Der Jahresrückblick 2013 für Jemen zeichnet alles in allem ein recht trübes Bild von der Lage und den Perspektiven des Landes. Sehr interessant auch im Zusammenhang mit den Filmen “JSOC” und besonders – wer des Russischen mächtig ist – “Terra Al-Kaida”. Quelle für den Jahresrückblick: itar-tass.com

Der Jemen zählt zu den Ländern des Arabischen Frühlings, bei denen von Anfang an nichts nach dem geplanten Szenario verlief. Schon wenige Monate nach dem Aufkommen des Interesses an den Volksprotesten in Sanaa wurde es für Journalisten zunehmend schwerer, über das Streben nach Demokratie und Fortschritt unter dem Joch der nächsten Diktatur zu berichten. Was schließlich das despotische Regime Ali Abdullah Salihs ablösen sollte, sah so gar nicht nach Fortschritt, Demokratie oder wenigstens einer elementarer Ordnung aus.

Das Grundübel Jemens besteht dabei in einer der höchsten Geburtenraten der Welt. Wie viele Entwicklungsländer erlebt auch Jemen diesen Übergang zwischen einem Bevölkerungswachstum ersten und zweiten Typs. Die Gefahr dieses Übergangs besteht dabei darin, dass eine bereits nur verhältnismäßig gute medizinische Versorgung und eine Verbesserung der Lebensstandards die Sterblichkeit spürbar senken, die Geburtenrate dabei aber auf dem bisherigen Niveau verbleibt. Dies führt zu einem enormen Anstieg der Bevölkerungszahl.

Diese Übergangszeit dauert normalerweise nicht allzu lange an. Bei einer stabilen Entwicklung des Landes etabliert sich nach und nach ein Bevölkerungswachstum des zweiten Typs, bei dem Fertilität und Geburtenrate sinken und sich somit die Geschwindigkeit des Bevölkerungswachstums verlangsamt.

Alterspyramide Jemen 2012 mit Ali Abdullah Salih

Diktator und Despot Ali Abdullah Salih war natürlich nicht gerade ein Geschenk des Himmels. Unter seiner Führung kam das Leben im Lande allerdings allmählich in geregelte Bahnen. Diese Entwicklung verlief dürftig und recht armselig, und von 1975 bis zum Beginn des „Frühlings“ verdoppelte sich die Einwohnerzahl auf 24 Millionen Menschen. Dabei brauchen sich die Jemeniten darüber nicht zu freuen: heute ist knapp die Hälfte der Bevölkerung unter 15 Jahre alt, während nur etwa 3 Prozent älter als 65 sind. Das Bevölkerungswachstum verlangsamt sich überhaupt nicht und beträgt kolossale 3 Prozent.

Zusätzlich besteht für Jemen, wie auch für Syrien, ein ernsthaftes Problem durch Flüchtlinge aus anderen Ländern. Syrien brachten die beiden Flüchtlingswellen aus Palästina und dem Irak fast zwei Millionen neue Einwohner. Während es die Palästinenser irgendwie geschafft haben, in das Leben des Landes „hineinzuwachsen“, wurden die halbe Million Iraker (nach einigen Angaben auch bis zu einer Million) zu einer schweren Bürde für die Wirtschaft des Landes. In dem nun schon drei Jahre andauernden Krieg bilden diese Menschen für Rebellengruppen eine Ressource für die Rekrutierung neuer Kämpfer.

Die Zahl der Flüchtlinge im Jemen ist geringer: sie liegt schätzungsweise zwischen 300 Tausend und einer halben Million. Sie erreichen den Jemen größtenteils aus “Übersee” – aus Somalia, Äthiopien, Eritrea. Die Wirtschaft des Jemen ist aber um einiges schwächer als die Syriens wodurch die Flüchtlinge während des “Frühlings” zu einem nicht zu unterschätzenden destabilisierenden Faktor wurden.

Kath-Plantage im Jemen

Ein weiteres Unglück besteht für das Land in der totalen Drogenabhängigkeit. “Total” ist dabei nicht einfach rhetorische Übertreibung. Etwa 90 Prozent der Männer und etwa ein Drittel der Frauen konsumieren Kath (Abessinischer Tee), eine leichte Droge, die im Jemen selbst hergestellt wird. Sein Konsum ist reglementiert. Doch bei einer dermaßen weiten Verbreitung wirken weder Gesetze noch Verbote. Der Kathstrauch verdrängt andere Agrarkulturen, wobei es mit der Wasserversorgung im Jemen ohnehin schon nahezu kritisch bestellt ist. Das führt dazu, dass die Vergrößerung von Anbauflächen für Kath zu einer geringeren Erzeugung von Lebensmitteln führt, womit die schwierige Lage der Bevölkerung nur noch erschwert wird.

Zu guter Letzt stellt der Tribalismus (die Unterteilung in Volksstämme) eine weitere spezifische Besonderheit im Jemen dar. Unter diesen Bedingungen existierten zwei Rechtssysteme parallel – “das Gesetz” des Staates und das gewöhnliche, traditionelle Recht. Salih war sich dieser Besonderheit bewusst und schuf eine recht nachhaltige Balance zwischen den Scheichs der Volksstämme und der Regierungsmacht. Allerdings führte die sich seit Mitte des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrhundert unaufhörlich verschlechternde wirtschaftliche Situation zu Konflikten, welche wiederum zu einem der Bestandteile des “Frühlings” im Jemen wurden.

Wichtigster Gegner Salihs und seines Clans von Seiten der Stammesscheichs war und bleibt Sadiq al-Ahmar, der in gewisser Weise Anführer der Haschid, einer Stammeskonföderation, ist, welcher sich im Laufe der Zeit auch die Scheichs des größten Stammeszusammenschlusses, der Bakil, anschlossen. Und so so schwelt die immer noch nicht befriedete Rebellion der zaiditischen Schiiten von der al-Ḥūthiyyūn in Nordjemen bis zum heutigen Tage. In den sunnitischen Regionen im Süden des Landes operieren verschiedene radikale sunnitische Gruppierungen, unter denen als bedeutendste die „Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel” (Al-Qaeda in the Arabian Peninsula, AKAP) und „Ansar Ash-Scharia“ anzuführen sind. Die Bevölkerung des ehemals prosozialistischen Südjemen bringt als weitere Beigabe zu der dicken Suppe aus Widersprüchen linksradikale oder auch nur säkulare Gruppierungen mit undurchsichtigen ideologischen Ausrichtungen mit ein.

Ali Abdullah Salih 2004

Die Aufgabe des Präsidentenamtes durch Ali Abdullah Salih änderte relativ wenig an den Geschicken Jemens. Der Fortgang Salihs und die Übergabe der Macht an den ehemaligen Vizepräsidenten Abbed Rabbo Mansur Hadi zeigte keine Auswirkung auf die feste Kontrolle des Salih-Clans über die Gewaltstrukturen im Land. Sein Sohn Ahmed ist nach wie vor Kommandeur der Republikanischen Garde, die im Grunde eine Stammesmiliz auf ständiger Grundlage bildet. Das von Salih aufgebaute System den Patronage erhält dem Clan Salihs die Loyalität eines Teils der Scheichs. Auf die Armee kann sich A.R. Mansur Hadi nicht vollständig verlassen – zum Teil wird diese durch Anhänger der „Allianz der jementischen Stämme“ von S. Ahmar und dessen Verwandte kontrolliert.

Zuguterletzt wird durch die US-amerikanischen Drohnen Öl ins Feuer gegossen, welche ihren Krieg gegen jene führen, die die USA zu Terroristen zählen. Zum Beispiel wurde am 12 Dezember 2013 eine Hochzeitszeremonie von einer Drohne angegriffen, in Folge dessen 17 Menschen getötet wurden. Natürlich wurde dabei der Tod von zwei gesuchten Terroristen der AKAP, eines gewissen Saleh al-Tais und Abdul al-Tais, verlautbart, doch selbst, wenn das so ist, so spricht ein Verhältnis von 15:2 „zugunsten“ von friedlichen Zivilisten Bände über die Effektivität einer solchen Taktik.

Es ist nur logisch, dass die Rebellen sich die Fakten solch barbarischer Attacken zur Propaganda ihrer Ansichten zunutze machen und die Bevölkerung dabei auf einen Kampf gegen die Regierung orientieren, welche auf dem Territorium des souveränden Jemen die Einmischung ausländischer Militärs zulässt.

Szene aus “Terra Al-Kaida”: uralt, aber Hauptsache Waffen

Der endlose Krieg zwischen den Konfliktparteien im Jemen erfuhr im Dezember 2013 einen neuen Impuls durch den großangelegten Angriff der Kämpfer der Ansar al-Scharia (Anhänger der Scharia) auf das Verteidigungsministerium. Bei den Kampfhandlungen wurden mehr als 50 Menschen getötet und rund 170 verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befand sich Präsident A.R. Mansur Hadi im Militärkrankenhaus des Gebäudekomplexes, was den Gedanken an eingeweihte Informanten der Aufständischen in der Umgebung des Präsidenten nahelegt.

Insgesamt ist das Jahr 2013 für Jemen zum Jahr einer dynamischen Verschlechterung der Lage geworden. Die Verschlechterung erscheint insgesamt nicht allzu rasant, doch kann man bis jetzt noch nicht einmal von einer Verlangsamung dieses Prozesses sprechen.

Faktisch folgt Jemen dem Weg Somalias – eine weitere Verschlechterung der Umstände könnte dessen Territorium endgültig fragmentieren und die Staatsmacht rein nominell werden lassen, falls sie überhaupt weiter bestehen bleibt. Übereinkünfte sind bei einer dermaßen hohen Zahl an sich ungefähr ebenbürtigen Konfliktparteien und vor dem Hintergrund schwindender Ressourcen und sich verschlechternder wirtschaftlicher und sozialer Umstände eher unwahrscheinlich. Man kann jetzt einzig noch nicht genau abschätzen, wie lange der Zerfall noch voranschreiten und wie rapide sich seine finale Phase gestalten wird.

Das Einzige, was die derzeitige Situation grundlegend verändern könnte, wäre die Einmischung einer äußeren Macht, die zugunsten einer der Konfliktseiten Partei ergreift, ihr eine Überlegenheit gegenüber den anderen verschafft und dieser somit dazu verhilft, ihre Beziehungen von einer Machtposition aus zu gestalten.

Allerdings wird sich ein solcher Prozess unausweichlich über viele Jahre hinziehen, und besonders wahrscheinlich scheint eine derartige Einmischung einer ausländischen Macht auch nicht zu sein.

Ziel: Jemen. Quelle: thetimes.co.uk