Da haben wir wieder einen flüchtigen Satrapen, und wieder eine Folge aus der mühseligen Staffel “Assad setzt Chemiewaffen gegen sein Volk ein”. Als besonderen Glücksfall kann man den Umstand bezeichnen, dass der nun desertierte Generalmajor Adnan Sillu dazumal für das syrische Chemiewaffenprogramm verantwortlich gewesen sein soll. Der muss es ja wissen. In seiner Videobotschaft heißt es, er sei am 16. Juli Richtung Türkei desertiert und habe nun vor, Chef im Vereinigten Kommando der FSA zu werden. Riad Asaad raucht derweil nervös im Flur des OKH.

Wenn man sich in die Sache hineindenkt, tauchen jedoch ein paar ungeklärte Fragen auf. Man stelle sich vor, in früheren Zeiten wäre ein für das Atomwaffenprogramm verantwortlicher US-amerikanischer General in die Sowjetunion übergelaufen. Ach, wozu gleich Atomwaffen, es hätte schon gereicht, dass er für die Army-Lunchpakete “Meal Ready to Eat” verantwortlich wäre. Wie lange würde man einen solch herausragenden Spezialisten beim Aufklärungsdienst wohl filzen und schütteln, bis man alles, was er weiß, notiert, registriert, geprüft und gegengeprüft hat? Und wie wahrscheinlich ist es, dass er danach durch die Straßen sowjetischer Städte flaniert und Videos auf Youtube hochlädt?

Es passt eben einfach, wie immer. Kaum hat die “Weltgemeinschaft” ihrer Sorge über die Chemiewaffen Syriens Ausdruck verliehen, bitteschön, haben wir eineт Insider als Informationsquelle höchsten Ranges, der sich für die “Demokratie” und gegen das “blutige Regime” entscheidet. My dear, was willst Du, das Oberkommando in der FSA? Warte mal, lege mal schön alles auf den Tisch, was Du weißt, angefangen bei den Aborten der Chemiewaffenlager. Wo, was, wieviel, Transportmittel, Lagerbestände, Zustand, Sicherheitssysteme, Personal, Erfassungssysteme, Einsatz- und Notfallpläne… eine Million Fragen, von denen jede eine ausführliche Antwort braucht. Erst erzählst Du das dem Sachbearbeiter, dann seinem Vorgesetzten, und nachher fliegt man Dich nach Washington, da hast Du es dann mit Leuten mit noch mehr Sternen auf den Schulterklappen zu tun.

Stattdessen spaziert der General nur wenige Tage nach seiner Operation “Ich entschied mich für die Demokratie” durch die türkische Landschaft und produziert Youtube-Videos. Nur zwei Monate nach seiner Flucht ist er bereits in der Lage, das Oberkommando über die FSA übernehmen zu wollen. Ein Chemiker-General, was könnte der wohl zusammenkommandieren? Ist er Fachmann für das Heer, oder Leiter von Sondereinsatzkommandos gewesen? Wenigstens ein Stabsmitglied?!

Kurz gesagt, entweder ist der gute Mann schon so lange weg vom Fenster, dass er keine Ahnung mehr hat, wie die Lage vor Ort wirklich ist, oder aber der Einwurf mit den Chemiewaffen ist einfach nur der nächste Bluff und Öl ins nicht brennen wollende Feuer. In dem Sinne, dass die C-Waffen eben schön verplombt in den Lagern herumliegen und gut bewacht werden, und es da nichts Neues gibt, was die CIA noch nicht weiß.

Und die von Sillu erwähnten Konsultationen, auf denen angeblich besprochen wurde, wann und wo “das Regime” Chemiewaffen anwenden will:

Bei Lagebesprechungen im zentralen Giftgasdepot nahe Damaskus habe es „ernsthafte Diskussionen über die Nutzung von Chemiewaffen gegeben, einschließlich wie und wo sie eingesetzt werden sollen“, sagte Sillu. Als möglicher Fall sei debattiert worden, wenn das Regime die Kontrolle über eine wichtige Region wie Aleppo verlieren sollte. (Zitat von hier)

Dumm nur, dass der Kollege am 16. Juli desertiert ist, als von Aleppo noch gar nicht die Rede war. Das war ja sogar noch vor dem sogenannten “Vulkan in Damaskus”. Wie sollte man über Chemiewaffen in Aleppo schwadronieren, wenn man noch gar nicht im Bilde darüber war, was dort vor sich gehen wird?

Egal, was man sich bei dieser Geschichte fragt: die Ungereimtheiten quellen aus jeder Ritze. Insofern kann man die Meldung dieses ehemaligen Generalmajors getrost als das nächste, vom Zettel abgelesene Réplique werten. Was da auf diesem Zettel stand, hat er eben vorgelesen. Ist ja auch ein General, lesen hat er gelernt.