Foto: Andrej Filatow / ANNA-News

Wenn die in Syrien marodierenden Banden Videodokumentationen ihrer Aktionen ins Internet stellen und damit selbst ihre eigenen Verbrechen offen zugänglich machen, so hat das nicht nur damit zu tun, dass heutzutage jeder ein Smartphone in der Hosentasche stecken hat, das es einem gestattet, jeden Mist festhalten und zu “teilen”. Hinter den berüchtigten “Rebellenvideos” steckt eine ganze Informations-Infrastruktur, die es selbst unter widrigsten Bedingungen “auf dem Feld” (oder eben im Kessel) möglich macht, sich Zugang zur Infosphäre zu verschaffen. Dabei werden nicht nur die vor Ort vorhandenen mobilen Internetzugänge genutzt (die aus taktischen Gründen eben auch zeitweilig gekappt werden können), sondern ebenso auch Satellitenverbindungen und eigens implementierte Cross-Border-Hubs (“Internet in a suitcase”).

Mit anderen Worten, hinter dem Zustandekommen der Videos, die es teilweise mit dem Spruch “die Authentizität der Aufnahmen kann nicht unabhängig geprüft werden” in die Medien schaffen, steckt beiweitem nicht nur das natürliche Bedürfnis nach Kommunikation oder sozialer Interaktion. Ein beträchtlicher Teil der Aufnahmen ist gezielte Dokumentation, oder besser: Berichtswesen.

Zu dieser Kategorie gehören insbesondere Dokumentationen militärischer Erfolge, von Überfällen, Zerstörungen und Besetzungen. Es handelt sich dabei nicht etwa um Geschichtsschreibung, sondern in vielen Fällen simpel und ergreifend um Rechenschaft, die einem Sponsor gegenüber abgelegt wird – Dokumentationen, welche die “richtige” Verwendung der Mittel nachweisen sollen. Kein Sponsor hat Lust, einfach blindlings seine Millionen in ein Loch zu werfen und damit irgendeinen nichtsnutzigen Emir fett werden zu lassen. Es braucht Erfolgsberichte.

Dass es dabei auch zu reinen PR-Aktionen kommt, weiß man spätestens seit einer Episode im Krieg gegen Libyen, als ein paar Hundert NTC-Banditen kurzzeitig Bani Walid besetzten, dort vor Videokameras ihre Flagge hissten und kurz darauf unter schweren Verlusten zurückgetrieben wurden. Offensichtlich war es die über 200 Toten wert, dem Sponsor einen solchen Bericht zu liefern. Nichtsdestotrotz gibt es in den Dokumentationen auch Handfestes, das keine Zweifel über die “richtige Verwendung” von Sponsorenmitteln zulässt.

Dazu gehören in erster Linie Zerstörungen von Militärtechnik des Gegners sowie Tötungen von Armeeangehörigen. Beides gibt es mannigfach, und es gibt einige Leute, die sich darauf spezialisiert haben, solche Videos zu geolokalisieren und die dort vorkommende Waffentechnik zu identifizieren.

Zum Glück gibt es nicht nur den mutmaßlich FSA-assoziierten “Brown Moses”, sondern auch Leute, die ich als wirklich unabhängig bezeichnen würde. Obwohl ein russischer Blogger, ist “iltg2009” in all seinen Darlegungen über Syrien nach meinem Dafürhalten ziemlich neutral. Hier gab es vor mehreren Monaten eine Zusammenfassung seiner kontinuierlich laufenden Analyse solcher “Rebellenvideos” zum damaligen Zeitpunkt und es ist jetzt wohl an der Zeit, die Daten zu aktualisieren. Gleichzeitig wird es aus der Quelle wohl das letzte Update dieser Art sein, denn der Kollege stellt seine Arbeit in dem Bereich ein (obwohl es wahrscheinlich noch zu früh für ein endgültiges Fazit der Verlustzahlen an syrischer Militärtechnik ist).

Zur Methode

Wie oben dargelegt, handelt es sich bei den folgenden Zahlen um das Ergebnis der Analyse aller verfügbaren Online-Videos, die den Syrienkrieg betreffen. Die Orte der Aufnahmen sind überwiegend recht genau identifiziert worden, ebenso auch die Art der Militärtechnik, die in dem jeweiligen Fall zerstört worden ist. Gezählt wurden ausschließlich definitiv zerstörte Panzerfahrzeuge, nicht gezählt wurden hingegen erbeutete, geraubte, verkaufte, aufgegebene Fahrzeuge.

Arten von Panzerfahrzeugen

Unterschieden wird nach Arten, nicht nach Typen. Nur für die Panzer als solche kommt (weil da relativ simple) Differenzierung nach Typen.

Die Arten sind: Panzer, Schützenpanzer (BMP), Mannschaftstransporter, Selbstfahrlafetten (Artillerie), Flak-Panzer (“Schilka”), Bergepanzer, Sanitätspanzer, Spähpanzer, Kommandofahrzeuge, Panzerwagen (oder gepanzerte Wagen).

Einschätzung

Die Gesamtzahl aller so registrierten Verluste dieser Arten von Militärfahrzeugen beträgt bis Ende Oktober 2013 runde 1.200 Einheiten (Stand: Mitte November 2013). Wenn die Syrische Arabische Armee vor Beginn des Krieges allein über 1.400 T-72-Panzer verfügt haben soll, so kann man diese Zahl in etwa einordnen, unter Berücksichtigung dessen, dass die knapp 200 zerstörten T-72 durch eine gewisse Zahl an nicht einsatzfähigen, abgeschriebenen, erbeuteten oder auch “vercheckten” Einheiten im Bereich “Verluste” aufgestockt werden müssten.

 

Darstellung der Verluste nach Zeit und Ort (Provinzen plus Damaskus, Aleppo und Homs als gesonderte Orte). Die bis einschl. 08/2012 registrierten Verluste sind nicht mit dargestellt (summieren sich aber auf gut 25% der gesamten Verluste von 1.200 Einheiten). Man erkennt relativ deutlich Sprünge wie die “Winteroffensive” der Rebellen um Damaskus oder die Verlagerung der “panzerbrechenden” Aktivitäten in die Provinz Aleppo nach dem Fall von Al-Qusair (Spätsommer 2013). Immer heiß (und damit ein noch bevorstehender Brocken) ist Daraa, während es in Idlib vergleichsweise ruhiger geworden ist.

Darstellung der Gesamtverluste nach Provinz bzw. Stadt (Damaskus, Aleppo, Homs). Die drei Hauptrichtungen, aus denen Syrien angegriffen wird – Nord (Provinzen Aleppo, Idlib, Ar-Raqqah aus der Türkei, Libanon als Einfallstor für Terrorbrigaden v.a. aus Nordafrika), Süd (Provinzen Daraa und Damaskus mit Banden aus Richtung Jordanien und dem Libanon) und Ost (Provinz Deir ez-Zor aus Richtung Irak) sind recht gut zu unterscheiden, obwohl die Provinz Homs durch ihre Ausmaße in dieser Projektion wenig hilfreich ist. Während Tartus eigentlich keine Fragen aufwirft, ist das scheinbar völlige Ausbleiben von “panzerbrechenden” Nachrichten aus der Provinz as-Suwaida (Bevölkerung überwiegend Drusen und Christen) ein kleinwenig rätselhaft bzw. ließe, wenn das nicht lediglich auf dem Fehlen von Nachrichten aus der Provinz beruht, Rückschlüsse über das dortige Kräfteverhältnis zu (ähnlich, wie man die Zahl für al-Hasaka mit der Position der Kurden in Verbindung bringen kann).

Gesamte Verluste an Panzerfahrzeugen nach Art. Panzer und Schützenpanzer als unmittelbar an den vordersten Linien eingesetzte Technik führen die Liste logischerweise an.

Verluste in den Provinzen Damaskus und Aleppo über die Zeit. Sehr deutlich wieder die “Winteroffensive 2012” der internationalen Verbände sowie das Aufflammen in der Provinz Aleppo im Zusammenhang mit der (mutmaßlichen) SAA-Offensive im Norden nach dem Fall von Al-Kusair.

Selbst, wenn man davon ausgeht, dass die Verluste an Kampfpanzern doppelt so hoch sind wie die in dieser Zusammenstellung erfassten, wären das immer noch höchstens 30% der Gesamtzahl. Viele der T-55 sind als feste Kampfstellungen verbaut und damit keine Offensivwaffen. Offensive Verluste sind folglich vorwiegend die knapp 200 T-72 und die alten T-62 (letztere überwiegend in den nördlichen Provinzen).

Quelle für die Daten: iltg2009.livejournal.com