Im Vorfeld der am 23. Mai stattfindenden zweiten Runde der Verhandlungen zwischen der „Sechsergruppe“ und Iran in Bagdad, der sich permanent aufheizenden Kriegspolemik (zuletzt am 17. Mai: „USA zu Angriff auf den Iran bereit“), könnte einmal man einen Blick darauf riskieren, inwieweit solche Drohungen realistisch sind und welche anderen Signale noch zum Thema Iran im Äther kursieren.

Die IAEA geht mit Optimismus in Vorverhandlungen mit Teheran, Barack Obama sieht sich genötigt, seine Bemühungen um eine diplomatische Lösung zu verteidigen, das Weiße Haus ist „einer diplomatischen Lösung des Iran-Problems treu“:

Die USA haben nach wie vor die Absicht, den Sanktionsdruck auf den Iran zu verstärken, und ziehen einer militärischen Variante der Lösung des Problems die Diplomatie vor, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney.

„Wir halten an der Politik fest, die auf strengere Sanktionen gegen den Iran, einen größeren Druck auf dieses Land und eine verstärkte Isolation des iranischen Regimes gerichtet ist. Denn US-Präsident Barack Obama ist sicher, dass es noch hinreichend Zeit und Möglichkeiten gibt, um die Ergebnisse des diplomatischen Weges der Regelung zu sehen.

Wie der US-Staatschef bereits betont hat, ist es leicht, über einen Krieg zu sprechen. Aber dabei ist es notwendig, all seine Folgen zu erläutern“, äußerte Carney auf einem Briefing am Montag. (Quelle)

Das US Central Command hatte Ende März eine Kriegssimulation („Internal Look“) durchgeführt, welche die Konsequenzen eines israelischen Angriffs auf iranische Atomanlagen untersuchte. Das Fazit: die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer solchen Aktion US-amerikanische Streitkräfte mit in den Konflikt hineingezogen würden, liegt bei 100%, ebenso die Aussicht auf die Entfesselung eines größeren regionalen Kriegs. Dabei wäre der Effekt für die Amerikaner mit mindestens 200 Opfern unter den Streitkräften zu beziffern, während das potentiell militärische Atomprogramm des Iran um ein oder maximal drei Jahre zurückgeworfen wäre. Diese Simulation, deren Resultate der Geheimhaltung unterliegen und in diesem Fall aber (vielleicht absichtlich) an die Öffentlichkeit gelangten, könnte – ob der Tatsache, dass es keinen eindeutigen „glorreichen Sieger“ gäbe – Obamas Votum für eine diplomatische Lösung beeinflusst haben.

Noch einmal zu betonen wäre hier das „vielleicht absichtlich“ aus obigem Passus. Es ist dabei auch nicht ausgeschlossen, dass die potentiellen Opferzahlen der „Koalitionsstreitkräfte“ bewusst überhöht dargestellt werden. Das wäre sowohl „unserer“, als auch „deren“ Seite recht. Eine zur Schau gestellte Bereitschaft zu Kampfhandlungen gegen den Iran, zu denen (außer von israelischer Seite) weder der Wille, noch eine Notwendigkeit besteht. Offensichtlich spielt innerhalb der vom Weißen Haus insinuierten „diplomatischen Lösung“ die Möglichkeit eines Regime Change im Iran eine wichtige Rolle. Mehr als nur eine Andeutung davon findet sich in der Gratulation von Shimon Peres anlässlich des Nouruz-Fests an das iranische Volk:

„Ich rufe das iranische Volk auf: es ist nicht zu spät, das korrupte Regime zu ersetzen und zum glorreichen persischen Erbe zurückzukehren, einem Erbe von Kultur und Werten und nicht von Bomben und Raketen.“ (Quelle, Original)

Eine realistische Möglichkeit zu einer solchen Veränderung bietet sich bei den iranischen Präsidentschaftswahlen 2013. Dabei ist die ganze Dämonisierung des derzeitigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad als „Diktator“ unsinnig, denn der Präsident ist im Iran (ab)wählbar. Nicht wählbar ist der Oberste Rechtsgelehrte oder Revolutionsführer, derzeit Ali Chamene’i. Sollte Peres diesen sympathischen Großvater, der überdies ein gespanntes Verhältnis zu Ahmadinedschad hat, mit „korruptes System“ gemeint haben, das es zu ändern gelte, so ist sein Aufruf zum Regime Change freilich viel weitgehender, als bloß die Empfehlung der Wahl eines „Reformers“ à la Mussawi zum Präsidenten.

Auf der Hand liegt außerdem noch die Möglichkeit einer strategischen Partnerschaft des Iran mit dem Sultanat Oman, was natürlich den Golfmonarchien ein absoluter Dorn im Auge ist. Das „Bottle neck“ im Fluss, der den Reichtum der letzteren gewährleistet, ist die Straße von Hormus, die bei einer solchen strategischen Partnerschaft von einvernehmlichen, den Golfmonarchien nicht unbedingt freundlich gesinnten Mächten kontrolliert würde.

So phantastisch ist diese Idee nicht. Wenn auch 80% der Bevölkerung des Oman Araber sind, so ist doch die traditionelle historische und geistliche Kultur der Omaner, besonders derer in der südlichen Provinz Dhofar, ähnlich wie die der Jemeniten und unterscheidet sich deutlich von der Kultur anderer arabischer Länder. Die Mehrheit der Moslems im Oman sind Anhänger des Ibadismus, der sich sowohl vom schiitischen, als auch vom sunnitischen Islam unterscheidet. Dabei haben die Ibaditen in der Geschichte gerade mit dem sunnitischen arabischen Kalifat Krieg geführt; mit den Schiiten gab es keine nennenswerten Konflikte.

Heute ist der Oman, neben der Türkei, inoffiziell praktisch ein Mittlerland zwischen dem Westen und Teheran (Beispiel). Im Unterschied zur Türkei allerdings, die ihre durchaus eigennützigen Ziele bei der Positionierung zum Iran verfolgt, ist der Oman wenn noch nicht Bündnispartner, so doch ein befreundeter Staat, was den Golfmonarchien hinsichtlich des weiteren Exports des „Arabischen Frühlings“ und des Projekts einer Wiedergeburt des Kalifats eine Gewisse Sorge bereitet.

Saudi-Arabien versucht vor dem Angesicht der in der Region weiter erstarkenden Rolle des Iran und eines Erstarkens schiitischer Strömungen auf der Arabischen Halbinsel (Bahrain) mit allen Mitteln, die Mitgliedsländer des Golf-Kooperationsrats (GCC) in eine neue Union unter der Ägide Riads zu zwängen. In der neulich (am 14. Mai) abgehaltenen Konferenz des GCC haben nur das von Saudi-Arabien de facto okkupierte Bahrain und der Katar diese Idee unterstützt. Direkt nach dieser Konferenz, am 15. Mai, stellte der Oman unter Beweis, dass er eigene Pläne verfolgt und offenkundig eine Meinung vertritt, die sich von der des saudischen Königs radikal unterscheidet:

Iran und Oman planen ein gemeinsames Rettungsmanöver

Die iranische und omanische Marine werden ein gemeinsames Rettungsmanöver abhalten.

General Salami sagte gestern nach einer gemeinsamen Sitzung mit Militärs aus Oman in Teheran: Das gemeinsame Rettungsmanöver soll Mitte Winter nahe der Provinz Hormozgan im Süden Irans stattfinden. Beide Länder erörtern zurzeit weitere gemeinsame Manöver.

Salami betonte, man habe auch über die Herstellung von Sicherheit in der Region und bilaterale Kooperationen gute Gespräche geführt. (Quelle)

Mahmud mit Sultan Qabus ibn Said

Kein Einspruch, keine „Besorgnis“ und keine Warnungen seitens des US State Department. Man kommt zum Schluss, dass ein wirklicher Angriff auf den Iran seitens der Westmächte nicht gewollt ist. Außer Israel könnten aber die Golfmonarchien hinter den Drohgebärden und dem Säbelrasseln stecken; den geopolitischen Absichten des Westens könnte es dabei entsprechen, den Iran als einen „natürlichen Puffer“ zwischen einer sich durch den Arabischen Frühling radikalisierenden islamischen Region und dem Rest der Welt zu etablieren.