Auto-Desintegration

08.06.2012, 04:08 apxwn Blog ovks russland syrien uno

Ban Ki-moon äußert im Namen der UNO und damit der gesamten internationalen Staatengemeinschaft seltsame Dinge zu den Verhältnissen in Syrien. Offensichtlich befindet sich die UNO im Stadium der Selbstauflösung. Inzwischen wird das internationale Recht mehr und mehr auf der Ebene von Staatenblöcken praktiziert und gebeugt.

Gestern lief in der UNO eine „informelle Sitzung der Generalversammlung“ zu Syrien. Dort hieß es aus dem Munde von Ban Ki-moon: „Wir müssen zu allen möglichen unvorhergesehenen Entwicklungen bereit sein; wir müssen bereit sein, auf eine Menge möglicher Szenarios zu reagieren.“

Selbe Quelle: „Er (Ban Ki-moon) sieht nur wenige Anzeichen dafür, dass die syrische Regierung ihre Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Sechs-Punkte-Plan Kofi Annans erfüllt, während gleichzeitig die Opposition mehr und mehr zu Waffen greift.“

Während also der Generalsekretär bezüglich der Opposition lediglich „bedauert“, dass sie (teilweise?) den Annan-Plan aufgegeben hat, so ist er bezüglich der syrischen Regierung der Meinung, diese habe „jede Legitimität“ verloren.

Überhaupt geht die UNO seit Jugoslawien direkt ihrer eigenen Zersetzung entgegen. Die Unfähigkeit, eine unbefangene und vor allem: eine dem internationalen Recht entsprechende Position einzunehmen und zu artikulieren machen dieses Rudiment der vergehenden Weltordnung immer nutzloser.

Aber faktisch gibt es nichts Fatales an dieser Situation. Die Nachkriegswelt, die durch das momentan de jure noch gültige internationale Recht und das Wirken der internationalen Organisationen gefestigt worden ist, ist Vergangenheit. Sie hat bislang allerdings noch nicht zu einem neuen Gleichgewicht gefunden, und aus diesem Grunde besteht nach wie vor Notwendigkeit an den vielleicht auch veralteten, aber doch Orientierung bietenden internationalen Rahmenbedingungen. Das Schicksal der UNO wird sich letztlich jedoch wahrscheinlich kaum von dem des Völkerbunds unterscheiden, der formal zwar bis 1946 existiert hat, aber schon gegen Ende der 1930er Jahre in ein formales und in seiner Funktion wenig brauchbares Gebilde transformiert hat. Der Völkerbund, der nach dem 1. Weltkrieg als Mittel der Regulierung zwischenstaatlicher Beziehungen ins Leben gerufen worden ist, wurde zur Geisel des Konflikts, welcher letztlich zum 2. Weltkrieg führte.

Es sieht derzeit eher nach einer neuen Zeit der Blockbildung von Staaten aus, welche eingangs erst einmal die momentan gärenden Konflikte untereinander lösen müssen, um danach ein neues, internationales Gremium zu schaffen, das als Plattform für Kompromisse unter den Siegermächten fungiert, Kompromisse, die den Unterlegenen dann dadurch aufgezwungen werden können. Der Vorteil liegt eben darin, dass dieser Zwang dann nicht mehr mit Waffengewalt, sondern auf Grundlage eines (neuen) internationalen Rechts realisiert werden würde.

Noch existiert die UNO, allerdings wird der Sinn ihrer Existenz mit jedem weiteren Tag der Probleme in Syrien fraglicher. Derweil werden konkrete Maßnahmen schon geraume Zeit auf anderer Ebene geregelt, wie etwa die Frage nach den „Friedenstruppen“ für Syrien.

Marschrichtung Syrien

Das russische Verteidigungsministerium hat im Zuge von Aufgaben, vor die Wladimir Putin die Generalität gestellt hat, mit der Ausarbeitung von Einsatzplänen der russischen Streitkräfte außerhalb des russischen Territoriums begonnen. Eines der Länder, in welchem ein solcher Auslandseinsatz möglich wäre, ist Syrien. Die Einzelheiten dieses Plans werden im vereinigten Stab der Organisation des Vertrags der kollektiven Sicherheit (OVKS), aber auch mir dem regionalen Antiterror-Rat der Schanghai-Organisation ausgearbeitet. Das ließen anonym gebliebene Quellen im Verteidigungsministerium gegenüber „NG“ verlauten.

Eine indirekte Bestätigung solcher Vorhaben folgt aus einer Verlautbarung des Vorsitzenden der OVKS, Nikolaj Bordjuscha. Er räumte die Möglichkeit einer Teilnahme von Friedenstruppen aus den OVKS-Staaten an Missionen bei der Konfliktbeilegung in Syrien ein. Von einer intensiven Vorbereitung zeugen auch neue Sonderausbildungsprogramme der Landetruppen, der Sondereinheiten der Militäraufklärung sowie der leichten und der Marineinfanterie der russischen Streitkräfte.

Die anonyme Quelle im Verteidigungsministerium teilte gegenüber „NG“ außerdem mit, dass für den Einsatz russischer Armeeangehöriger außerhalb des russischen Territoriums eine politische Entscheidung der russischen Führung sowie eine entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrats notwendig wäre. Allerdings werden bereits jetzt in den russischen Streitkräften Szenarien in Friedenseinsätzen sowohl innerhalb eines Kontingents von befreundeten Staaten als auch in eigener Regie durchgespielt. Dabei finden spezifische taktische Aufgaben besondere Beachtung, wie etwa die ingenieurstechnische Ausstattung von Stabsquartieren, Kontroll- und Beobachtungspunkten sowie der Einsatz bestimmter Waffengattungen, Schießübungen und dgl. mehr.

Besonders berücksichtigt wird dabei, dass bei der Beteiligung an solchen Operationen im Nahen Osten mit Kampfeinsätzen zu rechnen ist. Auch das wird von Bordjuscha bestätigt: „In Syrien muss, so wie es aussieht, in erster Linie hinsichtlich einer Befriedung der bewaffneten Rebellen operiert werden, mit anderen Worten derer, welcher zum heutigen Zeitpunkt versuchen, politische Fragen mit der Waffe in der Hand zu lösen, anstelle davon, dass sie sich im Rahmen der Verfassung des Staates bewegen.“ Im Übrigen sei diese Aufgabe lediglich für die Politiker „schmackhaft“, nicht aber für die, welche letztlich im Rahmen einer Friedensmission vor Ort sein werden. „Dort wird ja, allen Informationen zufolge, von beiden Seiten auch schwere Waffentechnik eingesetzt“, schließt Bordjuscha seine Ausführungen.

Im Vorfeld eines möglichen Syrieneinsatzes haben die Sondereinheiten aus den Seestreitkräften der Schwarzmeerflotte eine entsprechende Vorbereitung bereits durchlaufen. Wie bekannt ist, stellten diese einen Teil der Besatzung des Küstenschutzschiffs „Smetliwyj“, welches im Mai 2012 mit einer Routinemission den syrischen Hafen Tartus angelaufen, wo es – auf Pachtbasis – Militärobjekte der russischen Seestreitkräfte gibt. (Quelle: „Nesawisimaja Gaseta“, 6. Juni 2012)