Abd al-Aziz ibn Saud

Vor 80 Jahren entstand ein neuer Staat auf der Weltkarte – Saudi-Arabien. Die Biographie des jungen Königs Abd al-Aziz ibn Saud, der zum Namensgeber des neuen Staates wurde, erinnert in manchem an die Biographien junger Revolutionäre. Wie Fidel, so gab es auch bei Abd al-Aziz seine Moncada-Kaserne, die er mit einem Dutzend ergebener Mitstreiter stürmte, und später wurde diese fast epische Tat zur Legende des neuen Reiches. Abd al-Aziz wurde zum Sammler der Länder und zum Kämpfer gegen ausländische Gewaltherrschaft und gegen deren inländische Kollaborateure. Er kämpfte sich durch die Rivalität mit den Rashidi, befreite die Heiligtümer des Islam von den Ketzern. — Natürlich ist die offizielle Geschichtsschreibung des Königreichs, wie fast überall, Längen von der Realität entfernt, doch was man als richtig anerkennen muss: Abd al-Aziz ibn Saud war in jedweder Beziehung eine herausragende Persönlichkeit. Das beweisen schon allein die rund 3 bis 4 Dutzend nur männlichen Erben, die er zeugte – kaum auszumalen, was ihn das an Mühen gekostet haben mag.

Das jetzige Königreich ist das dritte in der Geschichte der Dynastie der Saud. Das erste wurde im 18. Jahrhundert von zwei nicht weniger interessanten Persönlichkeiten geschaffen – beide hießen Muhammad, einer ibn Saud, der andere al-Wahhab. Seitdem ist die Staatsideologie des Reiches der Wahhabismus, wie man ihn für gewöhnlich nennt. Die Wahhabiten nennen sich aber natürlich selbst nicht so.

Das Paradoxe an dieser Ideologie ist, dass sie in Zeiten schwerer Krisen wunderbar funktionierte und funktioniert, indem sie die Massen eint. Sie appelliert an die dunkelsten Züge der menschlichen Seele, darunter in erster Linie an den Hass. Allerdings hat sie in Zeiten auch nur relativer Stabilität immer das zerstört, was durch sie selbst geeint, erobert und hervorgebracht wurde. Der Wahhabismus hat den jeweils künftigen saudischen Königen alle drei Male dabei geholfen, aus den versprengten arabischen Oasen ein Reich zu bilden, und der Wahhabismus war es wiederum, der zum Grund der Stagnation und des Niedergangs dieser Reiche wurde. Die jetzige Zeit bildet davon keine Ausnahme. Die kategorische Ablehnung von Neuerungen konserviert die Gesellschaft und beraubt sie der natürlichen Entwicklung, so dass sie schließlich unfähig ist, in einer sich ändernden Welt zu bestehen.

Derzeit ist das nicht mehr lebensfähige und buchstäblich ausgetrocknete Verfahren der Thronfolge zu einem kritischen Faktor für die Stabilität des Königreichs geworden, doch das träge Herrschergeschlecht kann sich immer noch nicht dazu durchringen, das von Abd al-Aziz festgelegte Verfahren anzupassen: Bruder beerbt Bruder. Es scheint, als werden sie sich dazu auch nicht mehr durchringen. Es gibt also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das diesjährige runde Jubiläum zum letzten Jahrestag des Dritten Reichs der Dynastie Saud werden wird. Aber keine Sorge, sie bauen ein Viertes auf.