Bandar Bush, Sultans Sohn

12.08.2012, 01:42 apxwn Blog saudi-arabien

Der Anschlag gegen die Spitze der saudischen Sicherheitskräfte liegt bereits eine Weile zurück, aber Klarheit ist in die Sache – wie fast zu erwarten war – bisher nicht gekommen. Das gilt erst einmal für den oder die Urheber des Anschlags: saudische Hofintrigen, hinterozeanische Hüter der saudischen Strategie oder gar der syrische oder – wie manche spekulierten – der russische Auslandsgeheimdienst? Wie auch immer, kein Bekennerschreiben, keine Ablenkungsmanöver, einfach nur gar nichts. Die vordergründige Frage gilt natürlich auch dem Verbleib des Prinzen Bandar bin Sultan, seines Zeichens Chef des saudischen Geheimdienstes.

In der russischen Presse ist derweil ein Interview mit einem russischen Geheimdienstler i.R. aufgetaucht, der den Lesern mit dem tatarischen Namen und Vatersnamen Rustam Faridowitsch N. sowie als Fachmann für den Nahen Osten bei der Analytischen Abteilung der „Lubjanka“ vorgestellt wird. Dieser sei außerdem noch ein Kenner der radikalen Strömungen des Islam. Hier ein Auszug zum Thema:

  • Prinz Bandar wurde weder vom russischen, noch vom syrischen Geheimdienst in die Luft gesprengt, – begann der Nahost-Experte die Darlegung seines Standpunkts. – Das waren simple Hofintrigen – man hat einfach den wahrscheinlichsten Thronfolger beseitigt.

  • Aber rein formal hatte er doch gar kein Anrecht auf den Thron! – erwiderte der Kommentator. – Prinz Bandar ist ja kein Sohn, sondern ein Enkel des Staatsgründers.

Der Nachrichtendienstler gab das zu:

  • Sicher, er hatte keinen direkten Anspruch auf den Thron. Doch kaum jemand zweifelte daran, dass – wenn die Alten einmal aussterben – diese innerdynastische Regelung ihre Wirkung verliert und alles nach den Kräfteverhältnissen entschieden wird. Und genau in diesem Sinne war Bandar bin Sultan die einflussreichste Person in Riad. Er war nicht nur Chef des Geheimdienstes, sondern auch des Sicherheitsrates des Königreichs. Das heißt, er hatte alle staatlichen Gewaltorgane in seinen Händen, derer es durchaus genügt hätte, im Falle eines Falles mit dem älteren Sohn des Königs zurande zu kommen, welcher die Hauptstadt in seiner Gewalt hat, oder auch mit dem ältesten Sohn des Thronfolgers, der für die heiligen Städte – Mekka und Medina – verantwortlich ist. Einer dieser beiden Prinzen wird den gefährlichen Konkurrenten beseitigt haben, und das auf Anweisung aus Washington.

Quelle: argumenti.ru

Der russische Geheimdienstler spricht also vom Tode Bandars als von einer Tatsache. Offenbar hat er Gründe dafür, das anzunehmen, und dann – oh Schreck – hätte Thierry Meyssan diesmal Recht gehabt, zumindest was den Tod des Bandar, nicht freilich, was die Urheber des Anschlags angeht.

Der Machtkampf in Saudi-Arabien kann eigentlich, je weiter es geht, nur desto verschärftere Formen annehmen. Der herrschenden Dynastie steht eine Gratwanderung bevor – einerseits gilt es, die archaische und inzwischen schon nicht mehr funktionierende Ordnung der Thronfolge umzuschreiben, andererseits muss der fragile Zusammenhalt des Königreichs gewahrt werden.

Tatsächlich erscheint die Zivilgesellschaft in Saudi-Arabien ziemlich monolithisch. Die überwiegende sunnitische Mehrheit ist mit sich und dem Leben zufrieden und ist von allem Unbill so geschützt, wie es keinem sozialistischen Staat träumte. Die Aufstände der schiitischen Randgebiete werden erfolgreich lokal eingedämmt, sämtliche Unmutsbekundungen werden radikal unterbunden – diesbezüglich gibt es keinerlei Meinungsverschiedenheiten innerhalb der herrschenden Elite. Aber diese Elite ist hinsichtlich der Machtfrage gespalten, was für die künftige Stabilität oder gar die Existenz des saudischen Königreichs viel problematischer ist, als irgendwelche schiitischen oder sonstigen Wallungen.

Sind also die bisher nur vagen Andeutungen über den Tod des Prinzen Bandar wahr, so ist die Meinung des russischen Geheimdienstlers über die Urheber des Anschlags tatsächlich immer noch die plausibelste Erklärung – wir werden also Zeugen der Machtkämpfe im Haus Saud. Solche Kämpfe verlaufen üblicherweise ohne Kompromisse und ohne Sentimentalitäten: Bruder gegen Bruder, das läuft seit biblischen Zeiten so, und die heutigen Machtkämpfe sind in dieser Hinsicht nicht anders als damals. Es ist vom jetzigen Standpunkt noch vollkommen unmöglich vorherzusagen, was nach dem Tod des jetzigen Königs Abdallah passieren wird. Alle im Königreich erwarten und fürchten diesen Tag.