Zeit für die russische “Wochenschau”. Zu den dort erwähnten Ereignissen in Bani Walid sei vorweg angemerkt, dass heute vom libyschen Verteidigungsministerium die Meldung kam, dass die Lage in der Stadt “nicht von der Regierung kontrolliert” werde. Viele “Freunde der Dschamahirija” weltweit nahmen diese Nachricht mit Freuden auf, da sie als Erfolg eines “grünen Widerstands” interpretiert wurde, jedoch sahen Meldungen in manchen russischen Quellen etwas anders aus: die Regierung kontrolliere zwar Bani Walid nicht, aber die Misurata-Banden tun es (weitgehend), und diese wiederum werden nicht von der Regierung kontrolliert.

Brennpunkte der Woche

In Syrien wurde zum islamischen Opferfest auf Vorschlag des Sondergesandten der UN und der Arabischen Union Brahimi eine viertägige Waffenruhe vereinbart. Dass diese Waffenruhe, genau wie die vorangehenden Vereinbarungen dieser Art, wohl nicht eingehalten werden wird, war vorher schon fast klar. Schon am Freitag ist im Wohnviertel Daf al-Shouk im Süden von Damaskus eine Autobombe explodiert. Verschiedenen Angaben zufolge sind dabei bis zu 47 Menschen ums Leben gekommen. Am gleichen Tag wurden in Deraa Militärangehörige von Terroristen in die Luft gesprengt, im Ort Maaret Numan an der Strasse von Damaskus nach Aleppo wurde ein Militärstützpunkt überfallen. Selbstredend hat die Armee diese Angriffe zurückgeschlagen. So ist der Waffenstillstand letztlich nicht zustande gekommen.

Dabei ist es interessant zu erwähnen, dass Russland vor der UNO eine Verurteilung der blutigen Anschläge gegen Zivilisten in Damaskus beantragt hat. Das wurde vom Westen allerdings abgelehnt. Der stellvertretende russische Aussenminister Gennadij Gatilow schrieb dazu im Twitter-Netzwerk:

Der Westen blockiert im UN-Sicherheitsrat wieder die Verurteilung des Terroranschlags in Damaskus. Die Opposition bricht die Waffenruhe. Ihr Kurs zur Fortsetzung der Gewalt ist offensichtlich.

Tatsächlich, warum sollte man den Anschlag verurteilen. Es ist ja nicht irgendeine, sondern eine demokratische Bombe explodiert. Und wir wissen, dass es nicht zu viele demokratische Bomben geben kann.

Wie sieht es derweil mit dem Überfall der Türkei auf Syrien aus? Glücklicherweise ist unsere Prognose bislang nicht wahr geworden, obwohl es weiterhin dahingehende Signale gibt. In dieser Woche sollen wieder angeblich syrische Geschosse auf türkischem Territorium niedergegangen sein, wodurch ein Krankenhaus beschädigt wurde. Es kam zu einem Skandal um die Äußerungen des Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte in Europa, Mark Hertling. Er sagte, dass vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Lage in Syrien ein “kleines” Militärkontingent in die Türkei entsandt worden ist. Diese Nachricht wurde von der türkichen Öffentlichkeit sehr negativ aufgenommen. Denn wie wir wissen, gibt es in der Türkei ohnehin schon eine US-Luftwaffenbasis, auf welcher übrigens bis zu 70 Atomraketen gebunkert sind.

Schließlich sahen sich amerikanische Diplomaten gezwungen, ein Dementi abzugeben. Man habe alles falsch verstanden und es gehe nicht um eine Stationierung US-amerikanischer Streitkräfte in der Türkei. Es gehe vielmehr um die Entsendung amerikanischer Fachleute, welche helfen sollen, die Probleme mit den Flüchtlingen aus Syrien und den Terroristen zu lösen sowie die türkische Luftabwehr verstärken sollen. Diese Rechtfertigung ist offen gesagt schwach, denn wir wissen ja bereits, wie die “amerikanischen Fachleute” Probleme mit Terroristen zu lösen helfen, schon allein aus der Angelegenheit mit der Tötung Osama bin Ladens in Pakistan.

Dieser Tage reist Erdogan nach Deutschland, wo er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel unter anderem die Lage in Syrien besprechen wir. Deutschland besitzt die wohl kampfstärksten Streitkräfte in Europa, zeigt aber wenig Interesse an einer Beteiligung am Konflikt in Syrien, ähnlich, wie es keine Ambitionen beim Krieg gegen Libyen zeigte. Wahrscheinlich wird die Position Deutschlands Gegenstand der Gespräche.

Kurz vor Krieg

In Libyen gingen die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den dortigen Stämmen auch diese Wocher weiter. Die Stadt Bani Walid wurde mit Artillerie und Luftwaffe angegriffen. Einige Quellen sprechen über Einsätze von Weißem Phosphor gegen Zivilisten. Ende der Woche kam die Nachricht, die Stadt sei gefallen und man gehe nun daran, lokale Widerstandsnester auszuschalten. Bislang scheint es nicht möglich, die Zuverlässigkeit dieser Angaben zu prüfen. Allein innerhalb des vergangenen Jahres kamen solche Meldungen nämlich schon um die 10 Mal. Bekannt ist dagegen, dass die Misurata-Brigaden, welche die Stadt belagern, nach dem üblichen “Ratten”-Schema vorgehen, das bereits bestens aus Syrien bekannt ist. Es wurde eine Waffenruhe für die Dauer von 48 Stunden angekündigt, damit Zivilisten die Stadt verlassen können. Diese Feuerpause machten sich die Angreifer zunutze, brachen den Waffenstillstand und deckten Bani-Walid mit Feuer aus Grad-Raketenwerfern ein. Ein simples, aber effektives Schema.

Alarmierend bleibt die Lage im Nachbarland Syriens, dem Libanon. Anfang der Woche kam es hier zu Straßenkämpfen zwischen unzufriedenen Städtern und der Polizei, in deren Verlauf es 8 Tote und weitere 80 Verletzte zu beklagen gibt. Anlass war die Bestattung des vor kurzem bei einem Attentat getöteten Geheimdienstchefs Wisam al-Hassam. Das am wenigsten stabile Land der Region befindet sich somit offenbar wieder am Rande eines Bürgerkriegs mit allen Konsequenzen, die sich daraus für die Nachbarländer ergeben.

Herausforderung

Ende der Woche rief der Anführer der Al-Kaida, Aiman az-Zawahiri, die Moslems weltweit dazu auf, Ausländer zu entführen und damit den Kampf gegen Assad in Syrien zu unterstützen.

Wir müssen so viel wie möglich Bürger solcher Staaten entführen, die gegen die Moslems kämpfen, um damit im Austausch unsere gefangenen Brüder freizubekommen.

Kurz zuvor hat ein weiterer bekannter Islamist, Scheich Yusuf al-Qaradawi, Russland für seine Unterstützung Syriens scharf kritisiert:

Brüder, Moskau ist dieser Tage zu einem Feind des Islam und der Moslems geworden. Es ist nun der Feind Nummer 1 für den Islam und die Moslems, weil es sich gegen das syrische Volk gewandt hat. Die arabische und die islamische Welt muss sich in einer einheitlichen Front gegen Russland erheben. Wir müssen unseren Feind Nummer 1, Russland, boykottieren.

Mit anderen Worten, Russland wird von Seiten islamischer Radikaler offen herausgefordert. Das ist gar nicht so schlecht, denn es ist immer besser, offen Krieg zu führen. Wir hatten beispielsweise mehrfach davon berichtet, wie sich in Tatarstan zielstrebig ein wahhabitischer Untergrund heranbildet und dabei festgestellt, dass die Staatsmacht dieses Problem nicht wirklich ernstzunehmen scheint. Es kam soweit, dass frischgebackene “Waldbrüder” das Internet mit ihren Aufforderungen zur Vernichtung aller Russen überschwemmten, und im Zentrum von Kasan hielt trotz des Verbots der Regierung ein fanatischer Pöbel seine Kundgebungen ab.

Lage Tatarstans (Hauptstadt: Kasan) in Russland (Karte: TUBS/Wikimedia Commons)

Doch in dieser Woche gab es da Bewegung. In Kasan wurde durch Sondereinheiten des FSB eine Bande von Islamisten liquidiert. Ihr Anführer und zwei Komplizen leisteten bewaffneten Widerstand, infolge dessen ein FSB-Mann getötet und ein weiterer verletzt wurde. Die Terroristen wurden liquidiert. Man fand Sprengsätze. Nach Angaben des FSB war es diese Bande, welche für die Anschläge auf die geistlichen Führer in Tatarstan verantwortlich war. Für die Zeit des islamischen Opferfests wurde ausserdem ein weiterer Anschlag vorbereitet. Wie sich herausstellte, war der Anführer ein Mann namens Raïs Mingalijew, der bereits in einer unserer Folgen besprochen wurde. Hier ist er, der selbsternannte “Amir von Tatarstan”:

Am 19. Juli 2012 wurde auf meinen Befehl ein Einsatz gegen die Feinde Allahs Ildus Fajsow und Waliullah Jakupow durchgeführt. Alhamdullillah befinde ich, dass der Einsatz erfolgreich verlief. Inschallah werden wir auch weiterhin solche Aktionen gegen die Feinde Allahs durchführen.

Nun, die Herausforderung ist angenommen. Wir hoffen, dass sich weitere “Waldbrüder” genauso schnell und effektiv zu Allah begeben werden wie diese hier.