Die Ukraine war seinerzeit mit “Am Rande” genau so in die Themen hier hineingeschlittert – am Rande. Inzwischen dominiert sie die Meldungen. Was den vorigen, lang dominierenden Newsmaker – Syrien – angeht, so geht er vollkommen vorhersehbar auf die zweiten und dritten Seiten zurück. Vorhersehbar, weil die Sache in den Kabinetten weitestgehend entschieden ist. Was bleibt, ist Arbeit am Boden, was es den Menschen vor Ort natürlich nicht leichter macht. Nichtsdestoweniger konsolidiert sich die Region scheinbar, eine Isolation des letzten großen Kriegstreibers in Syrien – des Königreiches Saudi-Arabien – nimmt allem Anschein nach allmählich Gestalt an. In diesem Zusammenhang gibt es hier zur Information über die derzeitigen Kräfteverhältnisse und Bestrebungen einen aktuellen Artikel von ITAR-TASS.

Bei einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen zwischen Iran und Katar dementierte der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am 26. Februar in Teheran die Schaffung eines politischen Blocks aus Iran, Irak, Türkei und Katar, von dem eine politische Lösung der Probleme in Syrien betrieben werden solle.

Nichtsdestoweniger ist diese Frage der Journalisten durchaus nicht müßig und ganz sicher von den objektiv stattfindenden Prozessen aufgeworfen, die einen solchen Block nicht nur möglich, sondern sogar für alle beteiligten Seiten wünschenswert erscheinen lassen. Mit seinem Dementi mag Sarif aber sogar die reine Wahrheit gesagt haben – formal wird niemand einen solchen Block ins Leben rufen, aber für einen Diplomaten ist nicht nur das wichtig, was er sagt, sondern auch das, wovon er schweigt.

Es ist bereits offenbar, dass Katar, einst unter den aggressivsten Sponsoren des “Arabischen Frühlings”, ab dem Zeitpunkt der doch recht ungewöhnlichen Abdankung des ehemaligen Emir Hamad bin Khalifa al-Thani, seine Beteiligung an dem regionalen Konflikt faktisch eingestellt und Saudi-Arabien dadurch mit den Problemen und Folgen seiner Fortführung alleingelassen hat. Das liegt natürlich nicht an der Friedliebigkeit des neuen Emir Tamim, sondern an vollkommen objektiven Umständen, die letztlich zum Machtwechsel in Katar und zu einer Einstellung der Finanzierung des Syrienkriegs geführt haben.

Der “Arabische Frühling” ist eines der Instrumente zur Schaffung eines globalen Marktes für Erdgas als Schlüssel-Energieträger, welcher Erdöl immer weiter aus der globalen Energiebilanz verdrängt

Der Kampf um die Schaffung eines solchen Marktes, die Festlegung von Regeln für sein Funktionieren und die Sicherung von Positionen darin – all das sind Dinge, die man in den Ereignissen erkennen kann, die teilweise tausende von Kilometern voneinander entfernt stattfinden.

Das Interesse Katars als Erdgasmacht und Erdgaslieferant drückte sich in dem Bestreben aus, den Umschlagpunkt in Nahost – Syrien – unter seine Kontrolle zu bringen. Katar ist im Besitz einer der größten Flotten von Flüssiggastankern weltweit, und Emir Hamad rechnete wohl damit, auf diese Weise seine Lieferwege und -arten zu diversifizieren, indem er eine Erdgas-Pipeline baut, die über das Territorium Saudi-Arabiens (oder, im Falle einer Weigerung des Königreichs, auf dem Boden des Persischen Golf), des Irak und Syriens in Richtung Europa verläuft. Dadurch lässt sich das Bündnis zwischen Katar und der Türkei im Krieg gegen Syrien erklären. Die Türkei ist nicht nur an Erdgas aus Katar interessiert, sondern auch an dessen Transit nach Europa. Dadurch erklärt sich ebenso der unerbittliche Kampf des Emir Hamad gegen den Iran, welcher seinerseits gegen das katarische Projekt ankämpfte und seine eigene Variante – durch den Irak in Richtung des syrischen Baniyas – vorantrieb.

Die Abmachungen der Vereinigten Staaten mit dem Iran, die (wenn auch teilweise) Aufhebung der Sanktionen gegen das Land, und somit das massive Erstarken des Iran lassen den Kampf für die Umsetzung dieses Projekts für den Katar aussichtslos erscheinen. Damit hängt die plötzliche Abdankung des Emirs Hamad zusammen, gleichwie auch der Politikwechsel Katars. Es gibt keinen Sinn mehr für ihn, den Krieg in Syrien fortzuführen. Die Zeit für andere Herangehensweisen war gekommen.

Interessant dabei ist, dass der neue Emir Tamim, der sich in den innerkatarischen Verhältnissen auf den zweitgrößten Clan Al-Attiyah stützt, Repräsentanten genau dieses Clans auf alle politischen Schlüsselpositionen des Emirats eingesetzt hat. Bemerkenswert ist ebenso, dass der Schöpfer der Erdgaspolitik des Katar ebenso einer von den Al-Attiyahs war – und zwar Abdallah, der ehemalige Erdölminister, Vorsitzender der OPEC, und alles in allem einer der einflußreichsten Männer nicht nur im Emirat, sondern innerhalb aller sechs arabischen Monarchien. Er ist es auch, der heute für den Umbar der Politik des Emirats zeichnet, und führt sie im Grunde auch wieder an.

Der Krieg in Syrien, wo die unglücklichen Syrer sich gegenseitig und ausländische Söldner umbringen, ist weniger ein Krieg um eine mythische “Freiheit vom blutigen Regime”, als vielmehr ein Krieg im Interesse internationaler Erdgas- und Erdölkonzerne – und als solcher für Katar nicht mehr aktuell

Die Bilanz der Einkünfte und Ausgaben für diesen Krieg übersteigt jedwedes zulässige Maß, und die pragmatischen Scheichs ziehen es deshalb nun vor, sich mit dem offensichtlichen Sieger – dem Iran – zu einigen. Im Unterschied zu Saudi-Arabien, für das der Krieg in Syrien letztlich eine Frage von Leben und Tod ist, hat der Katar durchaus etwas zu verlieren. Und zu gewinnen, im Falle dessen, dass seine Pläne aufgehen.

Zur wichtigsten Aufgabe wird nun ein Handel mit dem Iran, eine Zuschaltung Katar zu dessen Erdgas-Pipelineprojekten – und das ist es, was der neue Außenminister des Katar (rein zufällig ein Vertreter des Clans Al-Attiyah) versucht. Die Umrisse dessen, was zwischen Katar und Iran vereinbart werden soll, sind in etwa zu erkennen: Teheran bekommt den Zuschlag zu seinem Pipelineprojekt Iran-Irak-Syrien, und Doha soll daran nunmehr als Partner beteiligt werden, wofür es im Gegenzug Quoten und Beteiligung an den Erdgas-Exportrichtungen gibt.

Emir Tamim al-Thani hat dafür auch ein recht gutes Argument für diesen Handel: der von den Sanktionen geschwächte Iran muss die Probleme angehen, die durch diese Sanktionen hervorgerufen wurden, und Fragen entscheiden, die mit dem Bau einer weiteren Pipeline in Richtung Pakistan zu tun haben; dazu noch den durchaus nicht einfachen, und absehbar erbitterten Kampf mit Saudi-Arabien ums Erdöl angehen, sich dazu mit dem Irak alliieren, welcher ebenso an einer enormen Erhöhung seiner Erdölförderung und dessen Absatz interessiert ist.

Katar kann in einem solchen Fall dem problemgebeutelten Iran seine Unterstützung in “syrischer Richtung” anbieten, finanzielle Hilfe beim Bau der Erdgas-Pipeline und aller damit zusammenhängenden Infrastrukturprojekte. Das wäre ein durchaus verlockendes Angebot, wobei ganz pragmatische Wirtschaftsinteressen Hand in Hand mit politischen Interessen gingen. Sowohl Katar als auch der Iran sind an einer Schwächung Saudi-Arabiens interessiert, welches zu allem Überfluss noch das Wohlwollen der Vereinigten Staaten eingebüßt hat, so dass es jetzt ein sehr attraktives Ziel bei dem Unterfangen darstellt, das in den letzten dreißig Jahren zustandegekommene Kräfteverhältnis in der Region umzuformatieren. Das Wahrwerden der Erdgas- und Erdölprojekte des Iran, dazu noch die des Irak und Katars würden es gestatten, das Königreich beiseite zu schieben und es zu einer Anerkennung der Vorreiterrolle des Iran im Nahen Osten anzuerkennen.

Dschobar. Foto: Andrej Filatow / ANNA-News

Der Krieg in Syrien wird für die an diesen Verhandlungen Beteiligten – Iran, Irak und Katar – immer mehr zu einer Bürde. Schon aus diesem Grunde ist die Frage auf der Pressekonferenz vom 26. Februar nicht müßig, sondern von einem genauen Verständnis für die neuen Kräfte- und Interessensverhältnisse in der Region diktiert. Die Antwort des iranischen Außenministers Sarif ist, wie jede diplomatische Antwort, korrekt, aber läßt Spielraum für Interpretationen.

Tatsächlich ist eine politische Allianz zwischen Katar und Iran höchstwahrscheinlich nichts als ein Gerücht. Allerdings ist das beiderseitige Interesse an einer Beendigung des Krieges in Syrien offensichtlich, und eine Koordination der Politik dieser beiden Länder hin zu einer Einstellung der Kampfhandlungen bedarf keiner formale Blockbildung oder der Leistung von gegenseitigen Garantien.

Was die anderen Parteien dieses vermeintlichen “Blocks” – Irak und die Türkei – angeht, so ist deren Interesse an einer Beendigung des syrischen Krieges nicht weniger offenbar, allerdings sind die Gründe dafür jeweils etwas anderer Natur.

Quelle: www.itar-tass.com