Das bei vielen neuerdings so beliebte Genre der Militärkartographie scheint, was den Krieg in Syrien angeht, der syrischen Regierung bedeutende Fortschritte im Kampf gegen die Terrorbrigaden, Interventen und Separatisten diverser Couleur zu attestieren. Dabei ist dieses täglich frische Einfärben von Gebieten auf Karten überwiegend eine Formalität, die nur recht wenig Bezug zur realen Lage hat.

Einerseits sind die rechnerisch über 50 Prozent des syrischen Staatsgebiets, die von der syrischen Regierung „kontrolliert“ werden, ziemlich viel Wüste. Dort ist eine flächendeckende Kontrolle gar nicht möglich, sondern beschränkt sich in der Regel auf die wenigen Ortschaften, Ketten von Checkpoints und die wesentlichen Verkehrsadern. Es ist also nicht sehr verwunderlich, wenn – wie Mitte Januar 2018 – der traditionell hochmobile IS urplötzlich mit mehreren Stoßtrupps von insgesamt über Tausend Mann in Hama / Idlib auftaucht und dort für eine unvorhergesehene Fluktuation der Lage sorgt.

Andererseits spiegeln die bunt gefärbten Karten in keiner Weise das Potential, dessen sich die jeweiligen Halter dieser Gebiete erfreuen können. Unlängst hat einmal jemand die landwirtschaftlich genutzten Gebiete auf eine solche Karte projiziert:

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Dunkel eingefärbt werden hier die agrarwirtschaftlich genutzten Gebiete dargestellt, von denen auf die Kurden (gelb) ca. 57%, auf die syrische Regierung (rot) ca. 27% und die „gemäßigten“ Terrorbrigaden (grün) ca. 15% entfallen, und ein Prozent immerhin wird dem IS zugeschlagen.

Dabei sind die Lasten, welche diese Gebiete zu tragen haben, ganz anders verteilt: Rund 65% der überlebenden und nicht geflohenen syrischen Bevölkerung lebt auf den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten. Das ist eine Schätzung, denn genaue Zahlen dazu hat einfach niemand, aber der Grundgedanke ist klar: Die Kurden und die hinter selbigen stehenden Amerikaner haben es inzwischen geschafft, den größten Teil der syrischen Ressourcen unter ihre Kontrolle zu bringen. Als da wären die Produktion von Elektroenergie durch die Kaskade von Staudämmen und Kraftwerken entlang des Euphrat, die Erdölvorkommen mit ungefähr 70% des gesamten in Syrien geförderten Erdöls, die Hälfte des geförderten Erdgases (allein das Conoco-Erdgasvorkommen nordöstlich von Deir ez-Zor liefert um die 5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr), nun, und eben die dargestellten knapp 60% Flächen mit Agrarproduktion. Und bei alledem ist der demographische Druck in diesen Gebieten nicht mit dem in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten zu vergleichen.

„Flächen mit Agrarproduktion“ bedeutet unter den Bedingungen der Region gleichzeitig meist „bewässerte Gebiete“, und selbst bei der Versorgung mit Trinkwasser sind die Gebiete unter syrischer Kontrolle extrem defizitär.

All das bedeutet, dass die Frage eines Fortbestands der syrischen Zentralmacht wirtschaftlich absolut ungeklärt ist. Überleben können wird sie nur, wenn die Schutzmächte – Iran und Russland – sehr tief in ihre ohnehin ausgedünnten Taschen greifen. Was die vorhandenen Bodenschätze angeht, so sind diese bereits überwiegend aufgeteilt; beispielsweise unterhält der Iran aus den Erlösen der in Syrien abgebauten Phosphate zumindest teilweise die von ihm kontrollierten ausländischen Söldnereinheiten aus dem Irak und Afghanistan. Das aus dem Shaer-Vorkommen produzierte Erdgas haben sich die Russen längst unter den Nagel gerissen, der Erlös geht auch hier zu einem bedeutenden Teil in die Finanzierung von Söldnereinheiten.

Die Kosten für den Lebenserhalt Syriens sind vor diesem Hintergrund gar nicht abzuschätzen; dieses Unterfangen kann gut und gern auch ganz ohne Militärausgaben zum Bankrott der Schutzmächte führen. Zumindest werden sie absehbar nach Möglichkeiten suchen, ohne Gesichtsverlust „aus der Sache rauszukommen“.