Nachdem es sich vor wenigen Tagen schon angedeutet hatte, ist es nun soweit: Moas al-Chatib tritt als Chef der „Syrischen Nationalkoalition“ zurück. Man sollte mit der Freude darüber wahrscheinlich nichts überstürzen. Dass es in der „Opposition“ keine Einigkeit gab und gibt, ist ein offenes Geheimnis. Allerdings hatte der Anschein einer Einigkeit zumindest zur Folge, dass man annehmen konnte, in Zukunft würde es zu Gesprächen, Verhandlungen usw. kommen. Diese Illusion ist nunmehr beseitigt, offenbar wird sie nicht mehr benötigt.

Zusammen mit einer ganzen Reihe anderer Meldungen kommt man eher darauf, dass der Westen die Zerschlagung Syriens um jeden Preis vorantreiben will, auch durch eine (begrenzte?) militärische Intervention unter Missachtung aller gegebenen Prozeduren und des Völkerrechts. Unter diesen Umständen ist eine Opposition, die auch nur eine Illusion möglicher Verhandlungen bedeutet, nicht notwendig. Und es ist wahrscheinlich auch naiv anzunehmen, dass al-Chatib seinen Rücktritt eigenständig entschieden hat.

Auf diese Weise bekommen nämlich erst einmal die diversen FSA- und Islamistenkommandeure und ihre Brigaden freie Hand, in erster Linie der fahnenflüchtige Brigadegeneral Selim Idriss, der in Dresden studierte und heute wohl der Rebellenkommandeur mit dem größten Einfluss sein dürfte – auch bei den Islamisten, für die er mehrfach forderte, die Al-Nusra-Front möge wieder aus der Liste der Terrororganisationen gestrichen werden.

Der Rücktritt des libanesischen Premiers Nadschib Mikati samt Kabinett fällt mit diesen und anderen Ereignissen der Region zusammen. Unter den formalen Gründen, die Mikati anführt, nennt er Unstimmigkeiten mit der Hisbollah und die bewaffneten Auseinandersetzungen in seiner Geburtsstadt Tripoli. Ein Grund wird aber auch sein, dass seine Macht wohl nicht so weit ging, einerseits den Forderungen Syriens nach einer Eindämmung der Aktivität der Terrorbrigaden, welche vom Libanon aus in Syrien operieren, zu entsprechen, und sich andererseits mit den Sunniten Harirs zu einigen. Mikati hatte Mittel weder zu einer militärischen, noch zu einer politischen Beilegung dieses Zwiespalts.

Syrien wird auf diese Weise gezwungen, die Lager der Terroristen auf libanesischem Gebiet weiterhin anzugreifen und damit einen fortwährenden Casus belli zu liefern. Israel und die Türkei haben jetzt, besonders nach jüngsten der „Entschuldigung“ Netanjahus, keinerlei hindernde Umstände mehr dafür, den „Aggressor“ zum Frieden zu nötigen. Der praktische Nutzen der kürzlichen Obama-Visite nach Israel war vielen nicht klar, aber es ist durchaus möglich, dass die Seiten sich geeinigt haben, Syrien gegen eine Unterstützung Israels im Konflikt mit dem Iran einzutauschen. Ein gemeinsamer Schlag Israels und der Türken gegen Syrien könnte sich voll und ganz in dieses Szenario einpassen.

Und genau so gut passt natürlich das jüngste Statement Öcalans über das Ende des bewaffneten Kampfes der PKK gegen die Türkei und einen Rückzug deren bewaffneter Verbände von türkischem Gebiet. Die Türkei bekommt die Hände für gewisse andere Aufgaben frei.

Was haben wir also? Eine Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Türkei samt „Freundschaftsanfrage“, den Rückzug der bewaffneten PKK aus der Türkei bzw. ein Ende des bewaffneten Kampfes, den Rücktritt des pro-syrischen libanesischen Premiers und damit eine Zementierung der von Hariri gedeckten Terroristencamps im Libanon, den Rücktritt al-Chatibs und damit das Ende der (vielleicht schwachen und illusorischen, aber dennoch vorhandenen) Signale auf Versuche einer politischen Beilegung des Syrienkonflikts. Und vor etwas über einer Woche Meldungen über neu aufgebaute israelische Stellungen auf den Golanhöhen (die Meldung beinhaltete etwas über „Erdarbeiten an Schutzwällen“). Man kann die Situation in Zypern auch mit herannehmen. Die wiederum zeugt davon, dass die USA und die EU derzeit ihre Probleme nicht auf die althergebrachte Weise – durch selbst geführte Kriege – lösen können. Also durch Kriege, in denen die Schulden einfach abgeschrieben werden – wie zuletzt in Libyen. In Zypern läuft folglich blanker Raub, und Kriege werden mit den Händen anderer geführt. Anderer, die für Waffen, Know-how, Logistik und Versorgung bezahlen und damit auch die Wirtschaft ankurbeln.

Kurzum, nach Verhandlungen und politischer Lösung sieht es in Syrien erst einmal nicht mehr aus. Die Rebellen sind dabei selbst nicht in der Lage, die Situation militärisch zu ihren Gunsten umzuwerfen, selbst, wenn sie noch mehr Waffen bekommen. In erster Linie kämpfen Menschen, nicht so sehr Waffen. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit einer Militärintervention jetzt um ein Vielfaches höher.