpus an Beweisen besteht aus Youtube-Clips mit Leuten, die in Ruinen herumirren und -wühlen, mit am Boden liegenden, sich in Schmerz und Ohnmacht windenden Opfern, mit unzähligen Leichen ohne sichtbare äußere Verletzung. Die ganze Palette. Allerdings gibt es in diesem Beweismaterial so viele Unstimmigkeiten, dass man gar keine Lust hat, sie alle herauszuarbeiten – damit hat “die Community” überdies schon begonnen. Allein das, dass am Ort des vermeintlichen Giftgasangriffs Leute nicht nur ohne Gasmasken, sondern selbst ohne Atemschutz (keine Pali-Tücher mehr in Syrien?) geschäftig umherirren, spricht Bände. Wie der Zufall es will, war ANNA-News (ohnehin) am Ort, von dem die Rebellen meinten, dort habe es die Giftgasattacke gegeben: Dschobar & Umgebung. Drei der vier, darunter Marat Musin, wurden gestern im Verlauf Dreharbeiten leicht verletzt (Granatsplitter, Glasbruch), aber von Giftgas keine Spur. Da sie die federführend dort operierende Einheit der Republikanischen Garde begleiten, kann man zumindest einmal zur Kenntnis nehmen, was sie vom gestrigen Tag berichten:

Nahe Damaskus begannen heute die Säuberungsaktionen zeitgleich in den Gebieten Dschobar, Irbin, Zamalka, Al-Qabun und Madamija, ein Teil dieser Orte gehört zu dem Gebiet, das unter “Ost-Ghouta” neuerdings jeder aus den Medien kennt. Das Filmteam von ANNA-News, bestehend aus vier Leuten (Wasilij Pawlow, Igor Nadyrschin, Wiktor Kusnetzow und Marat Musin) fuhr heute um 5 Uhr morgens nach Al-Qabun, von wo aus die Panzerfahrzeuge des Panzerbatallions an die Einsatzorte ausrückten. Wir haben jeden Schritt der Militäroperation in der heißesten Kampfzone – in Dschobar, das sich teilweise unter der Kontrolle von gut ausgebildeten, professionellen ausländischen Söldnern und wahhabitischem Fussvolk befindet – dokumentiert. Wir konnten praktisch alles, was vor sich ging, filmen, da wir zeitgleich neun Kameras im Einsatz hatten (ein Teil davon auf Panzerfahrzeugen installiert – apxwn) – vom Aufmunitionieren der Panzerfahrzeuge mit Standardmunition bis zum Absetzen der Truppen in der Kampfzone, wo sie mit den ausländischen Söldnern in den dortigen Gebäuden praktisch in ein Handgemenge gerieten.

Wir können vollkommen sicher bezeugen und den UN-Inspekteuren auf Grundlage dessen, was wir mit eigenen Augen gesehen und vom Verlauf des Kampfes aufgezeichnet haben, beweisen, dass im Problembezirk von Ost-Ghouta – Dschobar – niemand chemische Waffen eingesetzt hat.

Währenddessen wird im Lärm der Medien immer mal wieder Material gesichtet, das die inzwischen bis auf’s letzte Pixel bekannten Leichen aus der Kairoer Al-Fateh-Moschee zeigt. Die Briten hatten es noch nicht einmal geschafft, die arabischen Kringel aus dem ganzen Material zu übersetzen, als sie den UN-Sicherheitsrat einberiefen, die “Weltöffentlichkeit” ist, na logisch, über “das brutale Vorgehen des Diktators” entsetzt, und das Londoner Menschenrechtsobservatorium legt stündlich neue Einzelheiten auf den Servierteller, immer mit dem Hinweis, dass niemand für die Authentizität bürgen kann. Und all der Lärm basiert genau auf diesem Material, für dessen Authentizität niemand geradesteht.

Das Problem indes ist, dass die gezeigten Leichen nun einmal echt sind. Darunter viele Kinder. Gnade Gott dem, der dieses Verbrechen begangen hat, möchte man fast sagen, und dann fällt einem auf, dass man sich nach menschlichem Ermessen nicht vorstellen kann, dass “Gnade” sich auch auf die Mörder dieser Menschen erstrecken kann. Vielleicht ist es im Kontext dessen von Interesse, sich einmal an die Situation vor ein paar Wochen in Nordsyrien zurückzuerinnern, als massenweise Kurden – und zwar vorwiegend Frauen und Kinder – von den Terrorbanden entführt wurden. Wer weiß, ob nicht das Gift also echt war. Nur war es höchstwahrscheinlich kein Kampfmittel, denn sonst würden die, welche da gefilmt haben, schon längst neben den von ihnen gefilmten Opfern liegen.

Seinerzeit, etwa Anfang-Mitte Dezember 2012, haben die Rebellen einen erfolgreichen Angriff auf die Chemiefabrik in As-Safira nahe Aleppo lanciert. Von wo sie bewiesenermaßen einige Hundert Zisternen mit Chlor mitgenommen haben. Dieses Chlor ist schon wiederholte Male in Aleppo an die Oberfläche gekommen, und das ist es ja auch, weshalb die UN-Inspekteure nach Syrien gereist sind.

Symbole, prägnante Slogans, Hashtags: “orange” Technologien

Was die Kinder angeht, so haben die Rebellen den Effekt aus solchen Bildern mit Kindern schon lange gelernt, oft genug arbeiten sie gezielt mit Kinderbildern. Zuerst wurde diese perfide Art Marketing in Al-Hula weltweit bekannt, woraus sie geschlossen haben müssen, dass eine solche Methode einwandfrei funktioniert. Die gestrige Tragödie ist eine angepasste Kopie dessen, was in diesem Sinne alles seitdem bereits schon gelaufen ist.

Sicherlich müssen hier gewisse kompetente Leute und Institutionen etwas dazu äußern. Aber schätzungsweise wird das nicht passieren. Oder wenn sie etwas sagen, wird man sie nicht hören. Einfach aus dem Grund, dass Menschenleben inzwischen zu Wegwerfartikeln für kleine und im Grunde sinnlose Provokationen geworden sind. Nach dem Motto: “mal sehen”. Mal sehen, vielleicht reicht das langsam mal dazu, dass die Weltgemeinschaft Empathie mit dem ächzenden syrischen Volk zeigt und es humanitär bombardiert, damit es seinen blutigen Diktator loswird. Falls wieder nicht, starben auch diese Kinder für nichts. Für nichts, einfach so. Und sollte es nötig sein, so sei gewiss, lieber Leser, werden auch weiterhin Kinder, Frauen und Alte umgebracht werden. In industriellem Ausmaß. Wäre ja nicht das erste Mal.

UPD. Nach der bekannt gewordenen Imitation von Gewalt bei einer gespielten Demonstration durch die Muslimbrüder in Ägypten taucht zu obigem Thema auch analoges Material von der FSA auf.