Die Kapitulation Janukowitschs dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Aber jenseits von diesem jetzt wieder als “Durchbruch” verkauften Zwischenstand finden andere Dinge keine mediale Beachtung, die einer solchen Beachtung im demokratischen Europa theoretisch wert wären.

Nach dem “Maidan 2013/14” haben radikale Nazis sich zu organisieren gelernt, sind bewaffnet und haben erste Erfahrungen in Straßenschlachten mit Sicherheitskräften bekommen. Wer soll diese Banden jetzt entwaffnen, um sie daran zu hindern, künftig die “Feinde der Nation” niederzuknüppeln und zu -schießen?

Das folgende Bild zeigt jemanden, den man sich am Rande merken sollte. Er gehört zu den Siegern beim heutigen “Durchbruch”:

Das ist der Anführer des “Rechten Sektors” in der Westukraine, Aleksandr Musytschko. Ein Geschäftsmann und Mitglied der “Wiking”-Einheit der UNA-UNSO. Das Foto zeigt ihn inmitten von ihm untergebener Guerilla der sogenannten “nationalen Selbstverteidigung”. Das Foto wurde dieser Tage auf dem Kiewer “Maidan” gemacht.

Der “Rechte Sektor” ist zwar ein eigens für die Ereignisse der vergangenen Monate geschaffener, faschistischer und gewalttätiger Dachverband verschiedener ukrainischer Nazibewegungen, Herr Musytschko ist aber schon sehr viel länger einschlägig bekannt. 1994 hat er zusammen mit einer Rotte “ukrainischer Freiwilliger” in Tschetschenien auf Seiten der Separatisten gekämpft und reichhaltige Erfahrungen in der Guerilla-Kriegsführung insbesondere in und um Grozny gewinnen können. Falls noch jemand den Zusammenhang zwischen Nazibanden und Wahhabiten vermißte – das hier ist ein Beispiel dafür; insgesamt also noch eine weitere Veranschaulichung für ein und dieselbe Methode der Demontage von Staatswesen, bei der Wahhabiten / Naziguerilla / radikale Strömungen als Instrumente der jewiligen auswärtigen Interessenten auftreten.

In einer kurzen Videoreportage aus der Zeit des ersten Tschetschenienfeldzugs wird Musytschko (Nom de guerre: “Saschka, der Weiße”) interviewt und verkündet: “Solange in meinen Adern Blut fließt, werde ich gegen Kommunisten, Juden und Russen Krieg führen. Das ist mein Credo.”

Dieser Mann ist heute unter den Siegern auf dem Maidan, gepusht, gebraucht und hofiert vom RMfdbO der EU in Person von Walter Steinmeier und Laurent Fabius. Er und die seinen sind bewaffnet und euphorisch.

Ein wenig gemahnt die Ukraine-Politik der EU an die Bestrebungen Saudi-Arabiens, an dessen nördlichem Perimeter durch die Hände wahhabitischer Terrorbrigaden eine Zone der Instabilität zu schaffen und damit Konflikte von sich weg zu lenken sowie seinem Rivalen, dem Iran, permanente Probleme zu bereiten. Technologisch ist alles perfekt: zum heutigen Tag ist es längst kein Geheimnis mehr, dass die sogenannten “farbigen Revolutionen” zur hohen Kunst der operativen Kriegsführung gehören. Genau wie der legendäre “Blitzkrieg” beruhen “farbige Revolutionen” auf den neusten Errungenschaften in allen Bereichen des Militärwesens. Nur ist die heutige Variante dieser Blitzkriege noch um ein Vielfaches totaler: nicht allein der Aggressor kämpft gegen den Feind, sondern der Gegner noch dazu mit sich selbst. Es war zwar schon nicht schlecht, wenn Panzerkeile die gegnerische Verteidigung zu Fetzen schossen und alles überrollten, woraufhin dem Gegner nur die Flucht oder Kapitulation blieb, da er einer solchen Gewalt nichts entgegenzusetzen hatte. Aber viel besser ist es doch, wenn der Gegner sich selbst vernichtet wie ein tollwütiges Tier, sich bei seinen Anfällen selbst Wunden zufügt, die ihn schnell verenden lassen.

Dabei ist und bleibt das Ziel von “farbigen Revolutionen”, ganz wie beim klassischen Blitzkrieg, die Kapitulation; mit anderen Worten – Frieden zu den Bedingungen des Siegers. Sicher sind solche Bedingungen nicht immer umzusetzen, aber das Wichtigste daran ist, dass der Gegner keine Möglichkeit mehr zum Widerstand besitzt.

Innerhalb von nur drei Monaten hat sich die Ukraine selbst gefressen und eine unter militärischem Gesichtspunkt geniale Operation zur Vernichtung des einzigen unternommen, was unter ihren Errungenschaften der Erwähnung wert war – ihrer Selbständigkeit. Alle und alles spielten zugunsten des Gegners – die unfähige Regierung, die Schlägertrupps der Bandera-Landesverräter, die euphorischen und irren Idioten, die auf dem “Maidan” und anderswo im Kreuzfeuer von Provokateuren zu Boden gingen, aber auch das tumbe Stadtvolk, das seinem ewigen Prinzip “geht mich nichts an” treu geblieben ist. Ebenso auch die Militärführung, die es nicht in die Wege brachte, die Sache in ihre Hände zu nehmen und eine Regierung beiseite zu schieben, von der sie eindeutig verraten worden war. Der Zerfall des Landes, der bereits mit seiner Schaffung vor etwas über 20 Jahren einsetzte, erreicht damit seinen Kulminationspunkt, und wie nicht anders zu erwarten, gipfelt dieser Prozess in der Anarchie, die man heute in weiten Teilen der Ukraine beobachten kann. Die Banden, die heute immer noch ukrainische Städte kaputtschlagen, machen das Land endgültig für die Prozedur einer feindlichen Übernahme klar.

Rechter Sektor: “Ukraina akbar!”

Ganz sicher hat all das nicht im Entferntesten mit einer “Revolution des Volks” zu tun. Eine Revolution ist ein Ausweg aus einer Krise, die es gestattet, einem festgefahrenen System zu entkommen, indem man es zerschlägt und innerhalb dessen keine Lösung für Krisen und Widersprüche mehr gefunden werden kann. In der Ukraine bleibt ja aber alles beim Alten: die Oligarchen sind weiterhin im Besitz dessen, was theoretisch dem Volk gehört, korrupte Politiker ziehen weiterhin untereinander ihre “Mummers farce” in den Imitationen von demokratischen Institutionen ab. Ein Tausch von einer Hackfresse gegen eine andere und die entsprechende Umverteilung von Zuständigkeiten ändern in diesem Panoptikum überhaupt nichts; zumindest werden die Menschen in der Ukraine mit Sicherheit keinerlei Früchte von solchen Wallungen abbekommen. Verbrecher eignen sich von anderen Verbrechern das vorher zusammengeraubte an, bezahlen ihre Schergen auf den Straßen für die Schützenhilfe und werden sehr schnell dazu übergehen, den Ochlos zur Räson zu bringen. Die Toten wird man bestatten, die Straßen freiräumen und bald kommt im Fernsehen wieder sowas wie “die Ukraine sucht den Superstar” oder irgendein Äquivalent davon.

Zu den in der Ukraine bereits bekannten Chargen kommt jetzt voraussichtlich nur noch die Europäische Union hinzu und nimmt sich ihren Teil. Nur deshalb gab es ja all das Theater. Die Ukrainer dürfen sich dann wohl bald mit vollem Recht fast so fühlen wie die Polen oder die Litauer – im Status etwas darunter angesiedelt, aber dafür nicht unter den Fittichen der verhassten Russen. Die eigentlich ein Brudervolk sind.

Nun gut. Es ist vielleicht doch noch nicht alles vorbei. Ein Volk ist in der Regel ein sehr kompliziertes System mit einer Menge an Mechanismen zur Selbsterhaltung (die man andernorts aus genau diesen Gründen auszuhebeln bestrebt ist). Vielleicht findet das allerdings auch schon kranke ukrainische Volk die innere Kraft dazu, sich selbst zu bewahren. In jeder Krise verbirgt sich die Hoffnung auf Gesundung. Gut möglich, dass die Ukraine (bzw. ein Teil von ihr) die Niederlage in diesem Kieg dazu nutzt, um aus der “farbigen Revolution” eine richtige zu machen – das heißt, die Ursachen für das Siechtum des Landes beseitigt.