Menschliche Schutzschilde

05.09.2013, 11:33 apxwn Blog syrien

Ein kleines Stimmungsbild aus Damaskus. Quelle: KP.ru. Sogar Reuters hat vom Berg Qasyun berichtet: eine Aktion von “Assad-Anhängern” natürlich. Bestimmt alles “Alawiten”.

Damaskus, Berg Qasyun: Zeltlager mit “menschlichen Schutzschilden”

Der Berg Qasyun gilt als eines der Symbole von Damaskus, als eine Kultstätte und als lauschiger Ort für Rendezvous. Keiner von den Einwohnern der Stadt hat je daran gedacht, dass die auf diesem Berg befindlichen Luftabwehrstellungen ihn zu einem der Hauptziele für Bombenangriffe machen könnten. Die dort befindliche Basis „verschließt“ faktisch den Himmel über der syrischen Hauptstadt. Nicht von ungefähr haben die bewaffneten Banden es im vergangenen Frühjahr versucht, diesen kargen, verwitternden und von Furchen durchzogenen Berg zu besetzen. Fast drei Tage lang musste die Luftwaffe die Banditen angreifen, die sich auf einer benachbarten Höhe verschanzt hatten. Der Großteil wurde liquidiert, die übrigen haben sich in den weitläufigen, fast nur aus Eigenbau bestehenden Stadtvierteln verkrochen, welche die Hänge dieses Damaszener Symbols besetzen. Auch heute noch ist es hier nicht gerade ruhig. Um zu einem der Aussichtspunkte zu gelangen, muss man wohl ein Dutzend Checkpoints passieren. Allerdings öffnet einem der Titel „russische Journalisten“ in Syrien immer noch Tür und Tor. An einem der Checkpoints zeigt man uns sogar ein Porträt Putins, das jemand mit einem Farbdrucker ausgedruckt hat.

Am Aussichtspunkt ist es noch still, allein der Wind fährt geräuschvoll durch die Vorhänge aus alten Armeezelten. Allzu viele Freiwillige sind es noch nicht: der Organisator sagt uns, die übrigen kommen später – „Die Leute haben noch in ihren Familien, auf Arbeit und beim Studium zu tun“.

Es weht eine Brise, es ist kühl, obwohl am Fuß des Bergs eine geradezu afrikanische Hitze und eine schwere, an eine Saune erinnernde Atmosphäre herrscht. Mitunter hört man vom gegenüberliegenden Hang des Berges schwere Artillerie hämmern, wir sitzen derweil in einem der letzten Cafés, das noch nicht durch den Mangel an Touristen und Kunden pleite gegangen ist, und schauen voller Schrecken auf die Karte der Kampfhandlungen, die sich zu unseren Füßen bis zum Horizont erstreckt. Rauchsäulen steigen aus Richtung Daraya auf; offenbar hat man beschlossen, diesen Vorort endgültig dem Erdboden gleichzumachen. Dann und wann wirft die Artillerie ein paar Flammen nach Ghouta. Doch die gewaltigsten Einschläge treffen Dschobar. Das Stadtgebiet Dschobar liegt zwar nicht im Zentrum der Hauptstadt, ist aber auch noch nicht ganz Vorort. Inmitten der gelblichen, mehrgeschossigen Häuser wachsen Säulen aus kohleschwarzem Rauch. Der Krieg kriecht um Damaskus herum, stößt in jede Richtung auf der Suche nach Breschen in der Verteidigung. Über dem Zentrum der Hauptstadt hängt in der unruhigen Luft ein dichter Vogelschwarm, den das Artilleriefeuer aufgeschreckt hat.

Damaskus, Berg Qasyun: Blick auf die syrische Hauptstadt

Damaskus, Berg Qasyun: Blick Richtung Dschobar

Beim Einbruch der Dunkelheit ist es aufgrund der Menschenmassen schier unmöglich, zu dem Aussichtspunkt zu gelangen. Jetzt sieht man deutlich, dass der Berg Qasyun nicht nur ein militärisches Objekt ist:

„Hier befindet sich ein Funkturm, über den alle syrischen Medien ausgestrahlt werden“, sagt einer der Organisatoren der Aktion, Hasem Schaer. „Sicherlich werden sie versuchen, uns der Medien zu berauben, unsere Medien zum Schweigen zu bringen. Genau das haben sie im Irak und in Libyen gemacht, und dort ist es ihnen gelungen.“

Damaskus, Berg Qasyun: Erste-Hilfe-Kurs

Aus großen Boxen scheppert Musik. Die Syrer waren natürlich im Bilde darüber, dass hier Journalisten zugegen sind, nach einer Weile aber vergaßen sie den gar nicht spaßigen Anlass der Versammlung und verfielen in Partylaune. Ansonsten ist hier alles wie in einem Pionierlager – alles verläuft geordnet. Die Freiwilligen, derer es schon einige Hundert sind, sitzen beieinander und lauschen unter freiem Himmel Vorträgen. Auf besonderes Interesse stößt das von einer jungen Frau gehaltene Training in erster Hilfe bei der Wundversorgung. Direkt neben uns sitzt ein junges Pärchen. Sie umarmen sich nicht, sondern halten verstohlen Händchen. Sie fragen uns, in welcher Sprache wir uns unterhalten. Im Verlauf der Unterhaltung erfahren wir, dass Ahmed „Spider“ aus Ägypten nach Damaskus gekommen ist.

Damaskus, Berg Qasyun: Ägypter solidarisieren sich mit den Syrern

„Ich bin hergekommen, um die Syrer im Kampf um ihr Land zu unterstützen. Alles, was man in Ägypten von den Vorfällen hier erfährt, ist, dass Baschar al-Assad seine Bevölkerung mordet. Aber das stimmt überhaupt nicht. Wenn ich in meine Heimat zurückkehre, werde ich den Leuten berichten, was sich hier in Wirklichkeit abspielt.“

„Fürchten Sie nicht, ins Bombardement zu geraten?“ fragen wir seine Begleiterin Roula Ghazal.

„Nein. Würde ich mich fürchten, so wäre ich nicht hier. Und ich bleibe hier, bis Obama davon abkehrt, Syrien zu bombardieren.“

Damaskus, Berg Qasyun: Warten auf US-amerikanische Bombenangriffe

Damaskus, Berg Qasyun: Syrische Nationalhymne, Warten auf US-amerikanische Bombenangriffe

Damaskus, Berg Qasyun: Warten auf US-amerikanische Bombenangriffe

Damaskus, Berg Qasyun: Warten auf US-amerikanische Bombenangriffe