Die chinesische Position zu Syrien wirft einiges an Fragen auf, von denen die wichtigste wäre, ob den China wirklich darauf baut, die eigenen Interessen im Nahen Osten wirklich nur vermittels diplomatischer Methoden zu verteidigen. Denn keine Frage ist hingegen, dass die derzeit im Nahen Osten ablaufenden Prozesse diesen Interessen Chinas teilweise entgegenstehen. Auch, wenn sich das äußerlich noch nicht so sehr niederschlägt, ist China über die Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung mit dem Iran durchaus besorgt. Momentan noch ziehen die Chinesen maximalen Vorteil aus den Schwierigkeiten, die der Westen dem Iran bereitet hat - in erster Linie aus dem Öl-Embargo - aber ganz offenbar gehen sie nicht davon aus, dass dieses "Erntefest" ewig so weitergehen wird.

China hat allerdings einiges in petto, um den potentiellen Aggressoren zu denken zu geben - in erster Linie den Vereinigten Staaten von Amerika. Und zwar durch rein chinesische Methoden, also mit Aktionen durch die Hintertür. Das, was China derzeit unternimmt, sieht in vielerlei Hinsicht tatsächlich wie ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl aus, der Westen möge doch bitte seinen aggressiven Enthusiasmus ein wenig bremsen.

Es geht um einen Streit zwischen China und Japan bezüglich der Senkaku-Inseln, wie sie von den Japanern genannt werden, oder, wie die Chinesen sie nennen, der Inselgruppe Diaoyudao. Neben dem Konflikt zwischen Japan und Russland über die Kurilen-Inseln hat Japan genau solche Probleme mit praktisch allen seinen Nachbarn, einschließlich China und Korea. Dabei geht es immer um Ansprüche auf bestimmte Inseln oder Inselgruppen. Eine von den bis dato weniger bedeutenden dieser Konfliktzonen befindet sich etwas nördlich von Taiwan und gehört formell zu Japan, auch wenn China es kategorisch ablehnt, Japans Hoheit über diesen Felsbrocken anzuerkennen. Dieses konkrete Problem wird nun aber dadurch bedeutend, dass - wie konnte es anders sein - in diesem Bereich Kohlenwasserstoffvorkommen entdeckt wurden, also müsste Japan durch seine 200-Meilen-Wirtschaftszone jedes Recht haben, diese Vorkommen auszubeuten.

Der Streit um diese Inseln verschärft sich sozusagen zyklisch, um danach wieder in eine längere, träge dahinfließende Phase zurückzufallen - etwas "Ernsthaftes" ist in diesem Zusammenhang bislang nicht passiert. Vor ein paar Tagen jedoch haben eine Handvoll Chinesen - natürlich als rein private Initiative - demonstrativ versucht, an einer dieser Inseln an Land zu gehen. Selbstverständlich wurden sie von den Japanern vertrieben, was allerdings eine sofortige und scharfe Reaktion des chinesischen Außenministeriums zur Folge hatte. Damit nicht genug - in China begannen gewaltsame Proteste, die sich gegen japanische Cafés, Läden und andere Besitztümer als Reaktion auf dieses Ereignis richteten, insbesondere darauf, dass die Japaner dort - ebenso demonstrativ - die japanische Flagge hissten.

Auch diesmal wird höchstwahrscheinlich nichts "Ernsthafteres" auf diese Aktionen folgen; wenn man allerdings diese plötzliche und durch nichts provozierte Verschärfung der Beziehungen zwischen China und Japan nicht nur aus dem Blickwinkel der bilateralen Beziehungen, sondern aus dem Kontext der in der Welt ablaufenden Prozesse betrachtet, kann man zwei recht klare Schlüsse ziehen.

Erstens. Der Westen steht in einer Allianz mit Japan, welches noch aufgrund seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg nur über begrenztes militärisches Potential verfügt und damit nicht allein in der Lage ist, seine Interessen vollumfänglich durchzusetzen. Aus diesem Grunde wird jeder Konflikt mit Japan, mit wem auch immer, mehr oder weniger automatisch zu einem Konflikt, in den der Westen, in erster Linie die USA, mit hineingezogen wird.

Im Falle dessen, dass Japan Initiator eines solchen Konflikts wird, ist das Bündnis mit der USA ein durchaus gewichtiges Argument auf seiner Seite. Ein analoges Beispiel - im vergangenen Jahr steuerte Japan vollkommen bewusst und offen auf eine Verschärfung des Konflikts um die Kurilen-Inseln mit Russland zu. Nur Tage vor dem Erdbeben von Fukushima gab es sogar die Information, dass die japanische Botschaft in Moskau ihre Landsleute warnte, die Lage könne sich sehr bald und entschieden verschlechtern. Offenbar war nur die Naturkatastrophe dazu in der Lage, die Hitze des sich anbahnenden Konflikts etwas abzukühlen. Aber genau in diesem Fall war die Position der USA eine bedeutende Stütze für die sich aktivierenden Territorialansprüche Japans.

Wenn nun Japan selbst zum Objekt solcher Ansprüche wird, wie im Fall der Senkaku-Inseln, so ist das Bündnis mit den USA für letztere eher eine Last - sie würden gezwungen, auf die ablaufenden Ereignisse zu reagieren. Was natürlich nicht immer gut möglich ist. Und gerade jetzt haben wir einen solch unbequemen Moment - die USA sind mit der Situation im Nahen Osten beschäftigt, die ihre Aufmerksamkeit und Kräfte bindet, so dass ihre Dienste und auch ihr Militär in gewisser Bereitschaft sein müssen, auf eine mögliche Verschlechterung der Lage in dieser Region zu reagieren. Diese Kräfte zu streuen und sie auch noch für einen möglichen Konflikt zwischen Japan und China bereit zu haben ist für die USA sicherlich nicht wünschenswert. Zumindest nicht zur jetzigen Zeit.

China demonstriert offenbar, dass es in der Lage ist, ernsthafte und bedeutende Schwierigkeiten zu bereiten, sollte der Westen versuchen, gegen den Iran oder gegen Syrien offene Gewalt einzusetzen. Jedenfalls war die oben angesprochene "Privatinitiative" irgendwelcher chinesischer Bürger auf bemerkenswerte Weise mit der Staatsmacht und anderen Aktivisten an der Küste des Landes abgestimmt - das sah nicht nach einer Verkettung von Umständen aus.

Der zweite Schluss, den man aus den Vorfällen ziehen kann - die Vereinigten Staaten haben die Verschärfung des Konflikts zwischen China und Japan äußerlich vollkommen gelassen aufgenommen. In der Vergangenheit - zuletzt 2010 - haben die Staaten in einer analogen Situation viel entschiedener reagiert und die Seiten zur Besonnenheit aufgerufen, dabei begrenzte Flottenmanöver in verschiedenen Bereichen des Stillen Ozeans abgehalten. Die jetzige Reaktion ist viel verhaltener - was höchstwahrscheinlich bedeutet, dass die Amerikaner sich dessen bewusst sind, dass einerseits nichts Besonderes passieren wird und dass es sich andererseits lediglich um eine Warnung seitens der Chinesen handelt.

Nun braucht es lediglich noch eine Antwort auf die Frage, wie ernst die USA diese Warnung der Chinesen - die potentiell die Warnung vor einem Weltkrieg ist - nimmt und was für Schlüsse sie daraus ziehen.