Exilanten

03.11.2012, 11:50 apxwn Blog katar saudi-arabien syrien

Aleppo. Foto: vesti.ruEine Melange aus Deserteuren, NWO-Satrapen und Banditenhäuptlingen wird wohl morgen, am 4. November, im für solch subversive Aktionen prädestinierten Doha im Katar eine “syrische Exilregierung” gründen, nachdem mal wieder “alle Differenzen” der unterschiedlichen Fraktionen beiseite gelegt werden. Hier möchte man gleich kommentieren, dass “Exilregierung” ein Begriff ist, der für eine echte, reale Regierung verwandt wird, welche aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen dazu gezwungen war, den Regierungssitz ihres Landes und ihr Land zu verlassen. Wenn dagegen eine Mischpoke aus sinistren oder zumindest undurchsichtigen Typen unter komfortablen und klimatisch angenehmen Bedingungen und für das Geld anderer Länder irgendein Organ bildet, so muss dieses zweifellos irgendwie anders benannt werden als “Exilregierung”. Bestenfalls noch “Schattenkabinett”, auf jeden Fall aber ist diese konkrete “Regierung” von niemandem irgendwohin ins Exil gejagt worden.

Es ist dann schon ein sekundärer Aspekt, dass bisher alle Versuche, irgendetwas unter “Beiseitelegung aller Differenzen” zu bilden, mit einem leisen “pfft” geendet haben. Oder mit noch unanständigeren Lauten. Das letzte Beispiel dafür ist die Bildung irgendeines vereinigten Militärkommandos der Rebellen, das sich dann angeblich in die “befreiten Territorien” absetzte und seither in der Versenkung verschwunden ist.

Insofern darf man auch bezüglich der “Exilregierung” skeptisch sein. Dabei geht es nicht einmal um diese Struktur an sich, sondern darum, wer von den tatsächlich in Syrien herumschiessenden Banditen bereit sein wird, sich dieser Struktur unterzuordnen, und was diese “Exilregierung” mit denen macht, die sich ihr eben nicht unterordnen. Falls nichts, warum sollte sich dann überhaupt irgendwer dem Oberbefehl irgendwelcher Typen unterstellen, die nichts mit den Entbehrungen “an der Front” gemein haben.

Nach einer gebührenden Kunstpause hat auch das Aussenministerium der RF zu erkennen gegeben, dass es diese “Exilregierung” nicht anerkennen wird. Mehr noch, es wird gar nicht erst als ein selbständiges Subjekt akzeptiert. Die Äußerung des russischen Außenministeriums gilt gar nicht so sehr den “Exilanten”, als vielmehr deren Sponsoren:

Niemand scheint sich nämlich indes noch an die politischen Reformen zu erinnern, die von Präsident Baschar al-Assad initiiert wurden. Sie sind natürlich noch nicht abgeschlossen, aber wichtige Meilensteine sind genommen – es gab Wahlen in die regionalen Vertretungen, Parlamentswahlen und es wurde eine neue Verfassung verabschiedet. Und dabei ist ja die Wählbarkeit des Präsidenten, nebst einem Verzicht auf die Festschreibung der Macht der Baath-Partei, wichtigstes Element dieser neuen Verfassung. Früher waren die Wahlen eigentlich nichts weiter als ein Referendum, das heißt, es gab nur einen Kandidaten und man konnte nur dafür oder dagegen sein. Jetzt ist das anders.

Dabei gibt es in einem solchen System nichts Gutes für Syrien – man sieht sofort, was den Minderheiten dabei droht. Wenn die Mehrheit für ihre Kandidaten stimmt, geht sofort die Balance verloren, deren Garant die Herrschaft der Minderheit war. Und es birgt die Gelegenheit für den Westen und die Golfstaaten, ihre Ziele auf nichtmilitärischem Weg zu erreichen.

Der gegen Syrien entfesselte Krieg hat die innere Situation bereits an den Rand der Entgleisung gebracht. Die bisherige Politik der Assads hat, durchaus mit einigem Biegen und Brechen, so doch ein relativ stabiles, wenn auch nicht hundertprozentig gerechtes System geschaffen, in welchem die konfessionellen Unterschiede nach und nach verblassten und durch ein Nationalbewußtsein ersetzt wurden. Die Aufgabe solcher säkularen Projekte war die Schaffung eines Volks. Eines syrischen, ägyptischen, libyschen, jemenitischen usw. Volks, damit die Menschen sich zuerst als Syrer und erst in zweiter Linie als Sunniten oder Schiiten definierten. Das ist natürlich eine schweres und langfristiges Unterfangen, das lange nicht in all diesen Ländern wirklich gelungen ist. Und inzwischen sind wir so weit, dass dieses “säkulare Experiment” in Syrien so gut wie gescheitert ist. Zumindest in der derzeitigen Phase. Die Demontage der syrischen Gesellschaft schreitet rapide voran, und selbst im Falle eines Sieges von Assad (je länger die Krise andauert, desto weniger wahrscheinlich ist er) wird es höchst schwer, die Menschen wieder um eine Idee zu sammeln.

Die politische Reform Assads würde nun unweigerlich dazu führen, dass das nächste Staatsoberhaupt ein Sunnit ist. Und zwar einer, der nicht von den Minderheiten mitgetragen, sondern durch die Mehrheit kraft ihrer Masse durchgesetzt wird. Je länger der Krieg in Syrien weitergeht, desto verhärteter werden die Fronten, und desto mehr Chancen haben radikale Kräfte. Speziell die Salafiten. Wenn der Krieg dagegen nicht mehr lange geht, so wird Syrien das Schicksal Ägyptens wiederholen, wo inzwischen die “gemäßigteren” Moslembrüder an der Macht sind. Eine tunesische Variante, bei der die Islamisten mit einer sehr starken weltlichen Opposition zu rechnen haben, ist für Syrien bereits so gut wie ausgeschlossen. Für Kompromisse und ausgewogene Lösungen ist der Krieg Gift.

Demokratie im Blut: ägyptisches ParlamentSofern salafitische Kräfte an die Macht kommen, gibt es eine “Big Party” in Saudi-Arabien, denn das Königreich setzt ja gerade auf diese. Damit würde das saudische Projekt, Syrien zerfallen zu lassen und ein sunnitisches Territorium daraus zu extrahieren, das sich später in Ruhe nach Osten – in die sunnitischen Gebiete des Irak – ausdehnen kann, triumphieren. Dafür ist ein langgezogener Krieg mit einer zunehmenden Radikalisierung der Bevölkerung notwendig. Der Katar dagegen ist sehr an einem baldigen Sieg über Assad interessiert. Dann würden die radikalen Strömungen nicht zum Gedankengut der Massen werden, und die Kreaturen des Katar bekommen eine gute Chance. In diesem Fall erleiden die Saud noch eine Niederlage im “Arabischen Frühling”, die sich in eine schmerzhafte Fortsetzung ergießen kann: jede Niederlage rüttelt an der herrschenden Elite, und die Saud bilden da keine Ausnahme. Der Katar verfolgt nicht nur seine geoökonomischen Ziele, sondern strebt auch eine Stellung als Hauptakteur im Nahen Osten an. In diesem Zuge ist die Zerrüttung des benachbarten Königreichs durchaus eines der Ziele des ambitionierten, voluminösen Emir.

Das ist auch der Grund dafür, dass Emir Al-Thani aggressiver auftritt als die Saud. Er ist der Vertreter der Hernagehensweise, die ein “Friedenskontingent”, bzw. die militärische Einmischung “arabischer Staaten” vorsieht. Demnach ist es wohl Katar, von wo aus Anschläge auf die syrische Führungsebene finanziert und koordiniert werden.

Für die Amerikaner ist es derweil relativ egal, wer in Syrien “King of the hill” wird: beide Varianten sind akzeptabel. Mit beiden Varianten lässt sich die US-amerikanische Außenpolitik im Nahen Osten vereinbaren. Von daher auch keine direkte, sichtbare Einmischung in der derzeitigen Phase.